Überraschende Wende in Myanmar Junta verringert Strafmaß gegen Suu Kyi
06.12.2021, 16:44 Uhr
Der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wird das Gefängnis wohl erst einmal erspart.
(Foto: picture alliance / abaca)
Kurz nach der Verurteilung zu vier Jahren Freiheitsstrafe halbiert die Militärjunta in Myanmar das Strafmaß gegen die entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Auch soll ihr kein Gefängnis drohen. Der Grund für diesen Umschwung ist, wie die Vorwürfe gegen die Politikerin, undurchsichtig.
Wenige Stunden nach der Verurteilung der entmachteten Regierungschefin Aung San Suu Kyi in Myanmar hat die Militärjunta das Strafmaß für die 76-Jährige von vier Jahren auf zwei Jahre verkürzt. Dies berichteten staatliche Medien. Zudem dürfe die Friedensnobelpreisträgerin im Hausarrest verbleiben und müsse nicht ins Gefängnis, hieß es unter Berufung auf die Militärführung. Ein Gericht hatte Suu Kyi zuvor in zwei Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu insgesamt vier Jahren Haft verurteilt. Konkret ging es um Vorwürfe der Anstiftung zum Aufruhr und der Verletzung von Corona-Maßnahmen.
Die Europäische Union verurteilte die zuvor ausgesprochene Haftstrafe als "politisch motiviert". Die Freiheitsstrafe gegen die 76-Jährige sei eine "eklatante Verletzung der Menschenrechte", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Er erklärte, das Urteil gegen Suu Kyi sei ein weiterer Schritt zum Abbau des Rechtsstaats in Myanmar nach dem Militärputsch im Februar. Er rief das Land auf, wieder auf den Pfad der Demokratie zurückzukehren.
UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet erklärte, Suu Kyis Verurteilung nach einem "Scheinprozess" vor einem vom Militär kontrollierten Gericht sei "rein politisch motiviert". Nicht nur werde damit die Freiheit Suu Kyis "willkürlich" eingeschränkt, sondern auch eine weitere Tür zum "politischen Dialog" zugeschlagen. Die britische Außenministerin Liz Truss erklärte, das Urteil sei ein "weiterer entsetzlicher Versuch des Militärregimes in Myanmar", die Opposition und Freiheit und Demokratie zu unterdrücken. US-Außenminister Antony Blinken prangerte das Hafturteil und die Unterdrückung anderer gewählter Regierungsvertreter als "Affront gegen Demokratie und Justiz" an.
Haftstrafe von Präsident Myint ebenso verkürzt
Im Februar hatte die Junta Suu Kyi als De-facto-Regierungschefin abgesetzt und zugleich Präsident Win Myint entmachtet. Er wurde ebenfalls zu vier Jahren Haft verurteilt. Auch ihm würden vom Juntachef Min Aung Hlaing zwei Jahre Haft erlassen, und wie Suu Kyi würde er seine Strafe im Hausarrest in der Hauptstadt Naypyidaw absitzen, zitierte das Fernsehen aus einer Erklärung der Junta.
Suu Kyi drohen in ihrem Heimatland noch weitere Prozesse, die sie für Jahrzehnte ins Gefängnis bringen könnten. Der Friedensnobelpreisträgerin von 1991 werden unter anderem auch Korruption, Geheimnisverrat und Wahlbetrug vorgeworfen. Insgesamt droht ihr eine jahrzehntelange Haft.
Der Vorwurf der Anstiftung zum Aufruhr bezog sich auf Stellungnahmen von Suu Kyis Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) kurz nach dem Militärputsch, in denen sie die Machtübernahme der Generäle verurteilt hatte. Die Anklage wegen Verstößen gegen Corona-Auflagen steht im Zusammenhang mit der Parlamentswahl 2020, bei der die NLD einen klaren Sieg errungen hatte.
Junta hat vor Prozess Nachrichtensperre verhängt
Die genauen Vorwürfe sind jedoch unklar, da die Junta vor dem Prozess eine Nachrichtensperre verhängt hatte. Journalisten waren zu dem Verfahren vor einem Sondergericht in der Hauptstadt Naypyidaw nicht zugelassen. Zuletzt durften auch Suu Kyis Anwälte nicht mehr mit Journalisten sprechen.
Durch den Militärputsch war eine kurze Phase der Demokratisierung Myanmars beendet worden. Das Militär hatte die Machtübernahme mit angeblichem Betrug bei der Parlamentswahl im November 2020 begründet. Seitdem gab es landesweit Proteste gegen die Junta, bei deren Niederschlagung mehr als 1300 Menschen getötet und mehr als 10.000 festgenommen wurden.
Quelle: ntv.de, ysc/AFP/dpa