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Ex-Parteichefs bei Maischberger Gabriel: "Politik macht Menschen gerade verrückt"

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Ex-SPD-Chef Gabriel und Ex-CDU-Chef Laschet (l.) sprachen bei Maischberger über die Ampel.

Ex-SPD-Chef Gabriel und Ex-CDU-Chef Laschet (l.) sprachen bei Maischberger über die Ampel.

(Foto: WDR/Dirk Borm)

Sie waren Chefs ihrer Parteien: Sigmar Gabriel von der SPD und Armin Laschet von der CDU. In der ARD-Talkshow "Maischberger" schauen sie auf die aktuelle Lage in Deutschland und Europa – und kritisieren die Politik der Ampelkoalition.

Er war Parteivorsitzender der SPD und Vizekanzler: Sigmar Gabriel. Er war Parteivorsitzender der CDU, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, und er wollte Bundeskanzler werden: Armin Laschet. Sie kennen sich, sagen "du" zueinander. In der ARD-Talkshow "Maischberger" treffen sie sich, um die Politik der Ampelkoalition zu bewerten und um ihre Gedanken zur Lage in Europa zu äußern. Dabei hagelt es auch Kritik an der aktuellen Regierung.

"Der Rest der Welt fliegt uns gerade um die Ohren, und wir diskutieren wie üblich über uns selber." So fasst Sigmar Gabriel mit wenigen Worten den Streit in der Ampelkoalition zusammen. "Ich staune, über was wir uns streiten, angesichts der Tatsache, dass in Teilen der Welt fast kein Stein auf dem anderen bleibt." Beide kritisieren, dass das Geschehen in der Welt in der deutschen Politik zu kurz kommt.

Gabriel nennt Streit in der Koalition teilweise "irre"

Zur aktuellen Diskussion um die Frage, wie sich die Ampelkoalition zum Heizen verhält, mag sich Armin Laschet nicht wirklich äußern. "Ich verstehe den Regierungsvorschlag nicht, weil der sich ja ständig ändert", sagt er. Das Problem: "Wir beschließen was, und dann federn wir mit vielen Milliarden sozial ab." Das sei bei den Corona-Beschlüssen so gewesen, und das gehe bei den Heizungen weiter. "Jetzt hat das Kabinett etwas beschlossen, und der FDP-Parteitag hat gesagt, im Parlament werden wir wieder alles ändern. Was kommt, weiß heute niemand."

Gabriel sieht das ähnlich. Auch in seiner Zeit als Bundespolitiker habe man die Wärmewende in Angriff genommen, aber man habe keinen Stichtag vereinbart, weil man den Bürgern Zeit lassen wollte, sich darauf einzustellen. Und er stimmt Laschet zu: "Wenn du Politik machst, ist es ein Problem, wenn man alles Mögliche mit Geld zudeckt, das man nicht hat. Da muss man überlegen: Ist das sinnvoll, machen die Menschen mit oder mache ich die Leute verrückt. Und ich glaube, das Letzte ist grade der Fall."

Energiewandel, Pandemie, Krieg, wirtschaftliche Entkopplung von China, Unternehmen, die darüber nachdenken, in die USA abzuwandern - das alles sei zu viel. "Irre" nennt er die Diskussion aus dem vergangenen Jahr, ob die Atomkraftwerke im Januar oder im April abgeschaltet werden sollten. Den Atomausstieg begrüßt er. "Und wenn der bayerische Ministerpräsident gerne Atomkraftwerke haben möchte, soll er als Erstes bei sich zu Hause nach einem Endlager für Atommüll suchen lassen."

Für Laschet war die Abschaltung der drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke ein Fehler. Man habe die Kohlekraftwerke reaktiviert, das habe nichts mit Klimaschutz zu tun. "Was wünschenswert wäre: Dass man mal für einige Jahre einen Mechanismus hat, wie man die Klimaziele wirklich senkt." Laschet fordert pragmatische Lösungen. "Wenn es stimmt, was auch die Klimakleber sagen, dass wir kurz vor einem Kipppunkt stehen, dann muss doch jetzt das Hauptziel sein, jedes Gramm CO2 zu reduzieren, das möglich ist."

Gabriel: Macron-Interview "verrückt"

Unterschiedliche Meinungen gibt es bei den beiden ehemaligen Parteichefs zur Stellung Europas in den nächsten Jahren. "Ein richtiger Satz zur falschen Zeit ist auch falsche Politik", erklärt Gabriel mit Blick auf ein Interview des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach dessen Chinabesuch. Darin warnt dieser Europa davor, in Krisen zu geraten, die es nichts angingen. "Um zu ermessen, wie verrückt dieser Satz ist, muss man sich mal vorstellen, US-Präsident Biden oder Trump hätte ihn gesagt", erklärt Gabriel. Europa sei in einer Phase, in der es wie lange nicht von den USA abhänge, besonders in militärischer Hinsicht. "In dieser Phase erklärt er Europa, wir müssten uns von den USA distanzieren." Damit spalte Macron Europa, weil die Länder in Osteuropa nicht glaubten, dass Deutschland und Frankreich die Freiheit verteidigen würden. "Einen ungünstigeren Zeitpunkt konnte Macron nicht finden."

Laschet versucht, den französischen Präsidenten zu verteidigen. Macron habe auch gesagt, Europa dürfe nicht in eine Situation geraten, die einen möglichen Konflikt zwischen China und Taiwan eskaliere. Laschet fordert "eine abgewogene Haltung Europas in dieser sehr komplizierten Frage. Gleichzeitig die Bedürfnisse Europas zu definieren und China von Russland zu lösen, das ist nicht mit Schwarz-Weiß-Antworten möglich, da sind viele Dinge, die man miteinander verweben muss."

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Gabriel weist darauf hin, dass die Regierungen in Osteuropa Forderungen nach einer europäischen Souveränität als echte Bedrohung empfänden. "Unser Job als Deutsche ist es, Europa zusammenzuhalten. Dazu hat Macron im Moment keinen guten Beitrag geleistet", betont er. Europa müsse mehr Verantwortung im Ukrainekrieg und bei seiner eigenen Sicherheit übernehmen, das sei klar. "Aber jetzt reden wir über militärische Selbständigkeit. Das finde ich doch ein bisschen albern."

Laschet fürchtet, dass es zu einem Konflikt zwischen den USA und China als den neuen Machtblöcken kommen könne. "Und hier eine selbstbewusste europäische Stimme einzubringen, daran müssen wir arbeiten", wünscht sich der Politiker.

Quelle: ntv.de

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