Politik

Grüne Erwartungen an G20-Treffen Dieser Gipfel hat nicht das letzte Wort

Was erwartet uns beim G20-Gipfel?

Was erwartet uns beim G20-Gipfel?

(Foto: REUTERS)

Die G20 könnten für fairen Handel und Klimaschutz so viel bewegen. Doch vom derzeitigen Gipfel-Personal ist wenig zu erwarten. Dennoch: Es lohnt sich, weiter gegen Autokraten und Trumpisten für diese Ziele zu kämpfen.

Cem Özdemir ist Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und einer der beiden Spitzenkandidaten der Partei für die Bundestagswahl im Herbst.

Cem Özdemir ist Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und einer der beiden Spitzenkandidaten der Partei für die Bundestagswahl im Herbst.

(Foto: imago/Oryk HAIST)

Der G20-Gipfel in Hamburg findet in aufgeheizter Atmosphäre statt. Und das gilt in doppelter Hinsicht: Das Erdklima erhitzt sich noch schneller als gedacht und macht die Klimakrise zur drängenden Überlebensfrage für die Menschheit. Gleichzeitig zweifeln die Menschen aufgrund eines mangelnden Regulierungsrahmens immer stärker am globalen Handelssystem und daran, ob sie ihre Zukunft noch selbst gestalten können.

Die Welt verändern, sozial und ökologisch – das wird nur mit den 20 stärksten Ländern gehen. Denn diese Staaten erbringen rund 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, verursachen rund 80 Prozent der Treibhausgasemissionen und repräsentieren zwei Drittel der Weltbevölkerung.

Leider ist die Bilanz von G20-Treffen bisher mager. Der Kampf gegen Steuerbetrug und Steuersümpfe schaffte es zwar in einige Abschlusserklärungen, in der Wirklichkeit aber geht der Diebstahl am öffentlichen Eigentum ungebremst weiter. Die Finanzmärkte sind nach der Krise von 2008 zwar besser reguliert als damals, aber mit den Ankündigungen des US-Präsidenten drohen neue Deregulierungsrunden. Und der von der G20 fromm versprochene Abbau umweltschädlicher Subventionen fand nicht statt.

Merkel empfängt Gäste mit verkohlter Weste

Wird es dieses Jahr besser? Schaut man sich die Gästeliste des Gipfels an, ist das kaum zu erwarten. Klimaschutz und fairer Handel mit dem Paris-Aussteiger und America-First-Demagogen Trump? Neuer Geist globaler Verständigung mit autoritären Nationalisten wie Putin oder Erdogan? Es fällt schwer, daran zu glauben.

Auch der Gastgeber, das Deutschland der Großen Koalition, hat sich bei den beiden Kernthemen unserer Zeit nicht mit Ruhm bekleckert. Denn Angela Merkel empfängt ihre schwierigen Gäste in verkohlter Weste. Deutschland hat seit acht Jahren keine Tonne CO2 mehr reduziert. Jedes Jahr bläst unser Land ungebremst Klimagase in die Atmosphäre. Bei der Energiewende und im Verkehrssektor herrscht klimapolitischer Stillstand. So wird Deutschland seine Klimaschutzziele für 2020 verfehlen. Eine echte Klimaführungs-Rolle hätte anders ausgesehen. Wenn Frau Merkel ihre eigenen Hausaufgaben nicht gemacht hat, fällt es schwer, andere Nationen zu überzeugen.

Und durch ihren Umgang mit den Handelsabkommen der letzten Jahre setzt die Bundesregierung aufs Spiel, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik und ihren Gestaltungswillen verlieren. Mit intransparenten Verhandlungen über Handelsabkommen untergräbt auch die Bundesregierung das Vertrauen in den internationalen Handel. Nur auf öffentlichen Druck hin wurden der Schutz öffentlicher Daseinsvorsorge, das Vorsorgeprinzip und die Klagemöglichkeiten für Investoren gegen demokratische Staaten bei den Verhandlungen der EU (CETA) überhaupt zum Thema.

Deutschland muss wieder Klima-Vorreiter werden

Ausgerechnet nach Trumps Ankündigung, aus dem Pariser Klimavertrag auszusteigen, will die Kanzlerin die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen den USA und der EU wiederbeleben. Das aktuelle Abkommen zwischen der EU und Japan (JEFTA) zeigt: Nach wie vor verhandelt die EU-Kommission die Handelsabkommen hinter verschlossenen Türen. Einer offenen Handelspolitik, die so wichtig für unser Land und seine Unternehmen ist, erweisen EU-Kommission und Bundesregierung so einen Bärendienst.

Doch auch wenn der G20-Gipfel wenig Fortschritte bringt, dürfen wir nicht verzagen. Wir können auch auf anderen Ebenen und Wegen für Klimaschutz und eine gerechte Globalisierung etwas tun. So hat das Land Baden-Württemberg mit dem US-Bundesstaat Kalifornien, der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt, im Jahr 2015 die globale Umweltschutz-Initiative "Under 2 MOU" gegründet. Ungeachtet des Klima-Rückzugs von Donald Trump werden dadurch 175 Regionen der Welt ihre Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren.

Auch auf Bundesebene aber muss Deutschland auch jenseits der scheinheiligen Gipfel-Erklärungen wieder zum Klima-Vorreiter werden. Dazu muss die nächste Bundesregierung in den Bereichen Strom, Verkehr, Wärme, Industrie und Landwirtschaft mehr Druck machen. Die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke müssen wir sofort abschalten, die Ausbaudeckel für Ökostrom begraben, den Emissionshandel in Gang bringen und die Autoindustrie unmissverständlich auf das Ziel des abgasfreien Autos verpflichten.

Wir finden unsere Wege!

Auch die internationale Handelspolitik können wir im Kampf gegen die Klimakrise nutzen. Handelsabkommen müssen der Umsetzung vom Pariser Klimavertrag und den UN-Nachhaltigkeitszielen dienen. Wer international handelt und produziert, muss Arbeit menschenwürdig gestalten und fair bezahlen. Vor allem aber müssen wir unsere hohen Umwelt- und Verbraucherstandards wahren. Das ist für deutsche Unternehmen mit ihrer hohen Produktionsqualität leicht zu leisten.

Wir brauchen einige Ausnahmen und Spielräume, etwa für die öffentliche Daseinsvorsorge und Bereiche wie Kultur und soziale Dienstleistungen. Die fragwürdigen Klageprivilegien für Investoren sind unnötig. Wirtschaftlich schwachen Staaten sollten wir die Möglichkeit lassen, bestimmte Sektoren vor der Konkurrenz zu schützen, um eigene Fähigkeiten aufzubauen. Wenn Handelsabkommen transparent verhandelt werden, können Menschen darin auch den Nutzen für sich erkennen. Wenn sie sich als Gewinner und Gestalter der Globalisierung entdecken, dann laufen sie auch nicht den Heilsversprechungen von Abschottung und Isolation nach.

All das wird wohl leider nicht auf diesem G20-Gipfel verabredet werden. Aber dieser Gipfel hat nicht das letzte Wort. Wir werden weiter für diese entscheidenden Ziele streiten und arbeiten müssen. Globale Zusammenarbeit lässt sich nicht durch die Autokraten und Trumpisten dieser Zeit ausbremsen. Wir finden unsere Wege: Fair Trade und Climate First!

Quelle: ntv.de

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