Politik

Rechtsstaatliche Rückschritte EU stellt Türkei schlechtes Zeugnis aus

Seit 2005 sprechen die EU und die türkische Regierung über einen EU-Beitritts der Türkei.

Seit 2005 sprechen die EU und die türkische Regierung über einen EU-Beitritts der Türkei.

(Foto: dpa)

Als Reaktion auf den Putschversuch suspendiert die türkische Führung mehr als 110.000 Staatsdiener und Regierungskritiker oder sperrt sie ein. Die EU-Kommission kritisiert die Lage in ihrem jährlichen Beitrittsbericht, will die Verhandlungen aber fortführen.

Die Europäische Union wirft der Türkei Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit vor. In ihrem neuen Bericht zur Beitrittsreife schreibt die EU-Kommission, die Lage in der Türkei habe sich seit dem Putschversuch im Juli verschlechtert. Eine Reihe türkischer Gesetze stünden nicht im Einklang mit europäischen Standards.

Vor der türkischen Botschaft in Berlin protestierten am Mittwoch etwa 300 Türken gegen die deutsche Türkei-Politik. Der Vorwurf: Die Bundesregierung unterstützt Terroristen.

Vor der türkischen Botschaft in Berlin protestierten am Mittwoch etwa 300 Türken gegen die deutsche Türkei-Politik. Der Vorwurf: Die Bundesregierung unterstützt Terroristen.

(Foto: dpa)

Mit Sorge betrachtet die EU-Kommission vor allem die Menschenrechtslage. Das Recht und insbesondere Bestimmungen für den Antiterror-Kampf würden willkürlich angewandt, um die Meinungsfreiheit einzuschränken, heißt es in dem Bericht.

Keine Abbruch-Empfehlung

Seit dem Putschversuch im Juli wurden mehr als 110.000 Beamte, Soldaten, Polizisten und Richter suspendiert oder eingesperrt, ebenso zahlreiche Journalisten und vor allem vergangene Woche viele Abgeordnete der prokurdischen Partei HDP. Ihnen werden Verbindungen zur verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK oder zur Gülen-Bewegung zur Last gelegt, die Ankara für den Umsturzversuch verantwortlich macht.

Das harsche Vorgehen der türkischen Regierung hatte in Europa einen Streit über die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen entfacht. Viele Politiker forderten im Vorfeld auch einen Abbruch der Gespräche, da die türkische Regierung überlegt, die Todesstrafe wiedereinzuführen. Diese Empfehlung gab die EU-Kommission nicht.

Erdogan fordert Klarheit

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte die EU auf, schnell über das Beitrittsgesuch zu entscheiden. "Ungeniert und ohne Scham sagen sie, die Verhandlungen mit der Türkei müssen überprüft werden", erklärte er in Istanbul "Na los, überprüft sie so bald wie möglich. Überprüft sie schleunigst. Aber wenn ihr sie schon überprüft, zögert es nicht noch weiter hinaus, sondern fällt eure endgültige Entscheidung."

Auch Europaminister Ömer Celik sieht den Bericht kritisch. "Wir haben es mit einem Bericht zu tun, der weit entfernt davon ist, konstruktiv und wegweisend zu sein", sagte er in Ankara. Er sei mit einer Mentalität geschrieben worden, die den "Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union nicht dient". Celik wiederholte außerdem den Vorwurf, dass manche EU-Politiker mit der PKK sympathisierten.

Der turnusmäßige Bericht ist Teil des Beitrittsprozesses der Türkei zur EU. Die Verhandlungen mit der Türkei laufen schon seit 2005, derzeit ist aber kein Abschluss absehbar. Nichtsdestotrotz erkennt der Bericht auch Fortschritte an, zum Beispiel bei der Bekämpfung der Korruption oder der Reform der öffentlichen Verwaltung.

Quelle: ntv.de, chr/rts/dpa/epd

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