"Sonst droht Rechtsruck" Gauck für Begrenzungsstrategie bei Migration
18.09.2023, 00:23 Uhr Artikel anhören
Moralisch nicht verwerflich und politisch sogar geboten: Gauck plädiert für eine strikte Migrationspolitik.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die italienische Insel Lampedusa ruft unter dem Ansturm von Bootsflüchtlingen den Notstand aus. Während Innenministerin Faeser eine Überwachung des Mittelmeers befürwortet, denkt der frühere Bundespräsident Gauck über eine grundsätzlich strengere Migrationspolitik nach. Als Vorbild nennt er Dänemark.
Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat sich für eine "neue Entschlossenheit" in der europäischen Flüchtlingspolitik ausgesprochen. Im ZDF sagte Gauck am Abend, die Politik müsse entdecken, "dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, um den Kontrollverlust, der offensichtlich eingetreten ist, zu beheben". Eine "neue Entschlossenheit" müsse den Bevölkerungen in Europa den Eindruck vermitteln, dass die Regierungen handlungswillig und -fähig seien. "Und dazu bedarf es offenkundig auch der Debatte neuer Wege und nicht nur das Drehen an Stellschrauben."
Gauck sprach sich dafür aus, "offen und einladend" zu bleiben. Zugleich rief er dazu auf, Sorgen in der Bevölkerung vor einem Verlust an Sicherheit und Überschaubarkeit ernst zu nehmen. Sonst drohe ein weiterer Rechtsruck. Gauck verwies auf die Politik der Sozialdemokraten in Dänemark, die einen strikten Einwanderungskurs verfolgen. Da hätten sich viele erschrocken, gerade progressive Menschen. Es sei aber gelungen, so eine nationalpopulistische Partei unter drei Prozent zu halten.
"Das heißt: Wir müssen Spielräume entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen." Es bestehe etwa die Gefahr, dass die "wunderbare Solidarität" der Bevölkerung schwinde. Er sei daher dazu gekommen, "dass es vielleicht auch moralisch überhaupt nicht verwerflich ist und politisch sogar geboten, eine Begrenzungsstrategie zu fahren". Gauck sagte weiter: "Wir müssen zwei Dinge zusammenbringen: Wir brauchen Zuwanderung, aber wir brauchen keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme, ohne dass die Fachkräfte, die wir brauchen, vorhanden sind."
Faeser unterstützt von der Leyen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser stellte sich derweil hinter Pläne von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, angesichts der vielen Überfahrten von Migranten die Überwachung der EU-Außengrenze im Mittelmeer zu Luft und zu See zu verstärken. "Ja, wir werden es nicht anders machen können", sagte die SPD-Politikerin am Abend in der ARD. "Ansonsten kriegen wir die Migrationslage so nicht in den Griff."
Das Bundesinnenministerium hatte zuvor mitgeteilt, Faeser wolle am Montag Beratungen mit ihren Amtskollegen aus Spanien, Italien und Frankreich über die Lage im Mittelmeer fortsetzen. Faeser sprach von einer schwierigen Lage auf der Insel Lampedusa und kündigte an, man wolle einen gemeinsamen Aktionsplan auf den Weg bringen. Auf der kleinen Mittelmeerinsel waren in den vergangenen Tagen Tausende Bootsmigranten angekommen.
Quelle: ntv.de, mau/dpa