Politik

Nach unfreiwilliger Abberufung Ex-Botschafter Melnyk geht Nachfolger scharf an

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Die Zeit von Andrij Melnyk als Botschafter in Deutschland ist vorbei, die seiner deutlichen Worte aber nicht.

Die Zeit von Andrij Melnyk als Botschafter in Deutschland ist vorbei, die seiner deutlichen Worte aber nicht.

(Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)

Seit der groß angelegten russischen Invasion in der Ukraine ist Andrij Melnyk vielen ein Begriff. Der Botschafter versucht, mit undiplomatischen Methoden das Beste für sein Land herauszuholen. Dann wird er abberufen - und ist mit seinem Nachfolger unzufrieden.

Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat in einem Interview mit der "Zeit" über seinen widerwilligen Abzug aus Berlin gesprochen und seinen Nachfolger Oleksii Makeiev scharf kritisiert. "Es ist kein Geheimnis, dass ich Berlin gegen meinen Willen verlassen musste. Ich hätte gerne weitergemacht, weil ich das Gefühl hatte, dass man viel mehr für die Ukraine hätte erreichen können", sagte der geschasste Ex-Botschafter gegenüber der Wochenzeitung. Das sei die einzige Motivation, die ihn angetrieben habe, "trotz des starken Gegenwinds in Deutschland, wo Politiker aus mir ein Schreckgespenst gemacht haben".

In Kiew sei der Widerstand noch schlimmer gewesen, weil viele nicht verstanden hätten, "wieso ich auf diese unkonventionelle, oft undiplomatische Weise agieren musste, um die Ampel aus der Lethargie zu holen". Melnyk war in seiner Zeit als Botschafter in Deutschland immer wieder mit vehementen Forderungen nach Waffenlieferungen aufgefallen - und auch angeeckt. Mehrfach kam es zudem durch seine Verbalattacken gegenüber Politikern und anderen Akteuren zu Eklats.

Zu seinem deutlich weniger auffälligen Nachfolger pflegt Melnyk laut eigenen Angaben kaum Kontakt. Der Grund: "Ganz verschiedene Sichtweisen." Vor einem Jahr hätten die Ukrainer die Debatte um Waffenlieferungen in Berlin "kräftig mitbestimmen und sogar steuern" können, so der Ex-Botschafter. "Mein Nachfolger macht das anders. Jetzt schwimmen wir nur noch mit dem Strom, lassen uns treiben. Wir wurden zurückgeworfen, lächeln und winken."

"Man feiert und lobt sich selbst, anstatt endlich Gas zu geben"

Melnyk ist mittlerweile Vize-Außenminister der Ukraine und lebt in Kiew. Seine Kritik an zögerlichen Waffenlieferungen aus Deutschland hält nach wie vor an. Kürzlich twitterte er: "Das Traurige ist, dass die Ampel glaubt, alles Mögliche an Militärhilfe für die Ukraine bereits geleistet zu haben. Man feiert und lobt sich selbst, anstatt endlich Gas zu geben: bei Kampfjets, Leo, Fuchs & Wiesel sowie Munition."

Gegenüber der "Zeit" sagte der 47-Jährige, dass die ukrainische Offensive kommen werde. Die Deutschen würden jedoch denken: "18 Leoparden geliefert, abgehakt, finito. Als ob man mit diesen Panzern schon den Krieg gewonnen hätte. Die Ampel hat PR-mäßig toll die deutsche Öffentlichkeit überzeugt, dass nun bei der Militärhilfe alles in Butter sei." Doch das entspreche nicht der Wirklichkeit. Vom neuen Botschafter wünscht er sich deutlich mehr Druck: "Statt weiterzutrommeln, wiederholt mein Nachfolger mantraartig: Danke, Deutschland." Er fühle sich in seiner neuen Funktion als Vize-Außenminister der Ukraine manchmal machtlos, sagt Melnyk, weil aus seiner Sicht für die Ukraine manches schieflaufe.

An die vergangenen Jahre in Deutschland denke er stolz zurück: "Lautstark forderten wir Hilfe und die Ampel konnte sich nicht leisten, unsere unbequeme Stimme zu ignorieren." Das sei nämlich vorher immer so gewesen. "Die große Nation Deutschland traf Entscheidungen nicht nur, um eigene Interessen zu verfolgen." Seit seinem Rückzug aus Berlin habe die Ukraine "diesen moralischen Trumpf leider wieder freiwillig aufgegeben, indem wir gar keinen Druck mehr ausüben und mit allem zufrieden sind. Deswegen bin ich echt traurig." Die Bundesregierung liefere nur so viel, wie sie es für richtig halte.

Quelle: ntv.de, rog

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