NRW-Staatspreis für Merkel "Einzigartig, unvergleichlich, unnachahmbar"
16.05.2023, 18:48 Uhr Artikel anhören
Ihr Preisgeld von 25.000 Euro stiftete Merkel dem Verein Blau-Gelbes Kreuz in Köln.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nach der Ehrung durch den Bundespräsidenten zeichnen auch erste Bundesländer Ex-Kanzlerin Merkel für ihr politisches Wirken aus. In NRW würdigt der Staatspreis ihren Einsatz für Flüchtlinge und die Menschen nach dem Hochwasser. Laudatorin Lagarde lobt den moralischen Kompass der 68-Jährigen. In fünf Wochen folgt ein bayerischer Orden.
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in der Kölner Flora die höchste Auszeichnung des Landes Nordrhein-Westfalen erhalten, den Staatspreis. Ihr Preisgeld von 25.000 Euro stiftete die 68-Jährige dem Verein Blau-Gelbes Kreuz in Köln, der humanitäre Hilfe für die Ukraine leistet. Es ist Merkels zweite hohe Auszeichnung binnen kurzer Zeit. Mitte April hatte war sie mit der höchstmöglichen Stufe des Bundesverdienstkreuzes ausgezeichnet worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die langjährige CDU-Vorsitzende dabei als eine "beispiellose Politikerin", die Deutschland erfolgreich durch viele Krisen gesteuert habe, gewürdigt. In gut fünf Wochen wird sie dann "für ihren Einsatz zum Wohl des bayerischen Volkes in einer Zeit, die von nahezu nie gekanntem Ausmaß internationaler Krisen geprägt war" mit dem Bayerischen Verdienstorden geehrt werden.
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, beschrieb Merkel in ihrer Laudatio in Köln als "einzigartig, unvergleichlich, unnachahmbar". Sie sei ein Dreiklang aus Wissenschaftlerin, Pragmatikerin und moralischer Instanz. Merkel sagte dazu in ihrer Dankesrede scherzhaft: "Die drei Angela Merkel - in der DDR hatte ich immer Angst schizophren zu werden, aber ich glaube, so war's nicht gemeint."
Lagarde sagte, die promovierte Physikerin Angela Merkel habe sich immer die Neugier und Sorgfalt einer Forscherin erhalten. Dies habe es ihr erlaubt, die komplexesten Probleme zu durchdringen und Lösungen dafür zu finden. Angela Merkel, die Pragmatikerin, zeichne sich dadurch aus, dass sie eine unerreichte Vermittlerin sei, immer auf der Suche nach Kompromiss und Konsens. Merkels Pragmatismus sei jedoch nie zum Opportunismus geworden, weil sie stets einem klaren "moralischen Kompass" folge. "Die Menschen in Deutschland und die Menschen in Europa können stolz darauf sein, eine solch charakterfeste Politikerin gehabt zu haben", sagte die 67-jährige Zentralbankchefin.
Ähnlich hatte sich Lagarde bereits 2019 geäußert, als sie Laudatorin bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Handelsschule Leipzig war. Damals lobte sie Merkels Diplomatie, Sorgfalt, Entschlossenheit und Pflichtbewusstsein und schloss mit dem Bekenntnis: "Sie hat mich inspiriert. Sie weiß es nicht, aber sie hat es."
Ort mit Vorgeschichte
Ministerpräsident Hendrik Wüst betonte in seiner Rede, die Staatspreis-Verleihung sei keine "Heiligsprechung". Es sei legitim, Entscheidungen kritisch zu sehen. Spitzenpolitiker müssten oft unter Druck Entscheidungen treffen, und meist sei die beste Lösung dabei gar keine Option. Merkel habe ihre Entscheidungen aber immer auf der Grundlage nachvollziehbarer Fakten und Argumente getroffen und dafür die Verantwortung übernommen.
Als sie sich 2015 dazu entschieden habe, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, habe auch der Ort der Preisverleihung, die Kölner Flora, eine Rolle gespielt. Wüst bezog sich darauf, dass Merkel am 4. September 2015 im Festhaus des Botanischen Gartens bei einem Festakt der NRW-CDU gesprochen hatte. Währenddessen ging ein Anruf des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann ein. In der darauffolgenden Nacht entschieden beide, mehrere Tausend Flüchtlinge, die in Ungarn festsaßen, in ihre Länder einreisen zu lassen. Mit dieser Entscheidung war das Tor zum Westen für die Flüchtlinge geöffnet. Hunderttausende Menschen machten sich 2015 in Richtung Deutschland auf. "Es war eine Entscheidung aus Führung und Verantwortung und ein großer Akt der Humanität", sagte Wüst.
FDP-Nachwuchs: Typische Wüst-Show
Der Ministerpräsident stellte zudem Merkels Verdienste um Nordrhein-Westfalen heraus. So habe sie nach der verheerenden Flut im Sommer 2021 binnen weniger Wochen den Wiederaufbaufonds mit 30 Milliarden Euro mit sichergestellt. Vor der Preisverleihung in Köln hatte Merkel die Stadt Bad Münstereifel, um sich dort über den Stand des Wiederaufbaus zu informieren. Damit löste sie ein Versprechen aus dem Jahr 2021 ein. Merkel traf Bürger, besuchte Geschäfte und das Rathaus.
An der Verleihungszeremonie in der Flora nahmen zahlreiche prominente Gäste teil, darunter Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die früheren NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück, Jürgen Rüttgers und Armin Laschet . Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, der schon auf die Auszeichnung Merkels mit dem Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung eher knapp reagiert hatte, blieb dem Festakt fern. Er habe Wahlkampftermine in Hessen, ließ die CDU-Zentrale in Berlin wissen.
Die Jungen Liberalen NRW kritisierten die Preisvergabe als "nicht realitätskonforme Glorifizierung der Kanzlerschaft von Angela Merkel". Ein besonderer Bezug zu NRW sei bei ihr nicht erkennbar. Es sei eine "für Hendrik Wüst typische Show-Veranstaltung auf Kosten der Steuerzahler, die am Ende vielmehr ihm und seinen heimlichen Kanzlerambitionen nützen soll", teilte der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen NRW, Alexander Steffen, mit.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP