Angebot an die Opposition Frankreichs Regierungschef Lecornu stoppt Rentenreform
14.10.2025, 17:28 Uhr Artikel anhören
Mit seinem Schritt will Lecornu die Sozialisten zu einer Zusammenarbeit bewegen.
(Foto: AFP)
In Frankreich gilt seit 2023 die Rentenreform. Präsident Macron hatte sie mit einem Kniff durchgesetzt. Demnach wird das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre erhöht. Die Sozialisten fordern ihre Aufhebung. Nun kommt ihnen Premierminister Lecornu entgegen.
Frankreichs Regierungschef Sébastien Lecornu setzt die umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron aus und geht damit in der politischen Krise einen Schritt auf die Opposition zu. Wie Lecornu in seiner Regierungserklärung ankündigte, werde die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre bis Januar 2028 ausgesetzt. "Diese Aussetzung soll das notwendige Vertrauen schaffen, um neue Lösungen zu entwickeln", sagte Lecornu vor den Abgeordneten der Nationalversammlung in Paris.
Daraufhin erklärten Frankreichs Sozialisten, zunächst darauf zu verzichten, sich an einem Sturz der neuen Regierung zu beteiligen. Die von Premierminister Sébastien Lecornu in Aussicht gestellte Aussetzung der Rentenreform sei ein "Sieg" und ein "Schritt in die richtige Richtung", sagte der sozialistische Fraktionschef Boris Vallaud in Paris. Seine Partei werde sich auf die Debatte in der Nationalversammlung einlassen, betonte er und schloss damit zunächst aus, einen der bereits eingereichten Misstrauensanträge zu unterstützen.
Damit steigen die Chancen des Premiers, ein Misstrauensvotum zu überstehen, über das am Donnerstag im Parlament abgestimmt wird. Sollte Lecornu diese Woche stürzen, hätte Macron nach Ansicht vieler Experten kaum mehr eine andere Wahl, als das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen.
Frankreichs Linkspartei und die nationale Rechte hatten bereits vor der Regierungserklärung zwei Misstrauensanträge gestellt und angekündigt, die Regierung auf jeden Fall stürzen zu wollen. Das rechte Rassemblement National (RN) hatte zudem gesagt, auch für den Antrag der Linkspartei zu stimmen.
Die Sozialisten machten eine Duldung der neuen Regierung unterdessen davon abhängig, ob Lecornu in seiner Regierungserklärung ein Aussetzen der umstrittenen Rentenreform ankündigt. Dies ließen die Sozialisten 40 Minuten vor Beginn von Lecornus Rede in einer Erklärung wissen.
Reform löste Massenproteste aus
Die im Frühjahr 2023 ohne Abstimmung durchs Parlament gebrachte Rentenreform hatte in Frankreich zu monatelangen Massenprotesten geführt. Begründet wurde das Schlüsselvorhaben von Macrons zweiter Amtszeit mit einem Loch in der Rentenkasse.
Lecornu rief nun zu einer erneuten Debatte über ein Reformieren des Rentensystems auf. Das System müsse dabei aber langfristig im Gleichgewicht bleiben und dürfe das ohnehin schon hohe staatliche Defizit Frankreichs nicht erhöhen. "Die Kosten des Rentensystems belaufen sich auf 400 Millionen Euro im Jahr 2026 und 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2027. Diese Aussetzung wird letztlich 3,5 Millionen Franzosen zugutekommen. Sie muss daher finanziell ausgeglichen werden, auch durch Einsparmaßnahmen."
Der Streit um die Sparmaßnahmen angesichts der angeschlagenen Staatsfinanzen lähmt die Politik in Frankreich seit der vorgezogenen Neuwahl zum Parlament im Sommer 2024, bei der die Mitte-Rechts-Regierung ihre Mehrheit in der Nationalversammlung verlor. Seither hat Frankreich eine Minderheitsregierung, zwei Premierminister wurden bereits gestürzt.
Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP