Massaker am 7. Oktober Hamas-Führung verrät perfides Ziel ihres Angriffs
08.11.2023, 21:25 Uhr Artikel anhören
Mitglieder der Izz ad-Din al-Qassam-Brigaden, des militärischen Flügels der palästinensischen islamistischen Hamas-Bewegung im Gazastreifen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Immer noch ist unklar, was die den Israelis militärisch deutlich unterlegene Hamas mit ihrem Terrorangriff genau bezwecken wollte. Anführer sagen nun, dass es um viel mehr gehe als einen Zusammenstoß mit der Armee. Demnach wollen sie die arabische Welt zum Krieg gegen Israel mobilisieren.
Die islamistische Hamas hat mit der blutigen Terrorattacke auf Israel am 7. Oktober laut einem Bericht der "New York Times" bewusst eine Eskalation des Konflikts in Kauf genommen. In der Interpretation der Islamisten sei es das Ziel, die ins Wanken geratene palästinensische Sache mittels Gewalt wiederzubeleben, schrieb die Zeitung unter Berufung auf Gespräche mit mehreren Hamas-Vertretern.
Es sei notwendig gewesen, "die gesamte Gleichung zu ändern und nicht nur einen Zusammenstoß zu haben", sagte demnach Chalil al-Haja von der Hamas-Führung dem Blatt in Doha. "Es ist uns gelungen, die Palästinenserfrage wieder auf den Tisch zu bringen, und jetzt kommt niemand mehr in der Region zur Ruhe."
Die vielen Opfer auf palästinensischer Seite durch die Reaktion Israels sei in den Augen von Hamas der notwendige Preis dafür, schreibt die Zeitung. Das Kalkül der Organisation sei es, den Status quo zu erschüttern und ein neues, brisantes Kapitel im Kampf gegen Israel aufzuschlagen. "Ich hoffe, dass der Kriegszustand mit Israel an allen Grenzen dauerhaft wird und dass die arabische Welt auf unserer Seite steht", zitierte die "New York Times" Taher al-Nunu, den die Zeitung als Medienberater der Hamas bezeichnet.
"Was die Gleichung ändern könnte, war eine große Aktion, und es war zweifellos klar, dass die Reaktion auf diese große Aktion groß sein würde", so auch Chalil al-Haja. "Wir mussten den Menschen sagen, dass die palästinensische Sache nicht sterben wird."
Das Ziel der Hamas sei es nicht, den Gazastreifen zu regieren und diesen etwa mit Wasser und Strom zu versorgen. "Diese Schlacht fand nicht statt, weil wir Treibstoff oder Arbeitskräfte wollten", fügte er laut der Zeitung hinzu. "Es ging nicht darum, die Situation in Gaza zu verbessern. Diese Schlacht dient dazu, die Situation komplett umzuwerfen."
Aufstachelung teil-erfolgreich
Aufgegangen ist das Kalkül der Hamas bislang teilweise. Zwar solidarisierten sich Organisationen und Staaten mit der islamistischen Palästinenserorganisation und ihrer Attacke. In einen intensiveren, dauerhaften militärischen Konflikt mit Israel ist bislang jedoch keiner von ihnen getreten.
Seit dem 7. Oktober gibt es jedoch Auseinandersetzungen mit der Hisbollah im Norden Israels - und seither auch Befürchtungen einer neuen Front in der Region. Der Chef der Hisbollah drohte zuletzt mit einer Eskalation, sagte aber auch, dass die Operation der Hamas "zu hundert Prozent palästinensisch" geplant gewesen sei. Auch die Huthi-Rebellen im Jemen hatten Israel kürzlich den Krieg erklärt. Bislang ist es aber wohl bei vereinzelten Angriffen, beispielsweise mit Raketen und Drohnen, geblieben.
Ebenso gibt es weiterhin Auseinandersetzungen zwischen Israel und der syrischen Armee oder Kräften, die vom Iran unterstützt werden und von syrischem Territorium aus agieren. Teheran baute zuletzt immer wieder eine Drohkulisse auf. Iran gilt als Unterstützer von Hamas und Hisbollah und warnte Israel mehrfach vor einem Vorgehen im Gazastreifen. "Die Verbrechen der zionistischen Einheit, humanitär und militärisch, haben die roten Linien überschritten, die alle zum Handeln zwingen könnten", sagte beispielsweise Regierungschef Ebrahim Raisi in einem Interview mit Al-Dschasira.
Andere Staaten in der Region hingegen ließen zuletzt keine Anzeichen eines erfolgreichen Aufwiegelns gegen Israel erkennen. So lobte EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen gerade erst die "entscheidende Stabilisierungsrolle" Jordaniens. Das Land grenzt an das von Palästinensern und Israelis bewohnte Westjordanland. Auch Ägypten, der einzige Staat, der außer Israel an den Gazastreifen grenzt und traditionell als Vermittler im Nahen Osten gilt, gibt immer wieder deeskalierende Zeichen von sich.
Quelle: ntv.de, rog/dpa