Politik

Zukunft der Arbeit Arbeitgeber beklagen Warnstreiks "ohne Maß und Mitte"

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Kampeter würde lieber an den Sozialabgaben als an den Löhnen schrauben.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

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Am Tag, an dem die Warenhauskette Galeria verkündet, 52 ihrer Filialen dichtzumachen, will Louis Klamroth bei "Hart aber fair" über die "neue Macht der Arbeitnehmer" reden. Die geht Arbeitgeber-Vertreter Kampeter eindeutig zu weit, er vermisst "Spielregeln" und ruft nach Regulierung.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD hat Arbeitgeber und Betriebsrat der insolventen Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof aufgefordert, eine Transfergesellschaft zu gründen. In der ARD-Sendung "Hart aber fair" wies Heil am Montagabend auf die schwierige Situation besonders der älteren Beschäftigten des Unternehmens hin, die nun ihren Job verlieren könnten. "Jetzt ist die Stunde der Sozial- und Betriebspartner, dafür zu sorgen, dass die Leute nicht ins Werkfreie fallen. Dafür gibt es das Instrument der Transfergesellschaft, die uns ermöglicht, Menschen auch bei einer beruflichen Neuorientierung zu unterstützen", so Heil in der ARD. Er hätte sich die Verhinderung betriebsbedingter Kündigungen gewünscht, so Heil weiter. "Aber wenn das nicht der Fall ist, ist das das richtige Instrument." Gleichzeitig kritisiert Heil, dass im Falle von Galeria Karstadt Kaufhof erneut Mitarbeiter die Fehlentscheidungen der Firmenleitung aus den letzten Jahren ausbaden müssten.

Galeria Karstadt Kaufhof hatte am Montag angekündigt, deutschlandweit 52 Filialen zu schließen. Das sei nötig, um die Sanierung im aktuellen Insolvenzverfahren möglich zu machen, teilte das Unternehmen mit. Knapp 5.000 Beschäftigte könnten ihre Jobs verlieren.

Die Karstadt-Ankündigung hat dem Thema der "Hart aber fair"-Sendung am Montagabend nochmal mehr Aktualität verliehen. Diskutiert wurde nämlich über Veränderungen am Arbeitsmarkt – und davon gibt es gerade einige. In Deutschland herrscht nicht nur Vollbeschäftigung, es fehlen auch Facharbeiter. Das nutzen Gewerkschaften, um in Tarifverhandlungen deutliche Lohnerhöhungen zu fordern. Allerdings haben sie auch allen Grund dazu: vor allem die aktuell sehr hohe Inflation bei den Waren des täglichen Bedarfs.

Arbeitgeber wollen neues Streikrecht

Steffen Kampeter kann die Begehrlichkeiten nachvollziehen. "Eine gute Bezahlung ist äußerst wichtig, aber nur einer von mehreren Faktoren, die motivieren, in einem Betrieb zu arbeiten", sagt der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände bei "Hart aber fair". Er beklagt die seiner Ansicht nach zu hohen Sozialabgaben, die dafür verantwortlich seien, dass immer weniger "bar auf die Tatze rüberkommt".

Angesichts der derzeit häufigen Warnstreiks fordert er zudem eine Überarbeitung des Streikrechts. So kann er dem für den 27. März angekündigten Verkehrsstreik überhaupt nichts abgewinnen. Die Eisenbahn-Gewerkschaft EVG und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wollen dann einen halben Tag lang den Verkehr in Deutschland gemeinsam lahmlegen.

Kampeter spricht fälschlich von einem "Generalstreik" und fordert, "dass man Streiks an Schlichtungsverhandlungen anknüpft: Wenn man sich dabei nicht einigt, dass es dann zu Streikmaßnahmen kommt." Früher seien Warnstreiks ein- bis zweistündige Arbeitsniederlegungen in einzelnen Betrieben gewesen. Bei den aktuellen Streiks "fehlen die Spielregeln, da sind Maß und Mitte völlig verlorengegangen", beklagt Kampeter. Es gehe ihm nicht darum, das Streikrecht einzuschränken, behauptet Kampeter, obwohl er gerade das fordert. "Es geht mir um die Verlässlichkeit für die Beschäftigten, auch am 27. März zur Arbeit zu kommen. Ein Warnstreik soll einen Warnhinweis geben, aber nicht ein ganzes Land lahmlegen." Das müsse die Regierung gesetzlich regeln, so Kampeter.

Arbeitsminister Heil erteilt der Forderung des Arbeitgeberchefs sogleich eine Absage. Es sei völlig richtig, dass sich die Politik aus dem Arbeitskampf heraushalte. Das gelte auch weiterhin.

Thelen will neue Arbeitszeitmodelle

Eine weitere Forderung von Arbeitnehmern neben höheren Gehältern ist eine bessere Work-Life-Balance. Eine Möglichkeit, die durch die Digitalisierung erleichtert wird, ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Länder wie Dänemark oder Belgien machen es vor. Dort gilt in bestimmten Bereichen die Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche. In Belgien zum Beispiel erhöht sich dabei die Tagesarbeitszeit auf knapp zehn Stunden. In Deutschland haben erste Unternehmen die Vier-Tage-Woche eingeführt.

Für den aus der VOX-Show "Die Höhle der Löwen" bekannten Startup-Investor Frank Thelen geht dieser Schritt nicht weit genug. Er findet es okay, wenn Menschen weniger arbeiten wollen, und fordert: "Ich finde, wir brauchen ein bedingungsloses Grundeinkommen." Für ihn ist aber auch wichtig, Menschen zu unterstützen, die gerne eine Sechs- oder Sieben-Tage-Woche hätten. "Wir müssen das Bild darstellen, dass wir Menschen haben, die weniger arbeiten wollen, aber auch solche, die gerne viel mehr leisten möchten", sagt Thelen.

Für Minister Heil sind aktuell andere Probleme relevant: Viele Menschen litten unter der Verdichtung und Beschleunigung der Arbeit. Viele Beschäftigte würden dadurch aus der Bahn geworfen. Um das zu verhindern, müsse man neue Konzepte entwickeln. Für Heil gehören "sehr flexible Arbeitszeitmodelle im Lebenslauf" dazu. "Und zu diesen Konzepten gehört auch, dass irgendwann mal Feierabend ist."

(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 14. März 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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