Attacken und Tote Israels Militär startet größeren Einsatz im Westjordanland
28.08.2024, 09:27 Uhr Artikel anhören
Israelische Militärfahrzeuge rollen durch Dschenin.
(Foto: Social Media via REUTERS)
Der Palästinensische Rote Halbmond spricht von zehn getöteten Palästinensern, laut Israel ist es eine "Operation zur Bekämpfung des Terrorismus": Im Westjordanland beginnt die israelische Armee einen größeren Einsatz. Amnesty International fordert indes EU-Sanktionen gegen Israel.
Israels Armee hat in der Nacht eine größere Operation im besetzten Westjordanland begonnen. Das Militär teilte mit, eine "Operation zur Bekämpfung des Terrorismus" in den nördlichen Städten Dschenin und Tulkarem, die als Hochburgen militanter Palästinenser gelten, auszuführen. Medienberichten zufolge setzte die Armee neben zahlreichen Infanteristen auch Drohnen und Scharfschützen ein, zerstörte Infrastruktur mit Bulldozern und sperrte sämtliche Zufahrtswege nach Dschenin.
In Dschenin seien zwei Menschen durch Schüsse getötet und mehrere weitere verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Ramallah mit. Später meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa zwei weitere Tote bei einem Drohnenangriff des israelischen Militärs auf ein Flüchtlingslager nahe der Ortschaft Tubas - und dann nochmals drei Tote bei einem anderen Drohnenangriff auf ein Fahrzeug südlich von Dschenin. Ob es sich bei den Toten um militante Palästinenser handelt, blieb unklar. Die Armee machte keine detaillierten Angaben zu ihrem Einsatz.
Laut dem Palästinensischen Roten Halbmond wurden insgesamt zehn Palästinenser getötet. Zwei Palästinenser seien in der Stadt Dschenin getötet worden, sagte ein Sprecher der Hilfsorganisation. Vier Menschen seien in einem nahegelegenen Dorf und vier weitere in einem Flüchtlingslager in der Nähe der Stadt Tubas getötet worden.
Den Berichten zufolge handelt es sich um eine großangelegte Militäroperation, "Al-Dschasira" sprach gar vom größten derartigen Einsatz der israelischen Armee im Norden des Westjordanlands seit mehr als 20 Jahren. Dem arabischen Sender zufolge sollen Palästinenser die Soldaten unter anderem im Flüchtlingsviertel Nur Schams in Tulkarem mit Schusswaffen und Sprengsätzen attackiert haben. Zusammenstöße gab es demnach auch in anderen Ortschaften im Westjordanland.
Armee soll Krankenhäuser umstellt haben
Die Agentur Wafa meldete, eine große Anzahl an Militärfahrzeugen sei nach Dschenin reingefahren. "Al-Dschasira" zufolge wurde die Stadt komplett abgeriegelt. Laut der israelischen Nachrichtenseite "ynet" sollten von den Sicherheitskräften gesuchte Personen in Flüchtlingsvierteln in Dschenin und Tulkarem festgenommen werden. Israelischen und palästinensischen Medien zufolge umstellten die Einsatzkräfte auch Krankenhäuser in beiden Städten und blockierten Krankenwagen. Die Armee kontrolliere den Zutritt zu den Klinikgebäuden, um zu verhindern, dass sich Militante dort verschanzen, meldete "Ynet".
Nach Informationen der "Times of Israel" könnte die Militäroperation noch länger dauern. Sie sei Quellen in der Armee zufolge auf mehrere Tage angelegt, berichtet die israelische Zeitung. Im Rahmen des Einsatzes seien mehrere gesuchte Palästinenser festgenommen worden, hieß es unter Berufung auf das Militär.
Bei einem mutmaßlich israelischen Drohnenangriff in Syrien wurden dortigen Regierungskreisen zufolge mindestens vier Menschen getötet. Bei dem Angriff sei ein Auto im Ort Sabadani getroffen worden, der nahe der Grenze zum Libanon liegt. Anwohner berichteten, die syrische Armee habe ein Feuer am Auto gelöscht und Leichen geborgen. Der Nachrichtensender Al-Arabija veröffentlichte ein Foto eines ausgebrannten Fahrzeugs. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, die vier Insassen seien auf dem Weg in den Libanon gewesen. Sabadani liegt etwa eine Autostunde von der syrischen Hauptstadt Damaskus entfernt.
Amnesty für Sanktionen
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert indes scharfe europäische Sanktionen. In einem Brief an die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten und den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sprach sich die Organisation für ein umfassendes Waffenembargo und ein Verbot von Investitionen in bestimmte israelische Unternehmen und Banken aus. Zudem gehöre der Handel mit Gütern aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten EU-weit verboten. Die Besatzung der palästinensischen Gebiete sei illegal und müsse schnellstmöglich beendet werden - so stehe es in einem im Juli veröffentlichten Gutachten des Internationalen Gerichtshofs.
Die ohnehin gespannte Lage im Westjordanland hat sich seit dem Hamas-Massaker mit 1.200 Toten am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Gaza-Krieg deutlich verschärft. Seitdem wurden dort nach unabhängig kaum überprüfbaren Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen von Extremisten mehr als 620 Palästinenser getötet. Auch Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser nahm in dem Zeitraum zu. Vor allem in Dschenin und Tulkarem gibt es immer wieder Razzien der israelischen Armee. Erst am Montag kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei einem israelischen Luftangriff in dem Flüchtlingsviertel Nur Schams in Tulkarem fünf Menschen ums Leben. Das Bombardement hatte nach Angaben der israelischen Armee militante Palästinenser zum Ziel.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP