Politik

Briten zwischen Kritik und Krone "Alle hungern, aber die Royals verschwenden Geld"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Auf diesen Tag hat König Charles III. lange gewartet.

Auf diesen Tag hat König Charles III. lange gewartet.

(Foto: REUTERS)

Für Großbritannien ist es das Ereignis des Jahres. Seit Wochen bereitet sich London auf die Krönung von König Charles III. vor. Doch in dem krisengeschüttelten Land sehen längst nicht alle Briten dem Tag mit Begeisterung entgegen.

Fahnen so groß wie Teppiche wehen auf der Straße zum Buckingham Palace, wo in dieser Woche Ausnahmezustand herrscht. Menschenmassen drängen sich schon Tage vor der Krönung von König Charles III. in Richtung der Londoner Residenz, die weiträumig abgesperrt ist. Entlang "The Mall" hängen aber nicht nur britische Flaggen, die die Prachtstraße für das Großevent schmücken, sondern auch die der Commonwealth Realms Kanada, Australien, Jamaika und Co. Denn Charles wird nicht nur als neues royales Oberhaupt von Großbritannien gekrönt, sondern auch als König der verbliebenen 13 ehemaligen britischen Kolonien.

"The Mall" mit Blick auf den Buckingham Palace.

"The Mall" mit Blick auf den Buckingham Palace.

(Foto: Vivian Micks)

Vor dem Buckingham Palace selbst erstreckt sich auf der rechten Seite eine Reihe von weißen Zelten, die hinter dem perfekt gepflegten Garten mit einem Meer dunkelroter Tulpen aufgebaut sind. Dort haben Journalisten bereits vor Tagen ihre Kameras in Stellung gebracht und berichten live. Auf der anderen Seite des sonst befahrbaren Kreisverkehrs, in dessen Mitte das vergoldete Memorial der früheren Königin Victoria thront, musste die Rasenfläche einer gigantischen Tribüne weichen, auf der später geladene Gäste Platz nehmen werden.

Die Massen an Touristen und Royal-Fans bewegen sich durch den St. James's Park bis hin zur Westminster Abbey, wo die Zeremonie ihren Anfang nimmt. Dort regt sich auch Widerstand: Mit schwenkenden EU-Fahnen protestieren mehrere Männer gegen den Brexit. Auf einem schwarzen Banner mit weißer Schrift steht in Großbuchstaben: "Corrupt Tory Government liars, cheats and charlatans. Get them out now" (korrupte Tory-Regierung - Lügner, Betrüger und Scharlatane. Holt sie jetzt raus). Das richtet sich zwar gegen die Tory-Regierung unter Premierminister Rishi Sunak und nicht direkt gegen König Charles, zeigt aber abseits von Prunk und Glanz das Problem der Briten mit aller Deutlichkeit: Das Land leidet massiv unter dem Brexit und dessen wirtschaftlichen Folgen.

"Die Menschen haben es satt"

Abseits des Trubels in der Innenstadt zeichnet sich auf den Straßen Londons ein anderes Bild ab. Begeisterung über den neuen König sucht man im Stadtteil Islington im Norden der Stadt vergebens. Vor allem unter den jüngeren Bewohnern Großbritanniens überwiegt der Frust über die hohen Lebenshaltungskosten, die etliche Familien in die Armut getrieben haben. "Die Menschen haben es satt", erzählt die 27-jährige Layla B. ntv.de vor einem Souvenir-Shop. "Jeder muss kämpfen, um über die Runden zu kommen, und die Königsfamilie gibt so viel Steuergeld für Dinge aus, die nicht notwendig sind." Junge Menschen ihrer Generation hielten die Monarchie deshalb für ein veraltetes Konzept.

Medienzelte reihen sich dicht an dicht, mit direktem Blick auf die royale Residenz.

Medienzelte reihen sich dicht an dicht, mit direktem Blick auf die royale Residenz.

(Foto: Vivian Micks)

Das deckt sich mit Umfragen der BBC, die im April erhoben wurden, wonach nur 32 Prozent der 18- bis 27-Jährigen die Monarchie unterstützen. 78 Prozent gaben sogar an, nicht an der royalen Familie interessiert zu sein. "Sie sind realitätsfremd. Die Krönung wird so viel Geld kosten, aber es ist ihnen egal", sagt Layla. Dass die Menschen echte Probleme haben, sei ihnen überhaupt nicht bewusst.

