Politik

Griechenland-ReferendumHeißt "Όχι" wirklich Nein zum Euro?

03.07.2015, 10:04 Uhr
imageVon Issio Ehrich
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Der Wahlkampf in Griechenland läuft: Mit Plakaten und Infoblättern wirbt die Regierung für ein Nein beim Referendum. (Foto: REUTERS)

Das Referendum in Griechenland am Sonntag soll endlich Klarheit bringen. Das wird es aber nicht.

Die Sicht der Dinge könnte unterschiedlicher kaum sein: Zumindest öffentlich suggerieren die Gläubiger Griechenlands, dass ein Nein beim Referendum unweigerlich auch ein Nein zum Euro bedeute. Die griechische Regierung beteuert dagegen unerlässlich, das Referendum stelle die Mitgliedschaft in der Währungsunion nicht infrage. Wer hat Recht? Was bedeutet es, wenn die Griechen am Sonntag ihr Kreuz bei Όχι machen?

Die Gläubiger demonstrieren bereits, was nach einer Abstimmung mit Nein passieren könnte: Auf neue Angebote aus Athen reagierten sie schlicht nicht. Nur bei einem Ja werde weiterverhandelt, so die Botschaft. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte: Stimmten die Griechen mit Nein, dann "darf niemand den Eindruck vermitteln, die Verhandlungen werden fortgesetzt". Ähnlich äußerte sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Seit den gescheiterten Verhandlungen am Wochenende hatte Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras den Gläubigern zwei neue Angebote vorgelegt. Das Zweite kam den ursprünglichen Forderungen von Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und der EU-Kommission eigentlich schon sehr nahe.

Die Gläubiger erwecken den Eindruck, dass Griechenland durch den Verhandlungsstopp und das Ausbleiben weiterer Hilfszahlungen Bankrott geht, die Eurozone verlassen und sich durch die Einführung einer neuen Währung selbst aus der Wirtschaftskrise retten muss. Und so könnte es am Ende tatsächlich auch kommen. So muss es aber nicht kommen.

Niemand kann Griechenland zum Austritt zwingen

ProgrammhinweisIm Referendums-Text ist ausdrücklich nicht von einem Euroaustritt die Rede. Es geht lediglich darum, sich für oder gegen die Reformwünsche der Gläubiger zu entscheiden. Und rein rechtlich gilt: Ein Mitglied der Eurozone kann nicht einfach rausgeschmissen werden - selbst dann nicht, wenn es pleitegeht. Das Gleiche gilt für die EU-Mitgliedschaft. Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis machte bereits mehrmals deutlich, dass Athen auf dieses Recht beharren wird. Er tat das zum Beispiel in einem Sechs-Punkte-Statement auf seinem Blog: "Griechenlands Platz in der Eurozone und in der Europäischen Union ist nicht verhandelbar", heißt es dort.

In der Theorie heißt ein Nein beim Referendum also nicht Nein zum Euro. Sollte Griechenland auf die Mitgliedschaft beharren, stehen dem Land allerdings extrem schwierige Zeiten bevor.

Tsipras verspricht den Griechen derzeit, dass ein Nein beim Referendum seine Regierung in eine bessere Verhandlungsposition versetzen würde. Er hofft darauf, dann ein drittes Hilfspaket ausmachen zu können. Diesmal auf Grundlage des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, nicht des Rettungsfonds EFSF. Unabhängig von den Auflagen dieses Pakets könnte Tsipras das Hilfspaket dann Zuhause als Neustart verkünden. Das zweite Hilfspaket hat schließlich noch die seiner Meinung nach korrupte und unterwürfige Vorgängerregierung ausgehandelt.

Geht dieser Plan auf, würde Tsipras triumphieren. Das Land könnte im Euro bleiben. Und unabhängig davon, ob er wirklich einen besseren Deal für Hellas herausgeholt hat, könnte er die Abmachung als Neubeginn darstellen. Doch Tsipras Plan ist vielleicht viel zu optimistisch.

Griechenland auf dem Weg in die Isolation

Erstens müssten die nationalen Parlamente mehrerer Eurostaaten den Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket zustimmen. Das dürfte nach dem Scheitern der jüngsten Verhandlungen und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust besonders schwer werden. Zweitens haben die Gläubiger Griechenlands ja angekündigt, dass sie bei einem Nein überhaupt nicht weiter verhandeln wollen. Sie könnten Tsirpas' Regierung gehörig auflaufen lassen.

Ohne neue Verhandlungen gibt es schließlich kein weiteres Geld. Die griechischen Staatsanleihen wären nichts mehr wert. Hellas' Banken müssten sie abschreiben und gerieten an den Rand des Bankrotts. Athen könnte Renten nicht mehr auszahlen und Staatsbedienstete nicht mehr bezahlen. Zudem bediente der Staat schon Mitte der Woche fällige Schulden beim IWF nicht. Künftig könnte Athen auch fällige Raten bei der EZB nicht mehr leisten. Die Folge: Das Institut würde die so wichtigen "Emergency Liquidity Assistance", kurz Ela-Notkredite, nicht mehr gewähren. Nicht nur der griechische Staat, sondern auch die Banken des Landes würden zahlungsunfähig.

Die Regierung müsste weitreichende Gegenmaßnahmen ergreifen. Sie könnte eine Zweitwährung einführen, um Rentner und Staatsbedienstete zu bezahlen. Diese könnte sie entsprechend abwerten, um das Land wieder wettbewerbsfähig machen. Auch die Banken könnte die Regierung damit rekapitalisieren. Das birgt allerdings das Risiko, aus der EU zu fliegen. Denn es ist vertraglich verboten, Parallelwährungen zu schaffen. Athen könnte stattdessen auf Schuldscheine setzen, die de facto nichts anderes sind. Die Mitgliedschaft in der Euro-Zone und der EU bliebe dann zwar unangetastet, doch es ist kaum auszudenken, wie viel Leid dieser schwierige Weg für die griechische Bevölkerung bedeuten würde.

Eine andere Möglichkeit wäre: Athen und die griechischen Banken könnten versuchen, andere Geldgeber zu finden - Russland oder China womöglich. Doch es ist fraglich, ob Moskau und Peking zu Zahlungen in größerem Ausmaß bereit sind. Und falls ja, zu welchem Preis. Klar ist: Bei diesem Schritt würde Athen zwar auf dem Papier in der Eurozone und der EU bleiben. Eine griechische Regierung, die vom Wohlwollen des Kremls abhängt, würde sich in der europäischen Gemeinschaft aber sofort isolieren.

Quelle: ntv.de

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