Aus Ampel-Scheitern lernenKanzleramtschef Frei: Nicht blind an Koalitionsvertrag halten

Als die Ampel-Regierung ihren Koalitionsvertrag schließt, bestimmt noch die Corona-Krise das Geschehen. Kurz darauf überfällt jedoch Russland die Ukraine. Die Gemengelage ändert sich komplett, doch Rot, Grün, Gelb halten an alten Abmachungen fest. Schwarz-Rot will das nicht wiederholen.
Kanzleramtschef Thorsten Frei wirbt angesichts der schwierigen Wirtschaftslage dafür, beim Koalitionsvertrag flexibel zu sein. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte der CDU-Politiker auf die Frage, ob Schwarz-Rot den Vertrag nicht neu schreiben müsste, dass die Koalition einige Rahmenbedingungen bereits auf den Weg gebracht habe. Er fügte hinzu: "Generell gilt aber aus meiner Sicht: Eine Koalition muss die Kraft haben, sich neuen Herausforderungen zu stellen, die man zu Beginn noch nicht absehen konnte."
Die Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP habe an ihrem Koalitionsvertrag trotz des russischen Überfalls auf die Ukraine "stoisch festgehalten", betonte Frei und mahnte: "Wir sollten daraus lernen und flexibler handeln. Möglicherweise heißt das auch, bei der schwierigen Wirtschaftslage verstärkt gegenzusteuern." Die Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich im November 2021 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Im Februar 2022 überfiel Russland jedoch die Ukraine und änderte die Rahmenbedingungen vollends.
"Gesundheitssystem günstiger machen"
Der Koalitionsvertrag ist nicht das einzige Thema, über das Frei in dem Interview gesprochen hat. Auch das Gesundheitssystem beschäftigt den Kanzleramtsminister und Vertrauten von Bundeskanzler Friedrich Merz. Frei sieht die Notwendigkeit, Leistungen dort abzubauen. "Klar ist auch, dass manche Leistungen entfallen müssen, um das Gesundheitssystem günstiger zu machen, was in anderen Ländern auch funktioniert", sagte er. "Wir werden deshalb nicht kränker."
Das werde zwar Widerstände hervorrufen, "aber wir müssen das im Interesse des Ganzen durchsetzen". Deutschland habe das teuerste Gesundheitssystem der Welt, die Bevölkerung sei aber nicht überdurchschnittlich gesund. Welche Leistungen gestrichen werden sollten, sagte Frei nicht. Der CDU-Politiker bemängelte, "dass bei uns jeder in einer - naturgemäß - eher laienhaften Betrachtung selbst entscheidet, zu welchem Facharzt er geht". Diese Entscheidung müsse ein Primärarzt, in der Regel der Hausarzt, übernehmen.
Auch die Pflegeversicherung werde eine "Riesenherausforderung". Heute würden 86 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt. "Das wird künftig nicht mehr der Fall sein." Der Anteil derer, die in stationären Einrichtungen versorgt werden müssen, werde aller Voraussicht nach steigen, sagte der Kanzleramtschef.