Rententalk bei Illner Heil garantiert Rentenniveau von 48 Prozent
15.03.2024, 05:05 Uhr Artikel anhören
Die Menschen müssen länger arbeiten, aber freiwillig, sagt Hubertus Heil.
(Foto: picture alliance / Flashpic)
Die Ampelkoalition will ein neues Rentenpaket auf den Weg bringen. Langfristig sollen damit Beitragszahler und Bundeshaushalt entlastet werden. Doch ob die Reform wirklich greift, diskutieren die Gäste in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner. Arbeitsminister Heil macht ein starkes Versprechen.
Die Renten sind schon lange nicht mehr sicher. Deswegen haben Finanzminister Christian Lindner von der FDP und Sozialminister Hubertus Heil von der SPD vor Kurzem ein neues Rentenpaket vorgestellt. Ihr Ziel: Bundeshaushalt und Beitragszahler entlasten. Doch Wirtschaftsweise und Teile der FDP sind nicht damit einverstanden. Auch in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner haben sich die Gäste über die Ideen gestritten. Am Ende wird klar: Es gibt Verhandlungsbedarf.
Dabei ist ein Umdenken bei der Rentenfinanzierung dringend nötig. Denn viele in den 1950ern und 1960ern geborene Babyboomer werden bald in Rente gehen. Außerdem werden die Menschen immer älter. Weil es immer weniger Beitragszahler gibt, müssten die Beitragssätze steigen. Das will die Ampelkoalition abschwächen. Darum soll Geld auf dem Kapitalmarkt angelegt werden. Die Gewinne daraus sollen für die Stabilisierung der Rentenbeiträge benutzt werden. Laut Finanzminister Lindner können so ab Mitte der 2030er-Jahre jährlich um die zehn Milliarden Euro in die Rentenversicherung fließen. "Ein Tropfen auf den heißen Stein", kritisiert die Chefin der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer geht noch weiter. "Homöopathisch" nennt sie bei Maybrit Illner die Summe.
Heil will Rentenniveau bei 48,2 Prozent festschreiben
Geht es nach Hubertus Heil, soll sich an dem Rentenniveau langfristig nichts ändern. Das liegt derzeit bei 48,2 Prozent. Das Rentenniveau sagt aus, wie viel Prozent des aktuellen Durchschnittslohns jemand erhält, der 45 Jahre gearbeitet und die ganze Zeit in die Rentenversicherung eingezahlt hat. Je mehr der Durchschnittslohn steigt, desto mehr steigen auch die Renten.
Falscher Ansatz, sagt Monika Schnitzer. In den meisten anderen Ländern sei der Rentenanstieg an die Inflation gekoppelt, oder es gäbe eine Mischform. Wenn die Renten langfristig finanzierbar sein sollen, dürften sie ihrer Meinung nach in Zukunft nicht mehr so stark steigen wie bis jetzt. Zudem verlangt sie, dass mehr Menschen arbeiten und das Renteneintrittsalter langfristig erhöht wird - alle zehn Jahre um ein halbes Jahr. Damit würde das Renteneintrittsalter im Jahr 2091 bei 70 Jahren liegen, rechnet die Wirtschaftswissenschaftlerin aus.
Das "Generationenkapital", also das Geld, das auf dem Kapitalmarkt angelegt werden soll, zahlen nicht die Beitragszahler, sondern der Staat. Es soll aus einer darlehenfinanzierten Stiftung kommen, erklärt Hubertus Heil bei Illner. Der Vorteil: Diese Stiftung kollidiert nicht mit der Schuldenbremse. Das ist also ganz im Sinne von Finanzminister Lindner. Außerdem sind solche Stiftungen laut Heil zweckgebunden, das Geld darf also nicht für andere Zwecke ausgegeben werden.
Mehr individuelle Vorsorge
Genau davor hat Brandmann ein wenig Angst. Grundsätzlich lobt sie aber das Generationenkapital. Das sei "das einzige auf dem Tisch liegende Modell, das wirklich eine Stabilisierung des Rentensystems schafft." Doch die staatlichen, kapitalmarktfinanzierten Rentenbeiträge gehen ihr nicht weit genug. "Ich glaube tatsächlich, wir müssen über individuelle Beiträge sprechen, so wie es in Schweden ist, damit auch individuelle Ansprüche von Bürgern darin entstehen." In Schweden können sich die Bürger aussuchen, ob sie dem Staat vertrauen oder nicht. Das heißt: Sie können auch auf eigene Verantwortung staatliches Geld auf dem Kapitalmarkt anlegen.
Überhaupt sei es sicher, wenn Arbeitnehmer frühzeitig selber für ihre Rente sorgen, findet Finanzexperte Hermann-Josef Tenhagen. Die Präsidentin des Sozialverbandes VDK, Verena Bentele, hätte gerne gewusst, wie vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen so etwas regeln sollten. Die Antwort bleibt Tenhagen schuldig.
Doch das alles sind Nebenkriegsschauplätze, wenn auch sehr wichtige. "Es geht um Arbeitnehmer, die zukünftig in Rente sind", erklärt Heil. "Wenn wir nicht handeln würden, dann würde ab 2027 das Rentenniveau runtersacken. Wenn wir nicht handeln würden, würden die Beiträge steigen." Und zwar auf 22,7 Prozent. Auch mit dem neuen Paket werden Arbeitnehmer höhere Rentenbeiträge zahlen müssen. Die werden dann von knapp 19 auf 21,3 Prozent angehoben. Die Menschen, die jetzt in Arbeit kommen oder gerade angefangen haben zu arbeiten, dürften nicht immer höhere Beiträge zahlen und am Ende weniger herausbekommen. "Deswegen wollen wir das Rentenniveau dauerhaft stabilisieren", sagt Heil.
Warum arbeiten so wenige Rentner?
Doch auch Heil ist klar: Das Rentenpaket funktioniert nur, wenn auch an anderen Stellen gearbeitet wird. So müssten sich die Gehälter von Männern und Frauen angleichen. Vor allem müssten ältere Menschen länger arbeiten, aber freiwillig. "Je mehr Menschen in Arbeit sind, je besser die Lohnentwicklung, umso stabiler die Rente", sagt er.
"Mir geht es darum, dass wir eine Tatsache aussprechen: Die gesetzliche Rente ist für die meisten Menschen die tragende Säule der Altersversorgung", so der Sozial- und Arbeitsminister. Weniger Menschen profitieren von betrieblicher Altersrente und einer privaten Altersvorsorge. Auch dazu werde die Ampel noch in diesem Jahr Verbesserungskonzepte erarbeiten. Allerdings sei auch wichtig, darüber zu reden, warum so wenig Rentenempfänger nebenbei arbeiten würden. Darauf weist auch Tenhagen hin. In Korea und Japan sei so etwas üblich, sagt er. Darum fordert Heil, mehr in altersgerechte Arbeitsplätze zu investieren.
Das aktuelle Rentenpaket steckt noch in den Kinderschuhen. Weder das Bundeskabinett hat bislang darüber beraten, noch der Bundestag. Bei Illner wird klar: Es gibt einige Stellschrauben, an denen noch heftig gedreht werden muss. Aber erkennbar ist: Der Wille ist da, die Rente neu aufzustellen.
Quelle: ntv.de