Autobombe hinterlässt Riesen-Krater Doppelanschlag erschüttert Istanbul
11.12.2016, 12:10 Uhr
Zwei Bomben detonieren nach einem Fußballspiel im Istanbuler Stadtteil Besiktas. Ziel waren offenbar die das Stadion absichernden Polizisten. Neue Hinweise lassen die PKK als Täter vermuten. Auch werden immer mehr Details zu den Anschlägen bekannt.
Bei zwei Anschlägen in Istanbul sind mindestens 38 Menschen getötet worden. Zudem gibt es 155 Verletzte, 14 davon schwer. Die beiden Bomben seien im Abstand von 45 Sekunden gezündet worden, sagte der nach Istanbul gereiste türkische Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus. Zunächst sei nahe des Besiktas-Stadions eine Autobombe gezündet worden, kurz darauf habe sich eine von Polizisten im nagegelegenen Macka-Park angehaltene Person in die Luft gesprengt.
Bisher bekannte sich keine Organisation zu den Anschlägen. Regierungskreise vermuten aber die verbotene kurdische Terrorgruppe PKK hinter dem Doppelanschlag. So deute auf die PKK hin, dass bei dem Bombenanschlag ein Fahrzeug verwendet wurde, sagte Kurtulmus. Insgesamt seien zwischen 300 und 400 Kilogramm Sprengstoff verwendet worden. "Wo das Auto in die Luft gesprengt wurde, ist ein Graben entstanden und das Auto gibt es nicht mehr", sagte Kurtulmus. "Es ist völlig zerstört worden. Es ist ein riesiger Krater entstanden."
Die pro-kurdische Partei HDP hat den Doppelanschlag in Istanbul scharf verurteilt. "Mit den zwei Bombenanschlägen in Istanbul herrscht in den Häusern vieler Familien wieder Trauer. Wir verurteilen diese Anschläge aufs Schärfste. Wir sind sehr traurig und teilen den Schmerz", hieß es in einer Mitteilung der Parteizentrale. Zugleich rief die Partei zum "Ende der Polarisationspolitik" in der Türkei und zur Wahrung von Frieden, Demokratie und Menschenrechten auf.
Der Nationale Sicherheitsrat der USA verurteilte die Anschläge auf das Schärfste. "Wir stehen der Türkei zur Seite, unserem Nato- Verbündeten, gegen alle Terroristen, die die Türkei, die USA und den Weltfrieden und die Stabilität bedrohen", sagte Sicherheitsrats-Sprecher Ned Price in Washington.
Match war Hochrisikospiel
Auf Bildern vom Tatort im Stadtteil Besiktas waren die Leichen von Polizisten und Leichensäcke zu sehen. Etwa anderthalb Stunden vor der ersten Explosion endete das Spiel zwischen den Erstligisten Besiktas Istanbul und Bursaspor. Soylu sagte weiter, die Bombe sei explodiert, nachdem sich die Zuschauer zerstreut hatten. Unter den Toten seien mindestens 30 Polizisten und sieben Zivilisten. Die Identität eines weiteren Toten ist noch ungeklärt.
Das Match zwischen Besiktas und Bursaspor galt als Hochrisikospiel, bei dem die Polizei Auseinandersetzungen zwischen Fangruppen verhindern sollte. In der Vergangenheit war es zwischen den beiden Fangruppen immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen. Die Fans von Bursaspor waren wegen einer Strafe überhaupt das erste Mal seit Jahren wieder zu einem Besiktas-Spiel zugelassen worden. Deshalb waren zur Partie am Samstagabend besonders viele Polizisten zur Absicherung im Einsatz.
Bei der zweiten Explosion in der Nähe des Parks Macka soll ein Selbstmordattentäter einen Sprengsatz gezündet haben, erklärte Innenminister Soylu. Der Park liegt ebenfalls im Viertel Besiktas. Fernsehbilder zeigten mehrere zerstörte Autos, darunter ein Minibus und ein von der Explosion getroffener Wasserwerfer. Ein Twitter-Nutzer veröffentlichte ein Video, in dem die Explosion auch Kilometer entfernt noch zu hören war.
Polizei sprengte Fahrzeug
In der Nacht sprengten die Behörden zudem ein verdächtiges Fahrzeug. Dies sei in der Nähe des Besiktas-Fußballstadions erfolgt. Besiktas ist ein beliebtes Ausgehviertel und am Wochenende sehr belebt. Zunächst wurde von den Behörden eine Nachrichtensperre verhängt, die sich aber nicht auf öffentliche Verlautbarungen bezieht.
Die deutschen Fußballprofis Andreas Beck und Lukas Podolski haben tief betroffen auf die Bombenanschläge in ihrer Stadt Istanbul reagiert. "Ich war bereits zu Hause, als es zu der Explosion kam", sagte Beck, der für Besiktas Istanbul spielt. Er sei erschüttert und sehr traurig. "Meine Gedanken sind bei allen, die einen geliebten Menschen verloren haben. Und natürlich auch bei den Verletzten, denen ich von ganzem Herzen gute Besserung wünsche", sagte der 29-Jährige.
Auch Weltmeister Lukas Podolski von Galatasaray Istanbul sprach den Opfern der Anschläge sein Mitgefühl aus. "Mein Herz ist bei den Menschen, die von der Explosion in meiner Stadt betroffen sind", schrieb der Ex-Kölner, der seit 2015 in Istanbul spielt, auf Twitter.
Die PKK oder deren Splittergruppe TAK verüben in der Türkei immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte. In den vergangenen Wochen war die türkische Regierung verstärkt gegen die pro-kurdische Opposition vorgegangen. Die HDP-Chefs Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag sowie acht weitere HDP-Abgeordnete waren Anfang November wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft genommen worden. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan betrachtet die HDP als verlängerten Arm der PKK. Die HDP weist diese Vorwürfe entschieden zurück.
Quelle: ntv.de, lou/wne/jve/dpa