Politik

Der Kriegstag im Überblick Kämpfe bei Cherson dauern an - Russland soll zivile Schiffe zerstört haben

Die russische Armee erwartet, dass die Ukrainer ihr die besetzte Gebietshauptstadt Cherson wieder entreißen wollen.

Die russische Armee erwartet, dass die Ukrainer ihr die besetzte Gebietshauptstadt Cherson wieder entreißen wollen.

(Foto: AP)

Vor allem im Süden der Ukraine wird weiter heftig gekämpft. Nach Angriffen auf den Kachowka-Staudamm ist die Strom- und Wasserversorgung der Stadt Cherson unterbrochen. Ähnlich kritisch geht es in der ukrainischen Hauptstadt zu. Dort ist nach heftigem Raketenbeschuss auf die Energieversorgung ein Blackout nicht mehr ausgeschlossen. Derweil will die EU die Ukraine mit einem neuen Hilfspaket unterstützen. Der 256. Kriegstag im Überblick.

Kämpfe bei südukrainischer Stadt Cherson dauern an

Schwere Kämpfe haben die Region um die südukrainische Stadt Cherson erschüttert. Nach Darstellung des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte wurde in der Ortschaft Kachowka ein Gebäude zerstört, in dem sich rund 200 russische Soldaten aufhielten. Die Folgen dieses Angriffs würden von russischer Seite "sorgfältig verschleiert", hieß es. Bei Radensk sei eine Kolonne gepanzerter russischer Fahrzeuge zerstört worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Ukraine wirft Russland Zerstörung von zivilen Schiffen vor

Die ukrainische Armee warf Russland die großangelegte Zerstörung von zivilen Schiffen vor, die am Ufer des Dnipro-Flusses in der südlichen Region Cherson festgemacht sind. Ein Sprecher des ukrainischen Generalstabs teilte mit, dass Treibstoff aus den zerstörten Schiffen austrete. Außerdem warf er den russischen Streitkräften vor, Motoren und andere Geräte aus den Schiffen beschlagnahmt zu haben. Vom russischen Verteidigungsministerium lag zunächst keine Stellungnahme vor. Die Rückeroberung Chersons wäre eine bedeutende Niederlage für die russischen Truppen. Von Russland eingesetzte Beamte in der Region Cherson hatten zuvor berichtet, Moskau werde seine Truppen wahrscheinlich vom Westufer des Flusses Dnipro abziehen.

Strom- und Wasserversorgung in Cherson unterbrochen

In Cherson ist der Kachowka-Staudamm russischen Angaben zufolge bei einem ukrainischen Angriff beschädigt worden. Es habe jedoch keine schwerwiegenden Schäden gegeben, hieß es. In der Stadt Cherson fiel nach Angaben pro-russischer Besatzer nach einem ukrainischen Luftangriff die Strom- und Wasserversorgung aus.

Am Sonntagmorgen habe es in der Region einen Angriff mit "sechs HIMARS-Raketen" gegeben, zitierten russische Nachrichtenagenturen örtliche Rettungsdienste. Die Luftabwehr habe fünf Raketen abgeschossen, eine Rakete habe dabei eine Schleuse des Kachowka-Damms getroffen, hieß es weiter. "Alles ist unter Kontrolle", zitierte die Nachrichtenagentur Ria Nowosti einen lokalen pro-russischen Behördenvertreter. Eines der Geschosse sei zwar am Damm eingeschlagen, "hat aber keine kritischen Schäden verursacht".

Der Staudamm des Wasserkraftwerks Kachowka liegt am Dnipro in der Region Cherson, die derzeit von russischen Truppen kontrolliert wird und von Moskau annektiert wurde. Die Anlage versorgt vor allem die bereits im Jahr 2014 annektierte Krimhalbinsel mit Wasser.

Ukraine meldet Artilleriebeschuss auf Städte im Süden

Russische Truppen beschossen nach örtlichen Behördenangaben mehrere Städte im Süden der Ukraine. In Saporischschja sei dabei ein Mensch getötet und ein Gebäude der zivilen Infrastruktur zerstört worden, teilte ein Mitarbeiter des Stadtrates ohne nähere Details mit. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, in Saporischschja sei ein Munitionsdepot der ukrainischen Armee getroffen worden. In mehreren Orten im Gebiet Dnjepropetrowsk schlugen demnach Geschosse aus Rohrartillerie und Mehrfachraketenwerfern ein. In dem Ort Myrowe sei ein neunjähriges Mädchen verletzt worden, schrieb der Vorsitzende des Gebietsparlaments, Mykola Lukaschuk, auf Telegram.

Die getroffenen Orte liegen auf dem nördlichen Ufer des Flusses Dnipro. Russische Truppen haben das Südufer besetzt und können von dort etwa aus dem Schutz des Kernkraftwerks Saporischschja heraus schießen.

Klitschko schließt Blackout in Kiew nicht aus

Derweil wackelt die Energieversorgung der ukrainischen Hauptstadt. Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko schließt wegen der Schäden am Energiesystem einen Zusammenbruch der Strom-, Wärme- und Wasserversorgung in der ukrainischen Hauptstadt nicht aus. Die Bürgerinnen und Bürger sollten Vorräte für einen solchen Fall anlegen und auch überlegen, zeitweise außerhalb der Stadt unterzukommen. Das sagte Klitschko am Samstagabend im ukrainischen Fernsehen. Dies sei das schlimmstmögliche Szenario. "Wir tun alles, damit es nicht so weit kommt", sagte er. "Aber wir wollen offen sein: Unsere Feinde tun alles dafür, damit diese Stadt ohne Heizung, ohne Strom, ohne Wasserversorgung dasteht - allgemein: dass wir alle sterben."

In Kiew lebten derzeit etwa drei Millionen Menschen, darunter 350.000 Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen der Ukraine, sagte Klitschko. Bei einem Zusammenbruch des Fernwärmesystems bereite sich die Stadt darauf vor, 1000 Wärmestuben einzurichten. Der Ex-Boxweltmeister warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, die Ukrainer als Volk vernichten zu wollen. "Putin braucht uns Ukrainer nicht. Er braucht das Gebiet, braucht eine Ukraine ohne uns." Bei den russischen Raketenangriffen auf die Energieversorgung der Ukraine sind auch die Anlagen in Kiew beschädigt worden. Die Stadt versucht, das Netz durch gestaffelte Stromabschaltungen zu stabilisieren. Ganze Stadtteile haben stundenweise kein Licht.

Selenskyj und von der Leyen erörtern neue Milliarden-Hilfen für Kiew

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über Pläne für ein neues Hilfspaket für die Ukraine in Höhe von bis zu 18 Milliarden Euro informiert. Sie wolle das Paket, das in monatliche Tranchen von jeweils 1,5 Milliarden Euro gegliedert sein soll, noch in der kommenden Woche in Brüssel vorlegen, erklärte die EU-Kommission zu dem Telefonat. Mit den vorteilhaften Krediten solle ein "erheblicher Beitrag" zum Finanzbedarf Kiews für 2023 geleistet werden.

Die Mittel würden die Ukraine zudem unterstützen, für den Weg in Richtung einer EU-Mitgliedschaft weitere Reformen umzusetzen, hieß es. Selenskyj erklärte über Twitter lediglich, er habe mit von der Leyen über finanzielle Unterstützung für das laufende und das kommende Jahr gesprochen. Weiteres Thema sei die Bedeutung der Getreidelieferungen aus der Ukraine über das Schwarze Meer zur Unterstützung der weltweiten Nahrungssicherheit gewesen.

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Quelle: ntv.de, mba/dpa/rts/AFP

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