Politik

"Anfang vom Ende der EU" Hofreiter befürchtet weitere Hunderttausende ukrainische Flüchtlinge

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Eine enge Abstimmung mit Polen sei bei Grenzkontrollen nötig, sagt Hofreiter.

Eine enge Abstimmung mit Polen sei bei Grenzkontrollen nötig, sagt Hofreiter.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Ukraine drängt den Westen auf eine Genehmigung von Angriffen bis tief nach Russland hinein. Kanzler Scholz lehnt dies kategorisch ab. Indes warnt der Grünen-Politiker Hofreiter vor einer erneuten Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine, falls eine Unterstützung ausbleibe.

Angesichts der bevorstehenden Ausweitung der Kontrollen an den deutschen Landesgrenzen hat der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, insbesondere mit Polen ein abgestimmtes Vorgehen gefordert. "Wenn wir weiterhin die Ukraine nicht konsequent unterstützen, müssen wir in den kommenden Jahren mit Hunderttausenden von Flüchtlingen vor dem russischen Angriffskrieg rechnen", sagte der Grünen-Politiker dem "Tagesspiegel".

Mit Blick auf die Kritik des polnischen Regierungschefs Donald Tusk an den zusätzlichen Kontrollen an den deutschen Außengrenzen forderte Hofreiter für die Migrationspolitik eine europäische Lösung. Es wäre der Anfang vom Ende der EU, wenn jeder Mitgliedsstaat eigene Grenzkontrollen einführe, sagte er weiter. Er erwarte, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Tusk auch in Zukunft eng abstimmten, so Hofreiter.

Scholz mit Absage an Ukraine

Was mehr Unterstützung angeht, drängte die ukrainische Regierung indes die westlichen Verbündeten erneut, Langstreckenwaffen für Angriffe tief in Russland freizugeben. "Starke Entscheidungen sind notwendig. Der Terror kann gestoppt werden, indem man die Militäreinrichtungen zerstört, von denen er ausgeht", schrieb der Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, im Kurznachrichtendienst Telegram mit Blick etwa auf Flughäfen für russische Kampfflugzeuge.

Bei diesem Thema bekräftigte Bundeskanzler Olaf Scholz jedoch, dass die Ukraine von Deutschland gelieferte Waffen mit größerer Reichweite nicht für Angriffe auf Ziele tief in Russland einsetzen darf. "Das bleibt so", sagt der SPD-Politiker bei einem Bürgerdialog im brandenburgischen Prenzlau. "Deshalb bleibe ich bei meiner Haltung, auch wenn andere Länder anders entscheiden", sagt Scholz mit Blick auf die USA. "Ich werde das nicht machen, weil ich das für ein Problem halte."

Europäische Lösung für Migrationspolitik gefordert

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk kritisierte unterdessen die Zunahme der Kontrollen an europäischen Binnengrenzen. "Das einzige Mittel, um nicht ordnungsgemäße Einwanderung zu stoppen, ist es, die Außengrenzen der EU effizient zu kontrollieren. Nicht die Binnengrenzen", erklärte Tusk am späten Freitagabend auf X. Er äußerte sich nach einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz.

Die polnische Haltung sei in dieser Frage unverändert, erklärte Tusk weiter. Hintergrund ist die Ausweitung von Grenzkontrollen durch die Bundesregierung auf nun alle deutschen Außengrenzen, die ab diesem Montag wirksam wird. An der deutsch-polnischen Grenze gibt es solche stationären Kontrollen an den Übergängen allerdings schon seit Monaten.

Scholz verteidigt Ausweitung der Grenzkontrollen

Scholz hat die geplante Ausweitung der Grenzkontrollen verteidigt. "Irreguläre Migration ist nicht das, was wir wollen", sagte der SPD-Politiker bei der Fragerunde in Prenzlau. Wenn wie im letzten Jahr 300.000 Menschen nach Deutschland kämen, von denen nur ein Teil einen Schutzanspruch habe, "dann ist das nicht gut". Deshalb müsse man genauer hinschauen, wer ein Recht zur Einreise habe. "Denn wir können uns ja leider nicht ganz darauf verlassen, dass alle unsere Nachbarn es so machen, wie sie es machen sollen." Er betonte, dass man sich bei den Grenzkontrollen an europäisches Recht halten werde.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat angeordnet, dass es ab Montag an allen deutschen Landgrenzen Grenzkontrollen geben soll, um die Zahl unerlaubter Einreisen stärker einzudämmen. Die zusätzlichen Kontrollen sollen zunächst sechs Monate andauern. Das betrifft Frankreich, Dänemark, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. An den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es solche Kontrollen schon. Und auch an der Grenze zu Frankreich wurde zuletzt bereits kontrolliert, was die Bundesregierung unter anderem mit den Olympischen Spielen begründete.

Bundespolizei bezweifelt Umsetzbarkeit

Solche Grenzkontrollen sind innerhalb des Schengen-Raums normalerweise nicht vorgesehen, sie müssen jeweils bei der EU-Kommission angemeldet werden. Das deutsche Vorgehen wird in den Nachbarstaaten kritisch gesehen. Die Bundesregierung begründet die Kontrollen mit Sicherheitsrisiken durch irreguläre Migration und Schleuseraktivitäten an den EU-Außengrenzen. Diese führten zu einem erhöhten Niveau irregulärer Grenzübertritte in Deutschland, was die ohnehin schon angespannte Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen verschärfe.

Die Bundespolizei äußerte mit Blick auf fehlendes Personal erneut Zweifel an der Umsetzbarkeit der zusätzlichen Kontrollen. "Die Bundespolizei ist bis Montagfrüh damit beschäftigt, Kräfte zusammenzuziehen", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei für den Bereich der Bundespolizei, Andreas Roßkopf, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Das ist noch nicht zu Ende gestrickt", kritisierte er die Regierungsbeschlüsse.

Quelle: ntv.de, gut/AFP/rts/dpa

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