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IDF dementieren "Anordnung" Israel will sichere Evakuierung aus Al-Shifa-Klinik ermöglichen

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Israelische Soldaten im Kampfeinsatz in der Nähe des Al Shifa-Krankenhauses im Stadtteil Rimal in Gaza-Stadt.

Israelische Soldaten im Kampfeinsatz in der Nähe des Al Shifa-Krankenhauses im Stadtteil Rimal in Gaza-Stadt.

(Foto: dpa)

Das größte Krankenhaus im Gazastreifen steht im Zentrum heftiger Kämpfe. Darunter vermutet das israelische Militär die Kommandozentrale der Hamas. Nachdem das Al-Shifa mehrmals gestürmt wurde, wollen die Streitkräfte es Palästinensern in der Klinik ermöglichen, auf einer sicheren Route das Gebäude zu verlassen.

Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) dementieren Berichte, sie hätten die Evakuierung des Al-Shifa-Krankenhauses angeordnet. Wie israelische Medien übereinstimmend berichteten, wollen die IDF stattdessen ein sicheres Verlassen des Krankenhauses ermöglichen. Damit habe man auf ein Gesuch des Krankenhausdirektors reagiert, hieß es laut "Times of Israel" und "Haaretz". Zu keinem Zeitpunkt habe man die Räumung des Krankenhauses angeordnet, hieß es demnach in einer Mitteilung der IDF.

Es gehe darum, weiteren Menschen, die in der Klinik Schutz gesucht hätten, zu ermöglichen, "dies über den sicheren Weg zu tun". Augenzeugen im Gazastreifen bestätigten der Deutschen Presse-Agentur, dass Menschen das Gelände der Klinik verließen. Das Militär bot nach eigenen Angaben an, auch die Evakuierung von Patienten zu ermöglichen. Medizinisches Personal werde im Krankenhaus bleiben, um sich um Patienten zu kümmern, die die Klinik nicht verlassen könnten, hieß es weiter.

Krankenhausleiter Mohammed Abu Salmija hatte zuvor laut der Nachrichtenagentur AFP gesagt, er sei angewiesen worden, "die Evakuierung von Patienten, Verletzten, Vertriebenen und medizinischem Personal" sicherzustellen. Die Menschen sollten demnach das Krankenhaus in Richtung der nahe gelegenen Küstenstraße verlassen. Zudem hatte ein AFP-Reporter vor Ort berichtet, israelische Soldaten hätten während eines Einsatzes im Al-Shifa-Krankenhaus über einen Lautsprecher die Evakuierung der Einrichtung "binnen einer Stunde" angeordnet.

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(Foto: ntv.de Daten, Satellitenbild © 2023 Maxar Technologies. via Reuters)

In den Gebäuden und auf dem Gelände des Shifa-Krankenhauses hatten nach Beginn des Krieges Tausende Schutz vor israelischen Bombardements gesucht. Wie viele Menschen aktuell noch dort sind, ist unklar. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte die Zahl vor mehreren Tagen mit rund 2000 angegeben, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten. Nach Angaben der Klinik ist es "unmöglich", alle Patienten zu evakuieren. Der Klinikchef warnte bereits vor einer weiteren Verschlechterung der Lage und zahlreichen Toten, sollte sich die Situation nicht verändern.

Israel vermutet "Terrorzentrale" unter der Al Shifa-Klinik

Israelische Soldaten sind seit Tagen in und um die Klinik im Einsatz - ungeachtet internationaler Kritik an dem militärischen Vorgehen in einem Krankenhaus. Israel wirft der islamistischen Hamas vor, das Krankenhaus für terroristische Zwecke zu missbrauchen und unter den Gebäuden eine Kommandozentrale zu betreiben. Dazu legte die Armee nach eigenen Angaben Geheimdienstinformationen vor. Satellitenaufnahmen sowie eine Audioaufnahme sollen die Existenz des Hamas-Lagers dokumentieren. Unabhängig waren die Informationen jedoch nicht zu überprüfen. Die Hamas sowie Personal des Krankenhauses dementieren die Anschuldigung. Israelischen Medienberichten zufolge könnte sich zudem in dem mutmaßlichen Tunnelsystem unter der Klinik ein Teil der von der Hamas verschleppten rund 240 Geiseln befinden.

Nach Darstellung Israels soll die Shifa-Klinik an das kilometerlange unterirdische Tunnelnetz der Hamas angebunden sein. Mehrere Eingänge sollen sich auch innerhalb der Klinik befinden. Ein früherer Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes sagte der "New York Times", dass sich in den Räumen unter der Klinik Hunderte Menschen verstecken könnten. Demnach gehe Israel davon aus, dass auf mehreren Etagen unter der Erde Besprechungsräume, Wohnräume sowie Lagerräume gebaut wurden.

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Der Umfang des Tunnelsystems in Gaza ist Experten zufolge umstritten. Auch für das Militär ist es größtenteils eine Blackbox. Häufig ist von Hunderten Tunneln mit einer Gesamtlänge von 500 Kilometern die Rede. Das Tunnelsystem soll mit dem südlichen Teil des Gazastreifens verbunden sein. Unklar ist auch, ob und wie viele Mitglieder der Hamas sich tatsächlich unter der Klinik verschanzt haben könnten. Angaben dazu machte das israelische Militär nicht. Auch aus palästinensischen Quellen gibt es dazu keine Informationen. Insgesamt soll die Hamas zwischen 30.000 und 40.000 Kämpfer vor Kriegsbeginn gehabt haben. Wie viele Hamas-Mitglieder seither getötet wurden, ist nicht bekannt.

Dramatische Situation im Krankenhaus

Mehr als 2000 Patienten, Vertriebene sowie medizinisches Personal sollen sich noch in dem Krankenhaus mit rund 700 Betten aufhalten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind darunter zwischen 600 und 650 Patienten, rund 1500 Schutzsuchende sowie zwischen 200 und 500 Mitarbeiter der Klinik. Die Angaben beruhen auf Schätzungen des dortigen Gesundheitsministeriums, das von der Hamas kontrolliert wird. Augenzeugen bestätigten die Zahlen.

Palästinensischen Berichten zufolge hatten zuvor rund 50.000 Menschen im Bereich des Krankenhauses Zuflucht gesucht. Vor dem Gebäude waren Dutzende provisorische Zelte errichtet worden, wie auf Fotos und Videos zu sehen war. Ein Großteil der Vertriebenen sei mittlerweile weiter in den Süden geflüchtet, berichtete ein Angestellter der Klinik.

Am 7. Oktober waren Hunderte bewaffnete Hamas-Kämpfer aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet vorgedrungen und hatten den schlimmsten Angriff auf Israel in der Geschichte des Landes verübt. Israel kündigte daraufhin die Vernichtung der Hamas an und begann mit massiven Angriffen auf Hamas-Ziele im Gazastreifen.

Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP

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