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"Riviera"-Plan für Gazastreifen "Diese Idee war offensichtlich vollkommen unausgegoren"

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"Das Ganze hat auf jeden Fall Folgen für Trumps Außenpolitik", sagt Lintl.

"Das Ganze hat auf jeden Fall Folgen für Trumps Außenpolitik", sagt Lintl.

(Foto: picture alliance / Captital Pictures)

Das Umfeld von US-Präsident Donald Trump versucht seinen Vorschlag für eine US-Übernahme des Gazastreifens wieder einzufangen. Vielleicht sei es dafür schon zu spät, sagt Nahost-Experte Peter Lintl. Trump könnte sich in Bezug auf die Ziele seiner Nahost-Politik ein Eigentor geschossen haben.

ntv.de: Donald Trump hat gesagt, die USA würden den Gazastreifen "langfristig in Besitz nehmen". Alle dort lebenden Palästinenser sollen demzufolge umgesiedelt werden. Jetzt sagt seine Sprecherin: Die USA werden sich nicht an der Finanzierung für den Wiederaufbau des Gazastreifens beteiligen. Wie passt das zusammen?

Peter Lintl: Tatsächlich hat Trump in der Pressekonferenz schon angedeutet, dass die Golfstaaten für den Wiederaufbau zahlen sollen. Trotzdem passt das nicht zusammen, wie so vieles an diesem Vorschlag. Von daher ist das keine Überraschung. Trump hat schon während seiner ersten Amtszeit des Öfteren erratische Statements gemacht. Denken Sie nur zurück an seine Aussage, er würde an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen und die Mexikaner dafür zahlen lassen. Das war auch komplett unrealistisch.

Der Politologe Peter Lintl studierte und forschte unter anderem in Haifa und Tel Aviv. Bei der Stiftung Wissenschaft und Politik leitet er ein Forschungsprojekt zur israelischen Sicherheitspolitik.

Der Politologe Peter Lintl studierte und forschte unter anderem in Haifa und Tel Aviv. Bei der Stiftung Wissenschaft und Politik leitet er ein Forschungsprojekt zur israelischen Sicherheitspolitik.

(Foto: SWP)

War der Gaza-Vorschlag also nur eine Impuls-Handlung von Trump?

Es wirkt so. Nach allem, was man in den letzten 24 Stunden gehört hat, war das nur eine fixe Idee von Trump. Erstens waren auch in Trumps Kabinett offensichtlich viele überrascht. Trump hat den Vorschlag also nicht einmal mit in seinem Kabinett besprochen, geschweige denn durchgeplant. Zweitens sind wahnsinnig viele Fragen ungeklärt: Wer soll das bezahlen? Wo sollen die Palästinenser hin? Soll es eine gewaltsame Vertreibung geben? Sollen US-Truppen nach Gaza geschickt werden? Die Entsendung von Truppen wäre ein Statement gewesen, das Trump so noch nie gemacht hat - einige Mitglieder seiner Regierung würden dem sicherlich nicht zustimmen. Deshalb betonte Trump entgegen der ursprünglichen Aussage, im Gazastreifen würden keine US-Soldaten stationiert. Auf der Pressekonferenz am Dienstag behauptete Trump, jeder, mit dem er darüber gesprochen habe, habe gesagt, dies sei eine fantastische Idee. Das wirft die Frage auf: Mit wem hat er da gesprochen? Denn die komplette Welt, außer vielleicht einige Israelis, sagt, das sei nicht realisierbar.

Trump hat während der Pressekonferenz von einem Blatt abgelesen. Das hat zunächst den Eindruck erweckt, als hätte er sich im Vorfeld beraten lassen.

Das stimmt, das wirkte so. Es gab dem Ganzen den Anschein des Professionellen, aber das war offensichtlich nur ein Anschein. Irgendjemand wird ihn schon beraten haben, wer auch immer das war. Aber nach aktuellem Stand muss man sagen: Diese Idee war offensichtlich vollkommen unausgegoren, überhaupt nicht vorbereitet. Die Personen um Trump herum versuchen, das jetzt einzufangen, abzumildern und in andere Richtung zu drehen: Sie versuchen jetzt, das als "thinking out of the box" zu verklären.

Geht das überhaupt noch, den Vorstoß wieder einzufangen?

