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Zoff im US-Repräsentantenhaus Eskalierender Streit bedroht alles entscheidende Ukraine-Hilfen

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Marjorie Taylor Greene macht weiter für ein Ende von Repräsentantenhaus-Sprecher Mike Johnson mobil.

Marjorie Taylor Greene macht weiter für ein Ende von Repräsentantenhaus-Sprecher Mike Johnson mobil.

(Foto: picture alliance / Sipa USA)

Die Ukraine könnte den Krieg ohne das 60-Milliarden-Dollar-Hilfspaket aus den USA verlieren, sagt Präsident Selenskyj. Nach einer Pause kehren die Abgeordneten in das US-Repräsentantenhaus, wo die Hilfen feststecken, zurück. Wichtige Tage beginnen - und sofort wird die nächste Eskalationsstufe gezündet.

Quasi zeitgleich mit der Rückkehr der US-Abgeordneten in das Repräsentantenhaus nach einer zweiwöchigen Pause hat eine ultrarechte Republikanerin die nächste Bombe platzen lassen. Marjorie Taylor Greene, eine schrille Trump-Anhängerin, macht weiter mobil für eine Absetzung ihres republikanischen Kollegen, den Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson. Er ist derzeit der alles entscheidende Mann, wenn es um die Ukraine-Hilfen geht. Denn Johnson müsste das 60-Milliarden-Dollar-Paket zur Abstimmung stellen - wogegen es in seiner Partei teilweise Widerstand gibt.

Bereits vor der zweiwöchigen Osterpause des Repräsentantenhauses hat Taylor Greene einen Antrag zur Absetzung von Johnson eingereicht. Nun, nach der Rückkehr der Abgeordneten, legt sie mit einem Brief nach und erhöht weiter den Druck, um Johnson aus dem Amt zu jagen. Hätte dieses Vorgehen Erfolg, würde das Repräsentantenhaus bis zur Wahl eines neuen Sprechers wohl erneut für längere Zeit lahmgelegt werden. Und die wichtigen Hilfen für die Ukraine damit in weite Ferne rücken.

In dem kürzlich veröffentlichten Schreiben an republikanische Kollegen drückt Taylor Greene ihre Unzufriedenheit aus. Sie beklagt unter anderem einen "Vertrauensverlust" und Johnsons "Zusammenarbeit mit den Demokraten". Die Ultrarechte ist eine entschiedene Gegnerin der Ukraine-Hilfen - und nutzt diese als politischen Spielball, um Johnson zu schaden.

Johnson will Ukraine-Hilfen vorantreiben, Greene sie verhindern

Der Sprecher, der sich die Unterstützung für die Ukraine grundsätzlich vorstellen kann, hatte zuletzt durchblicken lassen, die milliardenschweren Hilfen wieder in Angriff zu nehmen. Dem rechtskonservativen Sender Fox News sagte Johnson, man werde nach der parlamentarischen Pause ein "Produkt vorantreiben, aber es wird einige wichtige Neuerungen beinhalten". Die Pause ist nun vorbei - und die Augen der Ukraine und Europas sind auf das US-Repräsentantenhaus gerichtet.

Was Johnson mit Neuerungen meint: Er würde das 60-Milliarden-Dollar-Paket, das im anderen Parlament, dem Senat, schon abgesegnet wurde, gerne modifizieren. Eine Idee: Das Hilfspaket als Kredit zur Verfügung stellen. Die Ukraine zeigte sich bereits offen dafür. Der Kredit könnte zum Beispiel nach einem Sieg im Krieg gegen Russland zurückgezahlt werden.

Eine andere Idee: Beschlagnahmte russische Vermögenswerte zu liquidieren und als Hilfe für die Ukraine bereitzustellen. Auch würde Johnson gerne ein Moratorium der Regierung von Präsident Joe Biden für neue Genehmigungen von Flüssigerdgas-Exportanlagen beenden. So wie es viele Republikaner fordern.

Radikale Abgeordnete wie Taylor Greene, die mit 60 Milliarden Dollar lieber illegale Einwanderung aus Mexiko bekämpfen möchte, werden sich wohl auch von einem modifizierten Ukraine-Hilfspaket nicht überzeugen lassen. Gegenüber Fox News kündigte Johnson Ende März ein Treffen mit der ultrarechten Trump-Anhängerin an. Sollte dieses stattgefunden haben, war es wohl nicht friedensstiftend. Andernfalls würde Greene nicht weiter gegen den Repräsentantenhaussprecher mobil machen und den Konflikt eskalieren.

Sturz von Johnson eher unrealistisch

Aktuell ist somit offen, ob und wann die Ukraine-Hilfen auf die Tagesordnung im Repräsentantenhaus kommen. Und es ist weiter offen, ob und wann über eine mögliche Abwahl von Johnson entschieden wird. Die Republikaner haben im Repräsentantenhaus nur eine knappe Mehrheit. Dass Taylor Greene die nahezu gesamte republikanische Fraktion, die heillos zerstritten ist, hinter sich vereint, um Johnson aus dem Amt zu jagen, ist unrealistisch.

Die Demokraten würden Johnson wohl stützen, um das Parlament nicht bis zur Wahl eines neuen Sprechers längere Zeit lahmzulegen und die Ukraine-Hilfen weiter zu blockieren. Dann bräuchte es nur eine Handvoll Republikaner, die weiter an Johnson festhalten - was durchaus möglich ist - und eine Mehrheit für seine Rettung wäre vorhanden.

Was ebenfalls für Johnson spricht: Auch in den Reihen der Republikaner wollen viele nicht, dass das Haus durch seine Abwahl erneut monatelang lahmgelegt wird, wie es schon beim Chaos um Vorgänger Kevin McCarthy der Fall war.

Ukraine-Hilfe steht weiter in den Sternen

Eine Rettung Johnsons ist aber nicht gleichbedeutend mit einer positiven Abstimmung über die Ukraine-Hilfen. Dafür braucht es nach wie vor einen Kompromiss, der eine Mehrheit im Repräsentantenhaus bekommt. Die aktuelle Sitzverteilung: Republikaner 218, Demokraten 213.

Taylor Greene hat mit ihrem Brief gezeigt, dass sie die Kompromissfindung wohl mit allen Mitteln weiter torpedieren wird. Doch ihre Stimme und die ihres Lagers braucht es nicht, wenn Republikaner und Demokraten sich einig werden, um Kiew weiter zu helfen.

Die Abgeordneten befinden sich nun für zwei Wochen in Washington, danach steht erneut eine einwöchige parlamentarische Pause an, wo Arbeit in den Heimatbezirken stattfindet. Ins Repräsentantenhaus kehren die Mitglieder dann erst am 29. April wieder zurück. Viel Zeit, in der die ukrainischen Streitkräfte wohl weiter mit erheblichem Munitionsmangel den russischen Truppen gegenüberstehen.

Quelle: ntv.de

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