Wirtschaft

Die neuen Geldflüsterer Nur sechs Prozent der Finfluencer wissen, was sie tun

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Infotainment zu Finanzthemen: Knapp 360 deutschsprachige Finfluencer gibt es auf Instagram.

Infotainment zu Finanzthemen: Knapp 360 deutschsprachige Finfluencer gibt es auf Instagram.

(Foto: IMAGO/Pond5 Images)

Wer sich über Finanzen informieren will, landet früher oder später in den sozialen Medien. Dort tummeln sich unzählige Finanzinfluencer. Studien warnen vor ihren teils falschen Anlagetipps. Um die schwarzen Schafe entlarven zu können, fordern Experten eine Regulierung.

Ein Mann lässt seinen Blick über die Dächer einer Stadt schweifen, erzählt, unterlegt von einer dramatischen Musikkulisse, wie er sich aus einfachen Familienverhältnissen hochgearbeitet hat. Heute sei er "finanziell frei" und hat "Millionen" auf seinem Konto. Ibo Ahmiane alias "Professor Finanzen" ist einer der einflussreichsten Finanzinfluencer Deutschlands, kurz Finfluencer. In Videos bei Youtube, Tiktok und Instagram gibt er Aktientipps, erklärt den Bitcoin oder wie man Geld investiert, um eine Million Euro herauszubekommen.

Er ist einer von knapp 360 Finfluencern in Deutschland, allein bei Instagram. Zusammengerechnet haben sie über zehn Millionen Follower, hat die HHL Leipzig Graduate School of Management gemeinsam mit der Fachhochschule St. Pölten und der Beratungsfirma Paradots in einer aktuellen Studie ermittelt.

So wie Influencer häufig über Mode- oder Beautythemen sprechen, haben Finfluencer ihre Nische im Finanzwesen gefunden. Thematisch seien sie breit aufgestellt, sagt Eloy Barrantes, CEO von Paradots, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". "Es gibt Finfluencer, die sich nur mit Bitcoin beschäftigen oder nur mit Krypto, anderen geht es nur um Steuertipps oder nur um Immobilieninvestments." Anders als traditionelle Akteure in der Finanzkommunikation verbreiteten Finfluencer Finanzinhalte authentisch, persönlich, aber auch unterhaltsam - als Infotainment.

"Während Corona haben viele gezockt"

Etwa ein Drittel der Finfluencer sind laut der Studie Nano- oder Micro-Influencer, haben also weniger als 10.000 Follower. Die zehn größten Finfluencer Deutschlands erreichen jeweils über 200.000 Follower. Sie haben oft einen akademischen, wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund und sind meist männlich.

Thematisch geht es in den Finfluencer-Postings häufig um einzelne Aktien, aber sie erklären auch Grundlegendes - was Anleihen sind, wie man am besten spart, oder was die besten Kreditkarten sind. Damit motivieren Finfluencer junge Menschen, sich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen, lobt Barrantes. "Anscheinend schaffen sie es, diese Themen in einer Art und Weise zu vermitteln, die bei der jungen Generation Anklang findet. Das ist etwas Positives, weil man sich mit seiner Altersvorsorge beschäftigen muss." Die Alterssicherung und der langfristige Vermögensaufbau seien das Hauptmotiv von jungen Investoren, weniger "das Zocken an der Börse und das schnelle Reichwerden", so der Experte.

Viele der Finfluencer sind seit 2020 aktiv. In der Pandemie sind neue Kanäle regelrecht aus dem Boden geschossen. "Während der Corona-Zeit haben viele gezockt und hatten Bock darauf, sich mal mit neuen Dingen zu beschäftigen", sagt Henning Zülch, Professor für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling an der HHL Leipzig im "Wieder was gelernt"-Podcast. Das sei ideal für viele Finfluencer gewesen. Mittlerweile seien diejenigen, die investieren wollen, sachkundiger geworden, "auch die Gen Z". Die Zahl der jungen Aktiensparer hat sich laut dem Deutschen Aktieninstitut in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.

BaFin warnt vor Finfluencern

Das Problem ist: Jeder kann Finanzinfluencer werden. Theoretisch auch diejenigen, die überhaupt keine Ahnung von Geld, Aktien und Kreditgeschäften haben. Sie sind nicht zertifiziert und stehen nicht unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin warnt deshalb auch davor, Ratschläge aus sozialen Medien ungeprüft zu übernehmen. Eine Gefahr gerade für junge Menschen, warnt Barrantes, "die noch gar keine Berührungspunkte mit dem Thema Finanzen hatten und dann auf Social Media auf eine große Masse von dubiosen Finfluencern stoßen, die eigene Produkte verkaufen wollen und mit schlechten Tipps eigentlich Geld machen möchten."

