Bei geringer Wahlbeteiligung "Erdogan-Partei" siegt in sechs Duisburger Stimmbezirken
10.06.2024, 16:27 Uhr Artikel anhören
In einigen Wahlbezirken Duisburgs fühlen sich die Menschen offenbar am ehesten von Dava politisch repräsentiert.
(Foto: picture alliance / Jochen Eckel)
Die noch junge Partei Dava erzielt zahlenmäßig bei der Europawahl Achtungserfolge. In sechs Stimmbezirken liegt sie vorn, zweimal sehr deutlich. Die Ergebnisse lassen aber keine Rückschlüsse auf die Stärke der Partei zu, was an einem besonderen Umstand vor Ort liegt.
In mehreren Duisburger Stimmbezirken ist die Partei "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" (Dava) bei der Europawahl stärkste Kraft geworden. Das berichtet "Die Welt" unter Berufung auf Zahlen der Stadt. Wermutstropfen für die noch junge Partei, die dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nahe steht: Die Wahlbeteiligung war jeweils extrem gering.
In den Duisburger Stimmbezirken 1001 und 0602 landete die Dava bei der Europawahl jeweils mit großem Abstand auf dem ersten Platz. Die Partei holte in den beiden erstgenannten Stimmbezirken 41 Prozent beziehungsweise 43 Prozent der Stimmen. Auf Platz 2 folgten im ersten Bezirk die AfD mit 14 Prozent und im zweiten das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 12 Prozent. Im Stimmbezirk 0603 brachte sie es auf immerhin 28,7 Prozent und gewann. Im Stimmbezirk 0606 wurde sie ebenfalls Erste mit 24,7 Prozent. Vorn war sie ebenfalls im Stimmbezirk 1104 mit 22,5 Prozent und im Stimmbezirk 2904 mit 21,5 Prozent.
Allerdings handelt es sich laut "Welt" nur um einen winzigen Ausschnitt. Wegen der geringen Wahlbeteiligung von etwa nur 10 Prozent im Stimmbezirk 1001 reichten dort 90 Stimmen für den 41-Prozent-Sieg, im Stimmbezirk 6002 waren es 47 Stimmen für Dava. Die beiden Stimmbezirke befinden sich in den Stadtteilen Meiderich-Beeck und Hamborn. Laut der Stadt Duisburg haben 32,7 Prozent der Einwohner einen Migrationshintergrund.
Allerdings handelt es sich jeweils um extreme Ausreißer. Betrachtet man das größere Bild, relativiert dies den Erfolg der Partei nachhaltig: Im Stadtteil Duisburg-Marxloh kam die Partei mit 17 Prozent auf Platz zwei mit 221 Stimmen, hier wurde die AfD mit 20 Prozent Erster. Im Stadtbezirk Meiderich-Beeck kam Dava auf 5,3 Prozent mit immerhin 928 Stimmen. Das Gebiet der Stadt Duisburg ist in 323 Wahlbezirke eingeteilt. Insgesamt kommt Dava dort auf 2,5 Prozent. Das entspricht 4276 Stimmen bei 321.610 Wahlberechtigten und 172.477 abgegebenen Stimmen. Einen Sitz im Europaparlament erhält sie damit nicht. Bundesweit erzielte Dava 0,4 Prozent. Die erst 2024 gegründete Partei trat das erste Mal bei einer bundesweiten Wahl an.
Traditionen und Sprache fördern
Die Anfang 2024 gegründete Partei versteht sich als Vertretung von Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere Muslimen, in Deutschland. Sie will ein "positiveres Bild des Islam" fördern, die Einführung von Türkisch als zweiter Fremdsprache vorantreiben und die Wichtigkeit traditioneller Familienstrukturen betonen. Kritiker werfen Dava eine Nähe zur türkischen Regierungspartei AKP vor und sehen sie als verlängerten Arm von Staatspräsident Erdogan in Deutschland an.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler aus Nordrhein-Westfalen zieht gegenüber "Welt" eine Parallele zur AfD: "Die Dava bedient ähnlich wie die AfD ein Opfernarrativ, dass Türkeistämmige in Deutschland ausgegrenzt werden". Spitzenkandidaten von Dava hatten in der Vergangenheit Kontakte und Verbindungen zu verbotenen Organisationen. So etwa der Spitzenkandidat Fatih Zingal. Er war laut der Bundeszentrale für politische Bildung Sprecher der "Union Internationaler Demokraten" (UID). Die Organisation wird seit 2017 vom Verfassungsschutz als der türkischen Regierung nahestehend beobachtet.
Auch der Dritte der Kandidatenliste, Mustafa Yoldaş war bereits in gehobener Funktion bei einer verbotenen Organisation aktiv. Er war einst Vorsitzender der "Internationalen Humanitären Hilfsorganisation" (IHH). Die IHH wurde bereist 2010 verboten, da sie die Terrororganisation Hamas finanziell unterstützte. Yoldaş war laut "Welt" zudem Mitglied der "Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş" (IGMG). Diese Bewegung hat laut Verfassungsschutz das Ziel, das politische System Deutschlands zugunsten einer islamistischen Grund- und Werteordnung mitzugestalten.
Quelle: ntv.de, als