Ich weiß nicht, ob das noch geht. Die Frage ist, wie Trump unbeschädigt aus dieser Nummer herauskommen will. Insbesondere die israelische Rechte hat schon jubiliert und Trump in den höchsten Tönen gelobt. Es sind die Ultrarechten in der israelischen Regierung, die eine Besiedelung des Gazastreifens durch Israel wollen. Aber ich kann mir vorstellen, dass nächste Woche in Washington versucht wird, dem Ganzen einen positiven Dreh zu geben, in die Richtung: Das war nur eine frische Idee von Trump, weil der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern so eingefahren war. Es ist alles so erratisch, man kann es nur schwer vorhersehen. Eines steht fest: Nächste Woche wird König Abdullah II. bin al-Hussein von Jordanien Trump treffen, die Woche darauf der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi. Die beiden werden sicherlich andere Vorschläge zur Zukunft des Gazastreifens machen. Aber Trump könnte das Ganze in eine bestimmte Richtung drehen, indem er sagt, er habe diesen arabischen Staaten einen ersten Vorschlag unterbreitet - und damit überhaupt erst die Gespräche angestoßen. Das ist eine mögliche Deutung, die ich mir vorstellen kann.

Trumps Schwiegersohn Jared Kushner stand offenbar Pate für den Vorstoß. Kushner hatte nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 die Idee einer radikalen Umgestaltung des Gazastreifens verbreitet – auch mit der Forderung, das Gebiet für die Immobilienbranche zu erschließen. Was steckt dahinter?

Vielleicht stand er Pate, sicher ist das nicht. Es wirkt so, als könnte Kushner der Ideengeber gewesen sein, denn sowohl Trump als auch sein Nahost-Gesandter Steven Witkoff sprechen nun über Immobiliendeals im Gazastreifen. Kushner war zumindest der Erste, der gesagt hat, dass der Strand von Gaza ein großartiges Potenzial für Immobilien hätte. Der Fairness halber muss man aber auch dazu sagen: Laut Kushners Plan sollten die Palästinenser auf israelisches Territorium ausweichen, nicht auf das Territorium arabischer Staaten wie Ägypten und Jordanien. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Kushner sagte auch, die Palästinenser müssten nur temporär während der Zeit des Wiederaufbaus des Gazastreifens umsiedeln. Von einer Übernahme des Gebiets durch die USA sprach Kushner nicht.

Kushner war in Trumps erster Amtszeit Sondergesandter für den Nahen Osten und hatte zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und einer Reihe arabischer Länder beigetragen. Für die Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern braucht Trump die arabischen Länder. Stößt er sie mit seinem Vorschlag nicht vor den Kopf?

Ägypten und Jordanien haben sich dagegen ausgesprochen, die Palästinenser aufzunehmen, sollten die USA den Gazastreifen übernehmen. Und an der Finanzierung des Wiederaufbaus des Gazastreifens will sich Saudi-Arabien nur beteiligen, wenn es einen glaubhaften Plan für den Aufbau eines unabhängigen palästinensischen Staats gibt. Das ist auch eine Bedingung des Landes für einen Friedensschluss mit Israel. Auf der Pressekonferenz wurde Trump von Journalisten gefragt, ob die Saudis das nicht weiter fordern. Er sagte: Nein, tun sie nicht. In der Nacht teilte die saudische Regierung mit, sie bestehe weiter auf ihren Forderungen. Trump scheint daher in seiner eigenen Welt zu leben. Natürlich stößt er die arabischen Staaten, insbesondere Saudi-Arabien, jetzt vor den Kopf.

Trump will sich als Friedensstifter im Nahen Osten verkaufen. Hat er sich jetzt selbst eine Falle gestellt?

Das Ganze hat auf jeden Fall Folgen für Trumps Außenpolitik. Denn das hochrangigste Ziel seiner Nahostpolitik ist eigentlich ein Friedensschluss zwischen Israel und Saudi-Arabien. Das hat er noch vor seinem Amtsantritt so artikuliert. Durch seinen Vorstoß ist er davon jetzt definitiv ein Stück weit weggerückt. Vielleicht wollte Trump auch einen Testballon starten, um Saudi-Arabien unter Druck zu setzen. Vielleicht will er den Saudis mit seinem Statement vermitteln, sie müssten bereit sein, Kompromisse zu machen. Denn glaubwürdige Schritte in Richtung eines palästinensischen Staates sind mit der Regierung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu momentan nicht zu machen. Das sind aber alles nur Spekulationen über Trumps Absichten. Relativ eindeutig sagen lässt sich nur, dass Trump selbst daran glaubt, dass sein Vorschlag eine gute Idee ist.

Mit Peter Lintl sprach Lea Verstl

Quelle: ntv.de

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