Als Mitglied der Königsfamilie könne man die Probleme der einfachen Leute nicht verstehen, sagt auch die 50-jährige Melanie F. Die Irin, die seit ihrem zweiten Lebensjahr in Großbritannien lebt, sieht vor allem die steigenden Preise für Lebensmittel und Wohnkosten als großes Problem. "Vielleicht gibt Charles sich Mühe und will es verstehen, aber das kann er nicht. Einfach weil er ist, wer er ist", sagt sie, während sie ihrer Enkelin einen Löffel Brei in den Mund schiebt. Der Brexit habe das Land viel stärker getroffen, als die Politik es für möglich gehalten hätte, und darunter würden vor allem die Jüngeren leiden.

Bei Commonwealth-Ländern regt sich Widerstand

Die Krönung live bei ntv

Charles III. wird zum König des Vereinigten Königreichs gekrönt - und bei ntv sind Sie live dabei. Am Samstag, 6. Mai, berichten wir von 11 bis 15.30 Uhr von den Feierlichkeiten in London.

Charles III. hat keine konkrete Position zum Brexit eingenommen - öffentlich darf er sich als König nicht dazu äußern. Dass das Land noch immer um die Frage gespalten ist, ob es richtig war, aus der EU auszusteigen, ist kein Geheimnis. Doch als Brückenbauer, der aktiv versucht, die Lager zusammenzubringen, trete der König nicht auf, sagt Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ntv.de. Gegenüber den EU-Ländern bemüht sich Charles um ein freundschaftliches Verhältnis, das zeigt nicht zuletzt sein Besuch im Deutschen Bundestag vor rund einem Monat. Dass er sich für seine erste Amtsreise als König Deutschland ausgesucht hatte, beziehungsweise Frankreich, wo der Besuch wegen der Proteste im Land abgesagt wurde, sehen viele als Zeichen für die Bemühungen, die Beziehung zur EU wieder warm werden zu lassen.

In Europa hat König Charles auch leichteres Spiel als in den Mitgliedsstaaten der Commonwealth Realm. Denn dort nimmt die Beliebtheit der Monarchie stetig ab. "Umfragen in Ländern wie Australien, Jamaika, den Bahamas oder Kanada zeigen, dass die Skepsis gegenüber der britischen Monarchie, die so weit weg von diesen Ländern und ebenso wenig präsent ist, gestiegen ist", so Großbritannien-Experte von Ondarza. Der König könne Besuche in den Ländern nicht für immer aussitzen, aber im Moment wolle man die Diskussionen über eine Zukunft als Republik vor Ort nicht anheizen.

"Es gibt diese bedrückte Stimmung im Land"

Das Ehepaar Perry und Trish M. glaubt, dass sich Australien bald von der Krone lösen wird.

Das Ehepaar Perry und Trish M. glaubt, dass sich Australien bald von der Krone lösen wird.

(Foto: Vivian Micks)

In Australien werde es nicht mehr lange dauern, bis sich das Land von der Krone lossagt, ist sich der Australier Perry M. sicher. "Das Referendum wird kommen", sagt der 62-Jährige in einer Einkaufsstraße in Islington. "Beim letzten Mal hat es nicht geklappt, beim nächsten Mal wird es aber passieren." Er und seine Frau Trish sind gerade für drei Monate in Großbritannien zu Besuch. Das schwindende Interesse an König Charles und die wirtschaftliche Situation im Land haben auch sie erkannt. "Alle hungern, aber die Royals verschwenden Geld. Das denken doch alle, oder?"

Mehr zum Thema

Das Thema Geld und Reichtum kam im Laufe der Amtszeit von Queen Elizabeth II. immer mal wieder auf - gerade in Zeiten, in denen das Land wirtschaftlich kämpfen musste, wie Ende der 1970er-Jahre und anschließend unter der starken Hand von Premierministerin Margaret Thatcher. Trotzdem gelang es der Queen immer wieder, als eine der reichsten Frauen der Welt empathisch gegenüber den ärmeren Bevölkerungsschichten zu sein. Ihrem Sohn gelinge das weniger gut. "Es gibt diese bedrückte Stimmung im Land, dass man auf dem absteigenden Ast ist", sagt Experte von Ondarza.

Für Touristen und Royalisten ist die Krönung trotz aller Krisen, die das Land beschäftigen, ein besonderes Erlebnis. Das zeigen nicht zuletzt die Menschenmassen um den Buckingham Palace. Denn trotz aller Kritik wollen auch die Australier Trish und ihr Mann Perry zur Krönung gehen. "Die Atmosphäre wollen wir nicht verpassen", so die 60-Jährige. "Außer, es regnet."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen