Politik

Karl Lauterbach bei Markus Lanz "Diese Reform wird das Gesundheitssystem umkrempeln"

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Medikamentenmangel, Krankenhausreform: Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat viel vor in den kommenden Monaten.

Medikamentenmangel, Krankenhausreform: Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat viel vor in den kommenden Monaten.

(Foto: REUTERS)

Der Bundestag will ein Gesetz beschließen, das Schluss machen soll mit der wiederkehrenden Medikamentenknappheit. Eine Krankenhausreform soll im nächsten Jahr folgen. Gesundheitsminister Lauterbach erklärt in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz", was sich demnächst ändern soll.

In Deutschland droht ein Krankenhaussterben. Das will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD verhindern. Deswegen soll Anfang nächsten Jahres eine Gesundheitsreform in Kraft treten, über die Lauterbach in der kommenden Woche mit seinen Länderkollegen beraten will. "Wenn diese Reform nicht käme, würde das Krankenhaussterben im nächsten Jahr beginnen und dann auf lange Sicht nicht enden", sagt er dazu am Donnerstagabend in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz". "Diese Reform wird das Gesundheitssystem umkrempeln."

In Deutschland gibt es zurzeit etwa 1300 verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, vom Beinbruch über die Hüftoperation bis zur Herztransplantation. Für jede Behandlung bekommt das jeweilige Krankenhaus eine feststehende Geldsumme, die sogenannte Fallpauschale. "Je mehr Behandlungen ein Krankenhaus anbietet, desto mehr Geld hat es", erklärt dazu Lauterbach. Dadurch werde zum Beispiel das eine oder andere Knie operiert, das gar nicht operiert werden müsste. Der Minister benennt ein weiteres Problem: "Wenn das Krankenhaus keinen Topchirurgen hat, aber das Geld trotzdem abrechnen will, operiert vielleicht jemand, der das nicht so gut kann." Zudem werden laut Lauterbach häufig Patienten stationär behandelt, obwohl eine ambulante Behandlung auch möglich wäre.

Daher will der Gesundheitsminister ab dem kommenden Jahr eine Qualitätsoffensive starten. Dabei werden in den einzelnen Krankenhäusern nur noch die Bereiche vom Staat finanziert, die erfolgreich sind. "Wir werden ab Januar die Krankenhäuser nach der Qualität für den jeweiligen Eingriff bewerten", sagt Lauterbach. Hausärzte und Patienten können diese Bewertung anhand eines Ampelsystems einsehen. "Wenn ich die schlechten Bereiche bei einzelnen Krankenhäusern nicht mehr bezahle, gehen die Patienten für diese Eingriffe in Krankenhäuser, die das besser können, und dann kann da auch besser bezahlt werden", sagt der SPD-Politiker.

Doch es gibt Kritik an der Reform. So könnte die Versorgung im ländlichen Bereich nach Meinung von verschiedenen Länderministern leiden. Lauterbach sieht das anders: "Kleinere Kliniken bekommen zum Beispiel Geld für kleinere Eingriffe. Wir bezahlen denen eine Pauschale von 60 Prozent. Wenn die dann weniger Fälle erledigen, kommen die damit gut über die Runden."

Medikamentenmangel bekämpfen

Schon am heutigen Freitag soll der Bundestag zudem ein Gesetz beschließen, das den aktuellen Medikamentenmangel bekämpfen soll. "In Europa werden keine Medikamente produziert, sondern vor allem in Indien und China", sagt dazu Lauterbach. "Die werden bei uns mit Rabatten verkauft. Die Firmen, die das tun, können einen solchen Rabattvertrag nur bekommen, wenn sie uns garantieren, dass sie für ein halbes Jahr diese Medikamente vorrätig haben."

Zudem soll die Produktion von Medikamenten wieder verstärkt in die Europäische Union verlegt werden. "Wir müssen unabhängig sein im Falle eines Handelskrieges oder falls wir erpresst werden", so der Minister. Deswegen sollen nur jene Betriebe Lieferverträge bekommen, die die Hälfte ihrer Medikamente in Europa herstellen. Diese Regel soll zunächst für Antibiotika gelten, bei Krebsmedikamenten greife sie später, sagt Lauterbach weiter.

Einen Grund für die aktuellen Lieferengpässe bei Medikamenten beschreibt Pharmakologe Roland Seifert von der Medizinischen Hochschule in Hannover bei "Markus Lanz": Für die Entwicklung eines Medikaments gibt es demnach ein Patent, das zehn Jahre läuft. Danach kann es theoretisch von jedem Unternehmen kopiert werden - dadurch entstehen sogenannte Generika. Um das zu verhindern, nehmen viele Pharmakonzerne an ihren Erfindungen kleinere Veränderungen vor. "Da entstehen als Nebenprodukte häufig krebserregende Stoffe, die nicht mehr in den Handel gebracht werden können", so Seifert.

Aktuell gibt es Lieferengpässe bei 480 Medikamenten, die häufig verschrieben werden. Bei seltenen Krankheiten gibt es dagegen meist keine Probleme. "Da geht es häufig um Erkrankungen, die man nicht mal im Medizinstudium lernt", sagt Seifert. Das neue Gesetz ist für den Wissenschaftler ein Schritt in die richtige Richtung. "Es wird nicht alle Probleme lösen, aber es ist das erste Gesetz in dieser Art, das es überhaupt gibt", sagt er.

Quelle: ntv.de

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