Politik

Folgen der Sanktionen bei Lanz Fratzscher warnt vor Hungersnot

28 Prozent der weltweiten Weizenlieferungen kommen aus Russland und der Ukraine. Eine Verknappung trifft vor allem Entwicklungsländer.

28 Prozent der weltweiten Weizenlieferungen kommen aus Russland und der Ukraine. Eine Verknappung trifft vor allem Entwicklungsländer.

(Foto: REUTERS)

Benzinpreise von über 2,20 Euro pro Liter machen deutschen Autofahrern zu schaffen. Als Folge des russischen Kriegs in der Ukraine sieht DIW-Chef Marcel Fratzscher aber noch ganz andere Probleme auf die Weltbevölkerung zukommen. Bei Markus Lanz zeichnet er ein düsteres Bild der Lage.

Die weltweiten Sanktionen gegen Russland wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine zeigen Wirkung. Nun gibt es erste Antworten der Regierung von Russlands Präsident Wladimir Putin. Die hat am Dienstag gegen US-Präsident Biden und US-Außenminister Blinken ein Einreiseverbot verhängt.

Auch in Deutschland bekommen die Menschen die ersten Auswirkungen der Sanktionen zu spüren. Eine Folge: Benzin wird immer teurer, ein Ende der Preiserhöhungen ist nicht abzusehen. Über weitere Folgen haben sich die Gäste am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" unterhalten.

"Wir haben nicht nur eine Energieknappheit"

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, befürchtet nicht nur eine Knappheit von fossilen Brennstoffen aus Russland. Der Krieg in der Ukraine werde auch zu anderen Problemen führen. 28 Prozent der weltweiten Weizenlieferungen kommen laut Fratzscher aus Russland und der Ukraine. Russland stelle zudem etwa 30 Prozent des weltweiten Bedarfs an Kalidünger her und sei außerdem ein wichtiger Lieferant von seltenen Erden wie Palladium.

Börsianer nennen Palladium schon seit einigen Jahren "das neue Gold". Es wird zum Beispiel in Katalysatoren von Benzinautos verwendet. Das weiß glänzende Edelmetall ist auch ein Bestandteil von Zahnersatz, um nur zwei Beispiele zu nennen. Außerdem wird damit an den Börsen spekuliert, denn es kommt immer wieder vor, dass der Preis des Edelmetalls den von Gold übersteigt.

"Für mich ist jedoch global gesehen die wichtigste Sorge bei den Nahrungsmitteln und beim Dünger", sagt Fratzscher. Zwar trügen die Menschen in der Ukraine und in Russland die höchsten Kosten durch die Sanktionen, doch auch die Menschen in den Entwicklungsländern müssten darunter leiden, erklärt der Ökonom. Länder wie Ägypten müssen fast den gesamten Weizen importieren und Brot ist dort ein Grundnahrungsmittel. Würde der Brotpreis dort nur um 30 Prozent steigen, landeten viele Menschen in der Armut und könnten ihre Familien nicht mehr ernähren. "Meine Sorge ist: Wir werden weltweit mindestens 200 Millionen Menschen haben, die in die absolute Armut rutschen, weil die Lebensmittelpreise durch die Decke schießen", analysiert Fratzscher.

Ein weiteres Problem seien Energielieferungen aus Ländern wie Qatar nach Deutschland. Dadurch würden die Länder in der dritten Welt abgedrängt. Fratzschers Appell: "Wir dürfen nicht nur auf Deutschland schauen. Auch hier sind die Kosten für Energie hoch. Aber wir haben einen starken Sozialstaat und wir haben uns einen gewissen Wohlstand geschaffen. Das haben andere Länder nicht. Da zeichnet sich eine Tragödie ab, die uns noch in diesem Jahr bevorstehen wird."

Söder für längere Laufzeiten von Kernkraftwerken

Weiterer Gast der Sendung: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Wie viele Politiker spricht er sich für eine weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Russland aus, ist jedoch gegen einen Einfuhrstopp von fossilen Rohstoffen wie Öl und Gas. Bis sich Deutschland durch den Ausbau erneuerbarer Energien unabhängig von russischen Lieferungen gemacht habe, werde es noch lange dauern. Deswegen fordert der CSU-Politiker, die noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke mindestens drei Jahre länger laufen zu lassen als bisher geplant, also bis Ende 2025. "In ganz Deutschland geht der Ausbau der Windenergie schleppend voran. Darum braucht man diese Brückentechnologie", so der bayerische Ministerpräsident.

Da ist der Ökonom Fratzscher ganz anderer Meinung. "Atomenergie ist viel, viel teurer als erneuerbare Energie", sagt er. "Und außerdem haben wir noch immer das Problem, nicht zu wissen, was wir mit dem Atommüll anfangen sollen. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist richtig." Eine Lösung ist für Fratzscher der bereits von der Ampelkoalition versprochene Bürokratieabbau. "Da müssen wir dringend etwas tun."

Ob es wirklich zu einer Laufzeitverlängerung der letzten drei Atomkraftwerke kommt, wird Söder am Ende nicht entscheiden können. Das ist Sache des Bundes.

Quelle: ntv.de

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