Politik

Biden und die US-Haushaltskrise "Hier gibt es eine ernsthafte Bedrohung"

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Die USA haben ihre Schuldenobergrenze bereits gerissen, eine Einigung über den Haushalt muss dringend her. David Vandivier, Professor für Finanzpolitik an der Georgetown University in Washington D.C., warnt vor einer echten Gefahr für die Finanzmärkte - und erklärt, warum der politische Prozess im Kongress empfindlich gestört ist. Der frühere Berater von US-Präsident Barack Obama sieht dennoch Chancen auf eine schnelle Lösung.

ntv.de: Die USA steuern auf die Schuldenobergrenze zu. US-Präsident Joe Biden muss dringend eine Einigung mit dem Kongress finden. Denken Sie, es wird eine schnelle Lösung geben?

David Vandivier: Es wird eine schnelle Lösung geben müssen, denn der Zeitrahmen ist viel kürzer als zum Beispiel 2011 und sogar 2013. Vor nicht allzu langer Zeit gab die Finanzministerin Janet Yellen eine Erklärung ab, in der sie sagte, wir haben die Schuldengrenze bereits erreicht. Wir befinden uns gerade in einer Art Verlängerung, in der die Finanzministerin sogenannte außerordentliche Maßnahmen ergreift, die im Grunde genommen finanzielle und buchhalterische Manöver sind, aber am Ende des Tages könnten ihr die Mittel ausgehen.

Sehen Sie denn eine Chance, dass Präsident Biden und der Kongress eine Lösung finden können?

Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Präsident Biden die Position eingenommen hat, die auch in der Obama-Regierung vertreten wurde. Und das geht zurück auf die Krise der Schuldengrenze im Jahr 2011, wo es langwierige Verhandlungen über die Schuldengrenze gab - in den Hauptrollen Senator McConnell und der damalige Vizepräsident Biden. Diese Gespräche scheiterten. Ich meine, dass die Leute vergessen, dass diese Gespräche mit dem Weißen Haus gescheitert sind. Es war also die Führung des Kongresses, die sich zusammensetzte und eine Lösung für die Krise des Schuldenlimits 2011 fand. Die Position, die das Weiße Haus eingenommen hat, lautet: Wir verhandeln nicht über das Schuldenlimit. Es liegt also in der Verantwortung des US-Kongresses. Es gibt also eine umfassendere Diskussion, und das ist der Punkt, an dem es ein paar Nuancen gibt. Präsident Biden hat gesagt, dass er bereit ist, über den Haushalt zu sprechen, wenn viele dieser Fragen mit dem Haushalt zusammenhängen, denn wir befinden uns in der Haushaltssaison, und der Bewilligungsprozess muss sowieso stattfinden. Ich denke also, dass beide Seiten die Gespräche von einem etwas anderen Standpunkt aus angehen, aber letztendlich gibt es eine Menge Probleme, die gelöst werden müssen, nicht nur in Bezug auf die Schuldengrenze, sondern auch auf den Haushalt.

Könnte es sein, dass es bei den Umweltprogrammen Probleme gibt? Dass zum Beispiel auch beim Inflation Reduction Act Förderprogramme gestrichen wird?

Es könnte sein, das ist natürlich erst der Anfang der Verhandlungen. Es ist noch nicht lange her, dass die Republikaner im Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf verabschiedet haben, in dem sie im Grunde gesagt haben, dass wir das Schuldenlimit bis zum nächsten Jahr erhöhen werden. Aber der Preis dafür sind einige Kürzungen - zum Beispiel bei den Programmen für grüne Energie und auch Einsparungen der Steuerbehörde IRS. Das ist aber der Vorschlag, den die Republikaner im Repräsentantenhaus auf den Tisch gelegt haben. Der demokratisch kontrollierte Senat hat den Vorschlag schon abgelehnt und das Weiße Haus ist auch dagegen.

Die Republikaner haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Und sie fordern Präsident Biden auf, zu sparen. Haben sie damit einen Punkt?

Wir befinden uns in einer geteilten Regierung und es gibt ein ganzes Haushaltsverfahren, bei dem normalerweise ein Haushaltsbeschluss gefasst wird, bei dem das Repräsentantenhaus seine Version des Haushalts verabschiedet und der Senat seine Version. Diese beiden müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Die Wahrheit ist, dass das Haushaltsverfahren weitgehend kaputt ist. Es ist sehr selten, dass ein Haushaltsbeschluss zwischen dem Repräsentantenhaus und dem Senat zustande kommt. Aber dieses Jahr könnten vielleicht die Umstände einen Kompromiss zwischen beiden Seiten erzwingen.

Es sind ja vor allem die republikanischen Abgeordneten, die der Make-America-Great-Bewegung anhängen, mit denen eine Einigung sehr schwierig werden könnte. Bereiten diese Politiker die größten Probleme bei den Haushaltsverhandlungen?

Wir sind in einer sehr interessanten Situation: Die Republikaner haben im Repräsentantenhaus nur einen Vorsprung von vier Sitzen. Das ist eine sehr geringe Zahl. Sie ist einstellig. Dasselbe gilt für den Senat und die Demokraten. Da gibt es einen Vorsprung von zwei Sitzen. Also kann eine Gruppe von zwei, drei, vier, fünf, sechs Mitgliedern echte Probleme verursachen. Und das ist es auch, was dieses Mal den Prozess um den Haushalt und die Schuldengrenze noch gefährlicher macht.

Ist das nicht ein politisches Theater, wo die Politiker, und dieses Mal eben der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, McCarty, seine Führungsstärke zeigen will?

Wir sind hier in Washington - ein wenig politisches Theater ist immer mit dabei, aber letzten Endes gibt es hier eine wirklich ernsthafte Bedrohung. Es geht um das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der Regierung der Vereinigten Staaten. Das ganze Finanzsystem basiert auf Vertrauen. Und eines der Dinge, die den Vereinigten Staaten seit vielen, vielen Jahren zugutekommen, ist das Vertrauen, dass wir unsere Rechnungen bezahlen werden, dass die Anleihegläubiger bezahlt werden. Wenn dieses Vertrauen infrage gestellt wird, könnte es zu ernsthaften Problemen auf den Märkten führen, es könnte zu ernsthaften Problemen in der Wirtschaft der Vereinigten Staaten und sogar der Weltwirtschaft kommen.

Erwarten Sie Probleme für die gesamte Wirtschaft?

Jedes Mal, wenn wir uns dem Schuldenlimit nähern, werden die Märkte ein wenig nervös. Sie sehen es auch jetzt: Auf dem Optionsmarkt und auf den Märkten für Staatsanleihen hat es ein wenig gerumpelt. Die einjährigen, einmonatigen und dreimonatigen Anleihen werden etwas instabiler. Ich denke also, je näher wir dem Datum X im Juni kommen, desto instabiler wird der Markt werden. Die Frage ist nur, wie stark, und ob die Gesetzgeber das im Auge behalten und eine Einigung erzielen müssen, bevor es zu spät ist.

Brauchen die Politiker für diese Verhandlungen vielleicht den Druck?

Wenn man zurückgeht und sich die Abstimmung über die Schuldengrenze und die Haushaltsverhandlungen in der Vergangenheit anschaut, dann gibt es in dieser Zeit an den Märkten manchmal ein wenig Volatilität. Und das führt dazu, dass die Gesetzgeber aufmerksam werden und erkennen, dass etwas getan werden muss, und zwar schnell.

Mit David Vandivier sprach Christopher Wittich

Quelle: ntv.de

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