"Symbol für das Beste in Europa" EZB-Zentrale eingeweiht, Proteste dauern an
18.03.2015, 12:39 UhrBei der Einweihung der neuen EZB-Zentrale kommt es in Frankfurt am Main zu schweren Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Nahezu 100 Beamte werden beim sogenannten Blockupy-Protesttag verletzt. Aktivisten der kapitalismuskritischen Bewegung berichteten ebenfalls von vielen Verletzten und Hunderten Festgenommenen in ihren Reihen.
Begleitet von schweren Ausschreitungen und Demonstrationen hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre neue rund 1,3 Milliarden Euro teure neue Zentrale im Frankfurter Ostend eingeweiht. "Das Gebäude ist ein Symbol für das Beste, was Europa gemeinsam erreichen kann", sagte EZB-Präsident Mario Draghi. In seiner Rede erwähnte der Italiener auch die Proteste vor der Tür der beiden EZB-Tower.

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (l.) und EZB-Chef Mario Draghi weihen das Gebäude ein.
(Foto: REUTERS)
"Ich gehe davon aus, dass wir auch diejenigen mitnehmen können, die sich ausgeschlossen fühlen, einschließlich viele der Protestierenden, die in Frankfurt diese Woche zusammengekommen sind", sagte der EZB-Präsident. Draghi setzt dabei auf die weitere Integration in Europa. Das habe den Europäern bereits über drei Generationen viele Vorzüge gebracht.
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Bereits am frühen Morgen hatte mit einer Welle der Gewalt der Protesttag der kapitalismuskritischen Blockupy-Bewegung gegen die europäische Krisenpolitik begonnen. "Demonstranten bewarfen in der Innenstadt Polizisten mit Steinen. Bis zum Mittag wurden nahezu 100 Beamte verletzt", berichtete die Polizei. Ein Sprecher des Blockupy-Bündnisses berichtete, beim Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken durch die Polizei seien ebenfalls viele Demonstranten verletzt worden. Die Polizei wirkte nach Augenzeugenberichten von der Heftigkeit der Gewalt überrascht. "Die Atmosphäre ist aggressiv", so die Polizeisprecherin.
Im Frankfurter Ostend, wo die EZB ihren neuen Sitz hat, gab es kaum eine Straßenkreuzung, an der nicht Mülltonnen, Autoreifen oder Fahrzeuge brannten. Demonstranten versuchten, das weiträumig abgesperrte Gelände der EZB zu stürmen, wurden aber von der Polizei gestoppt. Nach Angaben der Polizei, sollen bis zu 500 Personen festgenommen worden sein, weil sie "Straftaten verübt" hätten.
Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), zeigte kein Verständnis für die Ausschreitungen. Bei n-tv sagte Malchow: "Man musste ja damit rechnen, dass es zu Ausschreitungen kommen würde. Ich hoffe aber, dass meine Kollegen jetzt über den Tag lang die Lage beruhigen. Auf jeden Fall zeigt dieses Ereignis schon jetzt, dass es richtig ist, mit so vielen Kollegen dort im Einsatz zu sein, um den Bürgern Frankfurts auch heute einen sicheren Tag gewährleisten zu können."
Malchow sprach von "schweren Straftaten", die derzeit in der Frankfurter Innenstadt verübt würden. Von zivilem Ungehorsam könne man schon nicht mehr reden. "Dass es heute Morgen schon so weit ist, ist überhaupt nicht akzeptabel."
Keine Rechtfertigung für Gewalt
Auch Bundesjustizminister Heiko Maas warnte die Randalierer vor Konsequenzen. "Wer Demonstrationsrecht missbraucht, wird die ganze Härte des Gesetzes spüren", schreibt Maas bei Twitter. "Gewalt gegen Polizei ist durch nichts gerechtfertigt." Jeder habe das Recht, etwa die EZB zu kritisieren. Pure Randale überschreite aber die Grenzen des politischen Meinungskampfs.
