Israel-Politik spaltet Regierung Giorgia Meloni steckt in der Palästina-Klemme


Giorgia Meloni nutzte ihre Rede bei der UN-Generalsversammlung, um sich erstmals zum Krieg in Gaza zu positionieren.
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Bei der UN-Generalversammlung findet Italiens Premierministerin klare Worte der Kritik an Israel. Ihr Stellvertreter Salvini sieht das ganz anders und Meloni-Freund Trump ebenfalls. Die Italiener dagegen haben mehrheitlich einen anderen Blick auf das Geschehen in Gaza.
Es hat gedauert, bis sich Italiens Premierministerin Giorgia Meloni zu einer Stellungnahme gegenüber Israels Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen durchringen konnte. Am Mittwoch war es schließlich so weit. In ihrer Rede vor der UN-Generalversammlung in New York sagte sie: "Die Reaktion auf einen Angriff muss immer das Prinzip der Proportionalität berücksichtigen. Mit einem Krieg auf breiter Skala, der die palästinensische Zivilbevölkerung über alle Maße hinaus in Mitleidenschaft gezogen hat, hat Israel dieses Limit überschritten. Somit hat der jüdische Staat letztendlich gegen die humanitären Vorschriften verstoßen und Massaker unter der Zivilbevölkerung verursacht."
Anders als Deutschland fühlt sich Italien nicht der Sicherheit des Staates Israel verpflichtet, die Verantwortung hierfür ist zumindest nicht Teil der Staatsräson, wie es einmal Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Bundesrepublik proklamierte. Trotzdem steckt Premierministerin Meloni in einer Klemme, die immer enger zu werden scheint. Dafür gibt es zwei Gründe: Einer hat mit ihrem Stellvertreter zu tun, Matteo Salvini, dem Infrastrukturminister und Chef der Koalitionspartei Lega. Der zunehmend radikalnationalistische Salvini hat - neben seiner jüngst entdeckten pazifistischen Gesinnung mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine - Israel zu seiner politischen Räson gemacht.
"Bester Freund Israels" in Melonis Regierung
Für "seinen Mut, Israel in jeder Situation zu verteidigen", hat Salvini Ende Juli vom israelischen Botschafter in Rom die Auszeichnung "Bester Freund Israels" erhalten. Noch kurz vor ihrer Abreise nach New York zur UN-Generalversammlung hatte Meloni ihre Haltung zu Israel folgendermaßen erläutert: "Ich bin nicht gegen die Anerkennung von Palästina, wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, was das bedeutet." Ihrer Meinung nach stehe der Aufbau diplomatischer Beziehungen an erster Stelle sowie die Wiederherstellung der Grundvoraussetzungen, die die Existenz eines Staates ermöglichen. Zuletzt hatte eine Reihe europäischer Staaten Palästina als Staat anerkannt, Italien befindet sich mit Deutschland und Ungarn zunehmend in der Minderheit in dieser Frage.
Am Vortag ihrer Rede vor der UN-Versammlung ließ Meloni die Journalisten aber wissen: "Die Regierungsmehrheit wird dem Parlament einen Antrag vorlegen, in dem steht, dass die Anerkennung von Palästina von zwei Bedingungen abhängt: der Befreiung der Geiseln und dem Verbot für Hamas, Teil einer zukünftigen palästinensischen Regierung zu sein", so Meloni. "Ich bin nicht gegen die Anerkennung, wir müssen aber die richtigen Prioritäten setzen."
Es war einerseits der Versuch, sich nicht komplett von der Israel-treuen Linie Donald Trumps abzuwenden, dem Meloni zugeneigten US-Präsidenten. Andererseits aber will Meloni Italien nicht von Ländern wie Frankreich, Spanien, Großbritannien und Kanada isolieren, die gerade Palästina als Staat anerkannt haben.
Machtkampf in der Regierung
Bislang hatte Meloni es vorgezogen, ihren Vizepremier und Außenminister Antonio Tajani vorzuschicken, wenn es um Stellungnahmen zu Israel ging. Ihn entsandte Meloni auch zum UN-Gipfeltreffen über die Zweistaatenlösung, das vor der Generalversammlung stattfand. Die Regierungschefin landete erst einen Tag später in New York.
Tajani, der den Koalitionspartner Forza Italia führt, hatte schon mehrmals versucht, Salvini in die Schranken zu weisen und ihm gesagt, die Außenpolitik werde von seinem Ministerium und Meloni bestimmt. Tajani ist aber ein Leichtgewicht zwischen Meloni und Salvini. So leicht, dass immer wieder die Rede davon ist, er könnte bald von einem der Berlusconi-Kinder abgelöst werden. Denn noch immer ist Forza Italia auch das: Geschöpf und Bewegung des langjährigen Ministerpräsidenten und Magnaten Silvio Berlusconi.
Hunderttausende streiken für Gaza
Salvini jedenfalls sind Tajanis Mahnungen herzlich egal. So sagte er in einem Interview mit dem israelischen Privatsender i24news: "Der Moment ist äußerst kompliziert und ich denke, dass viele Leute, die protestieren, Straßenblockaden errichten und Vorlesungen in den Unis verhindern, gar nicht wissen, warum sie das tun. Denn das größte weltweite Problem stellt heute der islamische Terrorismus dar."
Vergangenen Montag hatten Hunderttausende in ganz Italien an einem Generalstreik pro Gaza teilgenommen. Einer Umfrage zufolge sind zwei Drittel der Italiener entsetzt und tief betroffen wegen des Vorgehens Israels in Gaza. Diese Stimmung dürfte ein Grund sein, der Meloni zum vorsichtigen Kurswechsel bewegt hat. Ab diesem Wochenende und über die nächsten paar Monate sind in Italien Regionalwahlen angesagt.
Quelle: ntv.de