"Plattform zur Manipulation" EU rügt Putins Lügen und US-Journalisten Carlson
09.02.2024, 15:04 Uhr Artikel anhören
Rund zwei Stunden dauerte das Gespräch zwischen Putin und Carlson.
(Foto: via REUTERS)
Im Gespräch mit Carlson wiederholt Putin altbekannte Behauptungen: Der Westen sei Schuld am Angriffskrieg, Russland lediglich ein Opfer der NATO-Politik. Die EU verurteilt das Interview nun harsch - und kritisiert auch den US-Journalisten. Der Kreml zeigt sich hingegen äußerst zufrieden.
Die Europäische Union hat mit scharfer Kritik auf das Interview des US-Journalisten Tucker Carlson mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin reagiert. Putin habe darin "altbekannte Lügen, Verzerrungen und Manipulationen" wiederholt, sagte die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Nabila Massrali, in Brüssel. Kritik übte sie auch an Carlson, der Putin "eine Plattform zur Manipulation und Verbreitung von Propaganda geboten" habe.
Putin habe in dem Interview erneut "eine große Feindseligkeit gegenüber dem Westen an den Tag gelegt", sagte die Sprecherin weiter. Zudem habe der Kreml-Chef einmal mehr deutlich gemacht, dass er kein Interesse an echten und sinnvollen Schritten für einen Frieden habe.
Der Kreml zeigte sich hingegen zufrieden mit dem Interview. "Für uns ist vor allem die Reaktion unserer Leute wichtig", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es sei von großem Wert, dass sich viele Menschen, speziell in Russland, mit dem Interview vertraut machen können. "Putin spricht über seine Weltanschauungen und seine Sicht der Gründe für die jetzige Lage und die Perspektiven des Geschehens", so Peskow. Es war das erste Mal seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine, dass sich der Kremlchef ausführlich von einem US-Interviewer befragen ließ.
Carlson stellte Putins Behauptungen nicht infrage
Im Gespräch mit Carlson sagte der Kremlchef unter anderem, ein Einmarsch Russlands in die NATO-Staaten Polen und Lettland sei "absolut ausgeschlossen" - mit einer Ausnahme. Auf die Frage, ob er sich ein Szenario vorstellen könne, in dem er russische Truppen nach Polen schicken würde, entgegnete Putin: "Nur in einem Fall: wenn Polen Russland angreift." Russland selbst habe keine territorialen Interessen in Polen und Lettland, versicherte er. Wenige Tage vor dem Einmarsch in die Ukraine hatte der Kreml einen Angriff auf das Nachbarland freilich ebenfalls kategorisch ausgeschlossen.
Zudem räumte Putin in dem 127 Minuten langen Gespräch ein, dass Moskau auch fast zwei Jahre nach Kriegsbeginn noch nicht alle seine Ziele erreicht habe. Während er bei früheren Anlässen auch Gebietsansprüche unter anderem auf die ukrainische Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer geltend gemacht hatte, sprach er bei Carlson nur noch von der angeblich notwendigen "Entnazifizierung" der Ukraine. Das Argument dient aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs heraus vor allem innenpolitisch der Rechtfertigung der weiter anhaltenden Kämpfe. Putin bezeichnete eine Niederlage seines Landes im Angriffskrieg gegen die Ukraine als "unmöglich".
Der für die Verbreitung von Falschmeldungen und Verschwörungstheorien bei seinem früheren Arbeitgeber Fox News bekannte Fernsehmann Carlson stellte Putins langatmige Ausführungen nicht infrage. Er ließ auch unwidersprochen zu, dass Putin einmal mehr die Schuld für seinen Angriffskrieg der NATO zuschob, die Sprengung der Nord Stream Pipeline ohne Beweise den USA anlastete und der Bundesregierung unterstellte, die deutschen Interessen zugunsten von Bündnispflichten zu vernachlässigen.
Quelle: ntv.de, spl/AFP/dpa