Tausende Beweise ausgewertet Israel bereitet historischen Terrorprozess vor
01.01.2024, 12:04 Uhr Artikel anhören
Seit Monaten sichern Ermittler und Experten Spuren an den Tatorten im Süden Israels.
(Foto: picture alliance / Matrix Images)
Noch nie in seiner Geschichte sei der Staat Israel mit einem Verbrechen vom Ausmaß des Terrorüberfalls am 7. Oktober 2023 konfrontiert gewesen, sagt ein ehemaliger Generalstaatsanwalt. Nun bereitet die Justiz mit einem ebenfalls beispiellosen Aufwand einen Prozess vor, der in Israels Geschichte eingehen dürfte.
Israel wertet Beweise zum Massaker palästinensischer Terroristen vom 7. Oktober aus, die einem Medienbericht zufolge zu einem der bedeutendsten Gerichtsprozesse der Nachkriegszeit führen könnten. Israels Ermittler rekonstruierten derzeit anhand von rund 200.000 Fotos und Videos sowie 2000 Zeugenaussagen die Geschehnisse mit der Absicht, ein Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen einzuleiten, berichtete das "Wall Street Journal". Es dürfte das bedeutendste Verfahren seit dem Prozess gegen den NS-Verbrecher Adolf Eichmann in Israel im Jahr 1961 werden, hieß es.
Terroristen der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten am 7. Oktober rund 1200 Menschen in Israel ermordet und rund 240 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Es war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels gewesen. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive.
Gerichtsmedizinische Beweise, die der Zeitung nach eigenen Angaben von israelischen Beamten zur Verfügung gestellt wurden, zeigten dem Bericht zufolge unter anderem, dass einige Opfer bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Auf Fotos seien Verstümmelungen an Körpern der Opfer zu sehen, darunter auch der Geschlechtsorgane von Männern und Frauen.
Die Leichen von Frauen und Mädchen wiesen zudem diverse Anzeichen sexueller Gewalt auf. Die Hamas bestreite, dass ihre Kämpfer Kinder getötet und Frauen vergewaltigt hätten, hieß es.
"In seiner Grausamkeit beispiellos"
Das "Wall Street Journal" untersuchte nach eigenen Angaben einige der Beweise selbst und führte außerdem Interviews mit Ersthelfern, Überlebenden, Familien der Opfer und Forensikern, um einen Angriff zu dokumentieren, den der israelische Polizeipräsident als "systematisch und in seiner Grausamkeit beispiellos" bezeichnete. "Der Staat Israel hat sich noch nie mit Straftaten und einer Untersuchung dieses Ausmaßes befasst", wurde Roi Sheindorf, ehemaliger stellvertretender Generalstaatsanwalt, zitiert.
Der Prozess dürfte der Zeitung zufolge das wichtigste Verfahren in Israel seit dem Prozess gegen Eichmann werden. Der SS-Obersturmbannführer hatte während der NS-Zeit Millionen Juden in Vernichtungslager deportieren lassen. Der 1961 begonnene und weltweit aufsehenerregende Prozess gegen Eichmann dauerte acht Monate und endete mit dem Todesurteil. Er wurde gehängt.
Israel habe bisher etwa 800 am 7. Oktober ermordete Zivilisten identifiziert, darunter 37 Minderjährige unter 17 Jahren, von denen sechs jünger als fünf Jahre waren, berichtete die Zeitung weiter. Nach Angaben des Leiters des forensischen Zentrums zeigten Computertomographie-Aufnahmen Anzeichen von Folter und Hinrichtungen. Die Terroristen veröffentlichten Videos von Tötungen und Entführungen auf den Seiten ihrer Opfer in sozialen Medien, wo Freunde und Familienangehörige sie ansehen konnten, berichtete das Blatt weiter.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa