Politik

"Versuch von Rufmord" Grüne weisen Vorwürfe gegen Baerbock zurück

Erst vor zwei Wochen stellte die Grünen-Kanzlerkandidatin ihr Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" vor.

Erst vor zwei Wochen stellte die Grünen-Kanzlerkandidatin ihr Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" vor.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die grüne Kanzlerkandidatin gerät erneut in die Kritik: Für ihr kürzlich erschienenes Buch soll Baerbock mehrere Absätze aus anderen Texten kopiert haben. Allerdings sind die Vorwürfe wenig spektakulär, selbst die politische Konkurrenz wiegelt ab.

Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock soll mindestens fünf Absätze aus ihrem kürzlich erschienenen Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" aus anderen Texten abgeschrieben haben, ohne die jeweilige Quelle kenntlich zu machen. Der österreichische Plagiatsjäger Stefan Weber hat Baerbocks Buch auf Übereinstimmungen mit bereits bestehenden Veröffentlichungen untersucht und ist laut eigener Aussage an mehreren Stellen fündig geworden. Der Kommunikationswissenschaftler bietet Plagiatsprüfung als Dienstleistung an.

Ein Sprecher der grünen Bundespartei erklärte am Nachmittag, die Vorwürfe seien "der Versuch von Rufmord. Wir weisen den Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung entschieden zurück". Baerbock hat inzwischen den Medienanwalt Christian Schertz eingeschaltet, der erklärte, es handle sich bei den beanstandeten Absätzen "um die Wiedergabe allgemein bekannter Fakten sowie politischer Ansichten", die ebenso wie Nachrichten "nicht urheberrechtsschutzfähig sind". Der Vorwurf entbehre jeglicher Grundlage.

Zum grünen Kernthema Klimawandel hat Weber eine Übereinstimmung mit dem Text eines amerikanischen Politologen ausfindig gemacht. "Bereits 2010 hatte das US-Verteidigungsministerium den Klimawandel als Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA deklariert und somit als Phänomen, das die Aufmerksamkeit des Pentagon erforderte", schreibt Baerbock in ihrem 240 Seiten starken Buch, das im Ullstein Verlag erschienen ist.

"Erstmals wurde der Klimawandel 2007 als Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA wahrgenommen und somit als Phänomen, das die Aufmerksamkeit des Pentagon erforderte", schrieb 2019 der Politikwissenschaftler Michael T. Klare in einem Text mit dem Titel "Kriegstreiber Klimawandel" für die deutsche Zeitschrift "Internationale Politik".

"Das Konzept des Klimawandels als 'Bedrohungsmultiplikator', der Rohstoff- und Gesellschaftskonflikte in Entwicklungsländern verschärfen kann, ist seither zu einem Eckpfeiler in der Strategie des Pentagons geworden", führte Klare 2019 weiter aus. "Je gespaltener und korrupter ein Staat ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er besonders stark unter den Folgeerscheinungen der Erderwärmung leiden wird - also unter inneren Konflikten, humanitären Katastrophen und Massenmigration. Das daraus entstehende Chaos könnte wiederum zu neuen Herausforderungen für das US-Militär führen, sei es durch humanitäre Hilfseinsätze oder militärische Interventionen im Ausland."

Bei Baerbock wird daraus: "Die Betrachtung des Klimawandels als 'Bedrohungsmultiplikator', der Rohstoff- und Gesellschaftskonflikte verschärfen kann, ist seither zu einem Eckpfeiler in der Strategie des Pentagon geworden. Seine Conclusio: Je fragiler ein Staat ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er besonders stark unter den Folgeerscheinungen der Erderwärmung leiden wird - also unter inneren Konflikten, humanitären Katastrophen und Migration. Das daraus entstehende Chaos könnte wiederum zu neuen Herausforderungen für das US-Militär führen, sei es durch humanitäre Hilfseinsätze oder Interventionen im Ausland."

Aufzählung der Bundeszentrale für politische Bildung

Während hier tatsächlich ein Plagiat im Sinne der Duden-Definition als "unrechtmäßige Aneignung von Gedanken, Ideen o. Ä. eines anderen auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Gebiet und ihre Veröffentlichung" vorliegt, hat die Co-Chefin der Grünen an einer anderen Stelle aus einem Erklärtext zur EU-Osterweiterung abgeschrieben, der sich auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung befindet.

"Insgesamt zehn Staaten traten an diesem Tag der Europäischen Union bei: die baltischen Staaten und ehemaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen, außerdem Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, die frühere jugoslawische Teilrepublik Slowenien sowie die beiden Mittelmeerstaaten Malta und Zypern. Die EU wuchs von 15 auf 25 Mitglieder - und begrüßte damit rund 75 Millionen neue Unionsbürgerinnen und -bürger."

Baerbock übernimmt diese Aufzählung wortwörtlich: "Insgesamt zehn Staaten traten an diesem Tag der Europäischen Union bei: die baltischen Staaten und ehemaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen, außerdem Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, die frühere jugoslawische Teilrepublik Slowenien sowie die beiden Mittelmeerstaaten Malta und Zypern. Die EU wuchs von 15 auf 25 Mitglieder - und begrüßte damit rund 75 Millionen neue Unionsbürgerinnen und -bürger."

FDP-Politiker springt Baerbock bei

Während die Plagiatsvorwürfe auf Twitter bereits seit dem Mittag für einige Häme sorgen, springt der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag der Grünen-Politikerin bei. "Kommt Leute! Regt Euch ab!", schreibt Buschmann. "Es gibt echt Wichtigeres. Jeder weiß, dass Bücher von Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten vor der Wahl eher die literarische Qualität einer Werbebroschüre haben." Da sei eher selten ein wirklich origineller Gedanke drin.

Plagiatsjäger Weber listet auf seinem Blog noch drei weitere abgeschriebene Stellen auf. Die Originaltexte stehen im "Spiegel", in der Internet-Enzyklopädie "Wikipedia" und in einem Blog des Verbands der Wirtschaft für Emissionshandel und Klimaschutz. Nur erwähnt werden "zahlreiche Sätze und Absätze", die "fast wörtlich aus dem Parteiprogramm der Grünen übernommen" seien. "Ein Absatz wurde aus einem von Annalena Baerbock und Robert Habeck gemeinsam verfassten Artikel plagiiert", deckt Weber auf, lässt den Leser aber im Unklaren darüber, wie man als Verfasserin bei sich selbst abschreibt.

Weber kritisiert Baerbock nicht zum ersten Mal. Auf seinem Blog berichtete er unter der Überschrift "Die fabulierende Welt der Annalena" über die Korrekturen ihres Lebenslaufs und kommentierte dies am 6. Juni auf Facebook in Versalien mit dem Satz, hier sei "wohl jemand rücktrittsreif". Auch warf Weber der Grünen-Chefin vor, ihre Masterarbeit, die sie an der London School of Economics geschrieben hatte, nicht zu veröffentlichen. Allerdings ist eine Publizierung der Masterarbeit in Deutschland keine Pflicht und auch nicht üblich.

Der Ullstein-Verlag, bei dem Baerbocks Buch am 21. Juni erschienen ist, verwahrt sich gegen die Plagiats-Vorwürfe. "Das Manuskript von Annalena Baerbocks Buch ist im Verlag sorgfältig lektoriert worden", so der Verlag. "Wir können keine Urheberrechtsverletzung erkennen."

Quelle: ntv.de

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