"Hätten hohen Preis bezahlt" Joschka Fischer verteidigt Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan
03.07.2023, 17:50 Uhr Artikel anhören
Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 deutscher Außenminister.
(Foto: dpa)
Eine Enquetekommission soll den fast 20 Jahre dauernden Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan bewerten. Dessen Beginn 2001 verteidigt der damalige Bundesaußenminister Fischer. Hätte sich Deutschland nicht beteiligt, hätte man die Existenzgrundlage des Landes infrage gestellt.
Der frühere Außenminister Joschka Fischer hat die Entsendung von Bundeswehr-Soldaten nach Afghanistan im Jahr 2001 verteidigt. "Wenn wir Nein gesagt hätten, hätten wir die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland komplett erschüttert, zerdeppert", sagte er in einer Anhörung der Bundestags-Kommission "Lehren aus Afghanistan". Es sei damals ganz klar gewesen, dass Deutschland nach den Anschlägen islamistischer Terroristen auf die USA vom 11. September 2001 seinen Bündnisverpflichtungen nachkommen und die Amerikaner unterstützen müsse.
"Wären wir nicht mitgegangen, hätten wir einen enorm hohen Preis bezahlt im Bündnis", sagte Fischer. Wer an diesem Bündnis bedenkenlos rüttele, "der wird aus meiner Sicht die Existenzgrundlage unseres Landes und all das, was erreicht wurde seit 1949, infrage stellen, aufs Spiel setzen."
Der Grünen-Politiker, der zwischen 1998 und 2005 Außenminister und Vizekanzler war, kritisierte allerdings, dass die Amerikaner Afghanistan wegen der von Deutschland abgelehnten Invasion im Irak sehr früh vernachlässigt hätten. Er habe Afghanistan deswegen immer "als das erste Opfer des Irak-Kriegs" bezeichnet. Das Debakel, das es später in Afghanistan gegeben habe, erklärte er mit dem "überstürzten, übereilten Abzug".
Die Bundeswehr war von Ende 2001 bis Mitte 2021 in Afghanistan stationiert, zeitweise mit mehr als 5000 Soldaten. Nach dem Abzug der NATO-Truppen übernahmen die Taliban wieder die Macht. Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP vereinbart, den Einsatz von einer Enquetekommission bewerten zu lassen.
Ex-BND-Chef kritisiert späten Rückzug
Ex-BND-Chef Gerhard Schindler warf früheren Bundesregierungen in der Anhörung vor, zu spät eine Strategie für einen Rückzug aus Afghanistan entwickelt zu haben. Schon während seiner Zeit an der Spitze des Bundesnachrichtendienstes von 2011 bis 2016 habe er ein Land "im Sinkflug" erlebt, sagte Schindler. "Nach meiner Erinnerung war alles schlecht." Das Einzige, was noch funktioniert habe, sei die Opium-Produktion gewesen, die das Land noch brandgefährlicher gemacht habe.
Trotzdem habe es seitens der Bundesregierung keine Exit-Strategie gegeben. "Der hin und wieder geäußerte Notfallplan, wenn die Amerikaner rausgehen, dann gehen wir auch raus, war ja keine Strategie, um das mal vorsichtig auszudrücken." Während der Amtszeit Schindlers war Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin und Guido Westerwelle (FDP) sowie der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) waren ihre Außenminister. Verteidigungsminister waren Thomas de Maizière und später die heutige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (beide CDU).
De Maizière verteidigte das damalige Handeln der Regierung. Die Bundeswehr hätte damals nicht alleine aus Afghanistan abziehen können. Es sei auch nicht Aufgabe der Regierung, "Warnungen des BND in Politik umzusetzen". Der BND sei nicht "der Befehlsgeber für Außen- und Sicherheitspolitik".
Quelle: ntv.de, mli/dpa