Weniger als sechs Prozent der Finfluencer haben wirklich Ahnung von dem, was sie erzählen, ist bei einer internationalen Studie aus dem Mai 2023 herausgekommen. Die Wissenschaftler haben dafür Prognosen von Finfluencern auf der Plattform Stocktwits ausgewertet, einer Social-Media-Plattform für Anleger. Knapp über die Hälfte der Finfluencer schneiden demnach schlechter ab als der Markt. Die Finfluencer mit weniger Ahnung haben laut der Studie mehr Follower als die, die richtige Vorhersagen machen.

"Auch gute Finfluencer treffen falsche Investmententscheidungen", macht Barrantes im Podcast deutlich. Das sei menschlich. "Niemand kann voraussehen, wie der Markt sich entwickelt." Das könne auch seriöse Magazinen oder Analysten passieren, sie lägen mit ihren Einschätzungen oder Kaufempfehlungen auch nicht immer richtig.

Verluste bei Invests

Auch eine Studie von US-Wissenschaftlern aus dem April vorigen Jahres wirft ein eher negatives Licht auf Finfluencer. Sie haben sich speziell Krypto-Finfluencer angeschaut. Ihre Empfehlungen taugen demnach kaum für langfristige Investitionen. Die Prognosen der Influencer auf X haben den Followern nur in den ersten Tagen Gewinne gebracht, nach 10 bis 20 Tagen haben sie damit Verluste eingefahren.

Welchen Einfluss haben Influencer wirklich auf Finanzentscheidungen? Als Informationsquelle sind sie zumindest relevant: Rund die Hälfte der Follower haben schon mal nach ihren Tipps investiert, ist bei einer weiteren Studie der Fachhochschule St. Pölten herausgekommen. Die meisten informieren sich dafür zusätzlich auch in klassischen Online-Finanzmedien. Die wichtigsten Informationsquellen hier sind Finanzportale und Online-Geschäftsberichte - noch vor Social Media.

Wie erkenne ich schlechte Finfluencer?

Gute von schlechten Finanzinfluencern zu unterscheiden, ist möglich. Ein erstes Warnzeichen ist, wenn sie anonym posten, klärt Barrantes im Podcast auf: "Wenn das schnelle Geld versprochen wird, wenn es um todsichere Investmentideen geht oder wenn eigene Produkte wie Copy Trading versprochen werden. Wenn es ganz klare Empfehlungen gibt, dann ist das auch ein klares Warnsignal." Auch wenn Finfluencer für Kurse oder Akademien mit einer regelmäßigen Gebühr Werbung machten, sollte man hellhörig werden. Achten sollte man zudem auf den Hinweis im Disclaimer zu Risiken von Wertpapierinvestments.

Bisher ist der Finfluencer-Markt noch nicht reguliert. Sie müssen sich nicht qualifizieren und benötigen keine Zertifikate. Trotzdem müssen sie sich an die Regeln des Kapitalmarkts halten.

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Beide Experten sehen auch die sozialen Medien wie Instagram in der Pflicht, mehr zu kontrollieren und gegen schwarze Schafe aktiv zu werden. Und auch die BaFin müsse einen Rahmen schaffen, sagt Wirtschaftsprofessor Zülch bei "Wieder was gelernt". "Wir brauchen so etwas wie einen Führerschein. Sie müssen Zugangsvoraussetzungen schaffen, wo wir am Ende sagen können: Die wissen, worüber sie erzählen. Die Franzosen machen es im Markt, Australien und Indien kommen jetzt, da gibt es schon andere Märkte, die die Situation der Influencer erkannt haben und das nicht einfach ungeregelt laufen lassen."

Henning Zülch und seine Kollegen wollen jetzt in einer neuen Studie eine Qualitätsbewertung für Influencer entwickeln, ein "Finfluencer Quality Score" und auch an realen Beispielen testen. Ziel ist es, dass die Finfluencer-Szene und ihre Ratschläge transparenter und vertrauenswürdiger werden.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige. Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

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Quelle: ntv.de

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