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Netzwerk operierte in London Gesuchter Marsalek soll Moskauer Spionage finanziert haben

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Zum Betrugsvorwurf könnte nun auch der Vorwurf einer Verschwörung hinzukommen.

Zum Betrugsvorwurf könnte nun auch der Vorwurf einer Verschwörung hinzukommen.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Jan Marsalek ist in Deutschland wegen seiner Rolle im Wirecard-Skandal einer der meistgesuchten Männer. Nun wird er auch von Großbritannien verfolgt: Marsalek soll russische Spionage-Operationen in London finanziert haben.

Der frühere Wirecard-Manager und Justizflüchtige Jan Marsalek wird von britischen Ermittlern verdächtigt, Teil eines Spionagenetzwerks für Russland gewesen zu sein. Das geht aus einer Mitteilung der britischen Staatsanwaltschaft hervor. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" über die Vorwürfe berichtet.

Demnach soll Marsalek eine zentrale Rolle als Vermittler zwischen Moskau und einer Gruppe von Bulgaren gespielt haben, die sich als mutmaßliche russische Spione in London vor Gericht verantworten müssen. Eine erste Anhörung dazu sollte am heutigen Dienstag am Westminster Crown Court in London stattfinden.

Konkret habe Marsalek sich zwischen dem 30. August 2020 und dem 8. Februar 2023 "verschworen, um Informationen zu sammeln, die direkt oder indirekt nützlich für einen Feind sind und damit dem Interesse und der Sicherheit des Staates schaden", heißt es in dem Dokument der britischen Staatsanwaltschaft. Die Taten hätten auch außerhalb Englands und Wales stattgefunden.

Der Fall steht im Zusammenhang mit mehreren Festnahmen in London. Demnach hatten britische Staatsschützer bereits Anfang Februar fünf Personen wegen Spionageverdachts festgenommen. Grundlage sollen Erkenntnisse des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5 gewesen sein. Die Londoner Metropolitan Police bestätigte die Festnahmen. Alle Verdächtigen sitzen in Untersuchungshaft. Am heutigen Dienstagvormittag wurde ihnen vor dem Amtsgericht in Westminster die Anklage wegen Verschwörung zu Spionageaktivitäten verlesen.

Wie die "Sunday Times" berichtete, sollen die Beschuldigten zur Tarnung als Journalisten aufgetreten sein. Demnach fanden Ermittler bei Durchsuchungen im Februar insgesamt 19 gefälschte Dokumente, darunter Presseausweise sowie Kleidung mit Aufschriften der US-Fernsehsender "Discovery Channel" und "National Geographic". Des Weiteren wurden laut den Ermittlern diverse falsche Ausweisdokumente sichergestellt. Die mutmaßlichen Täter sollen diese unter anderem zur Eröffnung von Bankkonten verwendet haben. Bei einem der Beschuldigten soll zudem umfangreich Überwachungsausrüstung entdeckt worden sein.

Marsalek hatte Kontakt zu Gruppenmitglied

Rädelsführer der Agententruppe soll der Geschäftsmann Orlin R. sein. Laut seines LinkedIn-Profils ist er Eigentümer einer Londoner IT-Firma, die unter anderem Dienstleistungen im Bereich digitaler Überwachung anbietet.

Über R. kamen die britischen Ermittler offenbar auf die Spur eines anderen Mannes. Nach ihren Erkenntnissen soll der untergetauchte und weltweit per Haftbefehl gesuchte ehemalige Wirecard-Manager Jan Marsalek in dem Komplott eine zentrale Rolle spielen. Spektakulär ist an den Beschuldigungen der Zeitpunkt der mutmaßlichen Verschwörung: Demnach muss Marsalek in dem Komplott die Fäden gezogen haben, nachdem er bereits aus Deutschland verschwunden war.

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Westliche Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Marsalek bereits als Wirecard-Manager von russischen Geheimdiensten als Informant und Helfer angeworben worden war. Inzwischen soll er unter ihrem Schutz in Russland leben.

Marsalek soll spezielle Technik erhalten haben

Mit den von London beschuldigten Personen soll Marsalek bereits in der Vergangenheit in Kontakt gestanden haben. Wie das von dem russischen Regimekritiker Michail Chodorkowski finanzierte "Dossier Center" zuletzt berichtete, pflegte der mutmaßliche Rädelsführer R. bereits Kontakte zu Marsalek, als dieser noch im Vorstand des inzwischen insolventen Wirecard-Konzerns war. Aus E-Mails zwischen R. und Marsalek geht hervor, dass der Überwachungsspezialist den Ex-Vorstand offenbar mit speziellen Handys und IT-Know-how ausstattete sowie Möglichkeiten zur Ortung von Mobiltelefonen diskutierte.

Unklar ist, warum Marsalek an Aktivitäten des Agentenrings um R. beteiligt gewesen sein könnte. Die Ermittler gehen davon aus, dass er im Auftrag russischer Geheimdienste handelte. Eine Anfrage ließ Marsaleks Anwalt bisher unbeantwortet.

Die festgenommenen Mitglieder des Spionagerings sollen laut den britischen Ermittlern ihre Zielpersonen - dem russischen Regime wohl missliebige Personen - in mehreren Ländern Europas ausgespäht und verfolgt haben. Der engere Spionagering sei aber aus dem Vereinigten Königreich heraus koordiniert worden. In Nachrichtendiensten wird befürchtet, dass die Verdächtigen womöglich sogar Morde oder Entführungen geplant haben könnten. In einem Fall seien bereits Anbahnungsversuche unternommen worden, hieß es gestern in Sicherheitskreisen.

Quelle: ntv.de, als

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