Verfahren nach Artikel 50 auslösen EU-Gründerländer erhöhen Druck auf London
25.06.2016, 13:59 Uhr
Die Außenminister wollen die neuen Realitäten nicht auf die lange Bank schieben.
(Foto: dpa)
Die Briten haben sich für den Brexit entschieden, nun soll die Entscheidung auch umgesetzt werden. Deutschland und die anderen fünf EU-Gründerstaaten drängen auf zügige Austrittsverhandlungen. Großbritannien müsse nun mit den Konsequenzen leben.
Die sechs Gründerstaaten der Europäischen Union haben die britische Regierung dazu gedrängt, schnellstmöglich die Bürgerentscheidung zum Verlassen der EU umzusetzen und den dafür vorgesehenen Artikel 50 des Lissabon-Vertrags in Anspruch zu nehmen. "Wir erwarten jetzt, dass die britische Regierung Klarheit schafft und diese Entscheidung so schnell wie möglich in Kraft setzt", machten Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg in einer Erklärung nach einem Treffen ihrer Außenminister in Berlin klar.
"Dieser Prozess sollte so bald wie möglich losgehen, dass wir nicht in eine längere Hängepartie geraten", forderte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). "Es muss uns jetzt die Möglichkeit gegeben werden, dass wir uns mit der Zukunft Europas beschäftigen", sagte er. "Das bedeutet, dass nach der Entscheidung, die jetzt in Großbritannien gefallen ist, auch der Prozess eingeleitet wird, mit dem wir über den Austritt mit Großbritannien verhandeln - genauer gesagt, das Verfahren nach Artikel 50 ausgelöst wird."
Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault verlangte, der Austrittsprozess müsse jetzt losgehen. "Es gibt eine gewisse Dringlichkeit", betonte er. "Wir erwarten jetzt, dass das Verfahren nach Artikel 50 ausgelöst wird." Der britische Premierminister David Cameron habe das Referendum in Großbritannien angesetzt, "er muss jetzt auch mit den Konsequenzen leben". Mit seinen Kollegen wolle er das Signal aussenden, "dass Europa lebt", sagte Ayrault. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte, er hoffe, dass es nun mit London "kein Katz- und Maus-Spiel" über den Austritt gebe. "Das britische Volk hat entschieden. Das muss jetzt umgesetzt werden."
Weder Hysterie, noch Schockstarre
In ihrer Erklärung sprechen sich die sechs Länder dafür aus, in Reaktion auf den Brexit die EU-Politik stärker zu fokussieren. "Wir müssen unsere gemeinsamen Anstrengungen auf jene Herausforderungen konzentrieren, die nur mit gemeinsamen europäischen Antworten angegangen werden können", fordern sie. Zugleich müssten Wege gefunden werden, besser einem unterschiedlichen Niveau unter den Staaten in ihrem Ehrgeiz zu einzelnen Fragen zu entsprechen. Es sei nicht neu, die EU "mit verschiedenen Dimensionen und verschiedenen Geschwindigkeiten" zu organisieren, betonte der Belgier Didier Reynders.
Steinmeier bekräftigte: "Das ist jetzt eine Situation, die weder Hysterie noch Schockstarre erlaubt." Die EU dürfe jetzt nicht so tun, "als seien alle Antworten schon bereit". "Wir dürfen nach der britischen Entscheidung aber auch nicht in Depression und Untätigkeit verfallen." Europa müsse jetzt auch Lösungen liefern, sowohl in der Flüchtlingskrise als auch in Sicherheitsfragen und beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.
Aus anderen Ländern, die bei dem Treffen nicht dabei sind, gibt es Kritik. Steinmeier sagte dazu, es würden in den nächsten Tagen "viele unterschiedliche Gespräche" stattfinden. "Man muss sich jetzt ein wenig zuhören und abtasten, wo die Erwartungen sind und wie groß die Spielräume sind."
Quelle: ntv.de, sba/dpa