Politik

Anweisung "von ganz oben"? Humboldt-Uni-Leitung und Politik streiten über Räumung

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Am Donnerstagabend wird ein Institut der Humboldt-Universität in Berlin geräumt. Propalästinensische Demonstranten hatten es besetzt. Doch wer hat die Räumung angeordnet. Uni-Leitung und Rotes Rathaus haben dazu verschiedene Ansichten.

Die Räumung eines von propalästinensischen Aktivisten besetzten Gebäudes der Berliner Humboldt-Universität (HU) hat eine Kontroverse zwischen Berliner Universitäten und Landesregierung ausgelöst. Nach Angaben von HU-Präsidentin Julia von Blumenthal wurde die Räumung auf Druck des Senats veranlasst. Die Anweisung sei "von ganz oben gekommen", sagte sie am Donnerstagabend. Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra von der SPD widersprach. Die Entscheidung sei gemeinsam mit der Universität getroffen worden, erklärte sie. Die Beendigung der Aktion sei Thema in einem Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner von der CDU, Innensenatorin Iris Spranger von der SPD und von Blumenthal gewesen.

Die Präsidentin der Technischen Universität Berlin (TU) sprang ihrer Amtskollegin zur Seite. Sie nannte das Vorgehen Wegners und Czyborras "äußerst befremdlich". "Frau von Blumenthal hätte auch ohne Anweisung von oben räumen lassen, wenn der Dialog endgültig gescheitert wäre. Nicht nur zeigt dies mangelndes Vertrauen in die Hochschulleitungen, es untergräbt auch die Hochschulautonomie an sich."

Wegner erklärte dazu: "Wenn die TU-Präsidentin meint, es sei ein neuer Stil, dann hat sie völlig recht." Er ergänzte: "Ich lege sehr viel Wert auf die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit, aber antisemitische Straftaten sind keine Meinung." Der Regierende Bürgermeister verteidigte das Vorgehen gegen die propalästinensischen Besetzer. "Ich werde das nicht durchgehen lassen, wir dulden keinen Antisemitismus, Hass und Hetze an unseren Universitäten", unterstrich der CDU-Politiker. "Jüdische Studentinnen und Studenten müssen angstfrei an den Hochschulen studieren können."

25 Strafermittlungsverfahren eingeleitet

Derweil nahmen etwa 150 Menschen an einer Kundgebung gegen Antisemitismus vor der Humboldt-Universität teil. "Wir wollen ein Zeichen setzen und zeigen, dass Jüdinnen und Juden und besonders jüdische Studierende bei uns sicher sein können und wir dafür einstehen", sagte Clara von Nathusius, Sprecherin der Gruppe Fridays for Israel, die zur Demonstration aufgerufen hatte.

Propalästinensische Aktivisten hatten am Mittwoch HU-Räume aus Protest gegen Israel und zur Unterstützung der Palästinenser besetzt. In der Nähe des Gebäudes gab es eine Kundgebung, bei der die Polizei in der Spitze rund 300 Demonstrantinnen und Demonstranten zählte. Die Universitätsleitung duldete die Besetzung zunächst und setzte auf einen Dialog mit Besetzern und Wissenschaftlern. Am Donnerstagabend veranlasste Universitätspräsidentin von Blumenthal dann die Räumung.

Die Räumung löste einen Großeinsatz der Polizei aus. Rund 530 Polizistinnen und Polizistinnen waren im Einsatz, wie die Behörde mitteilte. Am Donnerstagabend führten die Beamten etwa 170 propalästinensische Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Gebäude des Instituts für Sozialwissenschaften. Davon hielten sich 50 Besetzer im Hof auf und weitere 120 im Gebäude. 20 von ihnen hätten sich im Obergeschoss des vierstöckigen Gebäudes verbarrikadiert. "Zur Öffnung der verbarrikadierten Tür musste eine Ramme eingesetzt werden", hieß es.

Nach Polizeiangaben wurde die Identität von 169 Besetzern festgestellt. Es wurden 25 Strafermittlungsverfahren eingeleitet. Von Blumenthal sagte im RBB-Inforadio, dass die Räumung immer eine Option gewesen sei - auch wenn sie aus ihrer Sicht letztendlich zu früh begonnen habe. "Wir waren (...) in der Situation dort in einem Dialog, und aus unserer Sicht hätten wir noch etwas Zeit gebraucht, um zu sehen, ob wir selbst diesen Dialog zu einem Ergebnis führen können oder nicht", sagte von Blumenthal dazu. Länger als über den Abend hinaus hätte die Universität die Besetzung allerdings nicht geduldet.

Quelle: ntv.de, mli/dpa

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