Blockupy widersprach den Angaben. Die Polizei habe Teile der Demonstration angegriffen, so Blockupy-Sprecher Hendrik Wester. "Das ist nicht so, wie wir von Blockupy den Tag geplant haben. Aber man muss auch feststellen, dass offensichtlich das Bürgerkriegsszenario, was die Polizei da aufgemacht hat, von vielen Leuten als Herausforderung und als Provokation begriffen worden ist." Das Bündnis hoffe aber, dass die Lage nicht weiter eskaliere. Ganz offensichtlich sei aber "der europäische Protest gegen die Krisenpolitik in Frankfurt angekommen".
Der Co-Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain, zeigte grundsätzlich Verständnis für die Proteste. "Für mich ist Meinungsfreiheit einer der Grundsteine der Demokratie und von daher habe ich Verständnis dafür", sagte Jain am Rande einer Konferenz in Frankfurt. "Die Arbeitslosigkeit (in Europa) ist 2015 auf einem Nach-Krisen-Hoch. Daher ist es klar, dass Menschen nicht glücklich über die Folgen sind - auch wenn man darauf hinweist, dass die EZB viel getan hat, um die Lage zu verbessern."
Unterdessen veröffentlichte die Frankfurter Polizei über Twitter ein Video vom Angriff vermummter Demonstranten auf das Polizeirevier in der Einkaufsmeile Zeil. Es zeigt eine Gruppe meist schwarz gekleideter Männer, die am Morgen Steine gegen das Gebäude werfen. Ein Demonstrant schlägt mit dem Hammer die Scheibe eines Polizeiautos ein. Mindestens zwei Einsatzwagen stehen in Flammen. Der Film wurde vom Inneren der Wache gedreht.
10.000 Demonstranten erwartet
Die EZB hat ihren Neubau am späten Vormittag eröffnet. Dazu waren bis zu 10.000 Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland angereist. Das kapitalismus- und bankenkritische Blockupy-Bündnis hatte angekündigt, die Eröffnungsfeier und den Arbeitsalltag der rund 2600 EZB-Beschäftigten mit Blockaden und Aktionen des zivilen Ungehorsams zu verhindern.
Die schon vor einiger Zeit bezogene neue EZB-Zentrale im Stadtteil Ostend ist derzeit wie eine Festung gesichert. Eine Sperrzone mit Gittern und Nato-Draht ist eingerichtet. Zwischen 5000 und 9000 Beamte aus ganz Deutschland sind im Einsatz, hinzu kommen noch rund 700 Bundespolizisten und Dutzende Wasserwerfer.
DGB ruft zu Demos auf
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte zu einem Demonstrationszug zum EZB-Gelände aufgerufen. Der Protest richte sich gegen die Politik der EZB in Südeuropa. Den in Schwierigkeiten geratenen Ländern müssten Investitionen zugesagt werden, anstatt sie weiter auszupressen, sagte der Frankfurter DGB-Vorsitzende Harald Fiedler.
Am Nachmittag wurden zur Hauptdemonstration von Blockupy rund 10.000 Demonstranten erwartet, die durch die abgesperrte Innenstadt ziehen wollen. Zu einer Kundgebung im Vorfeld der Demo wurden unter anderem die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, der Mitbegründer der spanischen Protestpartei Podemos, Miguel Urban, der Kabarettist Urban Priol und die kanadische Globalisierungskritikerin Naomi Klein erwartet. Podemos ("Wir können") lehnt ähnlich wie die griechische Regierungspartei Syriza die Spar- und Reformprogramme ab, mit denen finanzschwache Länder aus der Schuldenkrise herausfinden sollen.
Gebäude für 1,3 Milliarden Euro
Der neue Hauptsitz der EZB, ein gigantischer, in sich verdrehter Glasturm, wurde nach rund fünfjähriger Bauphase Ende 2014 fertiggestellt. Bereits im November zogen die ersten Mitarbeiter der Zentralbank in das 185 Meter hohe Gebäude. Anfang Dezember tagte der EZB-Rat zum ersten Mal in seinem neuen Sitzungssaal im 41. Stock des Gebäudes.
Der neue Sitz der EZB kostete bislang rund 1,3 Milliarden Euro. Von 1998 bis 2014 war die Zentralbank im sogenannten Eurotower in der Frankfurter Innenstadt zur Miete untergebracht. Der Europäische Rechnungshof empfahl allen europäischen Institutionen, auf Dauer eigene Gebäude zu beziehen, da dies langfristig günstiger sei.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa/rts