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Ukraine-Talk bei Illner Kiesewetter: "Der Kanzler hat sich zu ändern"

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Seit Wochen greift Russland Charkiw an - vom eigenen Territorium aus. Die Ukraine soll nun auch US-Waffen nutzen können, um die Attacken jenseits der Grenze abzuwehren.

Seit Wochen greift Russland Charkiw an - vom eigenen Territorium aus. Die Ukraine soll nun auch US-Waffen nutzen können, um die Attacken jenseits der Grenze abzuwehren.

(Foto: IMAGO/ABACAPRESS)

Die Ukraine muss mit westlichen Waffen militärische Ziele in Russland angreifen dürfen. Das ist die Aussage aller Gäste, die Maybrit Illner in ihrer Talkrunde versammelt hat. Während die Sendung läuft, wird bekannt, dass US-Präsident Biden wohl sein Okay für den Einsatz gegeben hat, allerdings mit Einschränkungen.

Die ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" ist am Donnerstagabend fast zu Ende, als die Eilmeldung kommt: US-Präsident Biden hat der Ukraine offenbar erlaubt, US-Waffen gegen russische Ziele in der Nähe der ukrainischen Stadt Charkiw einzusetzen. Das berichten US-Medien, die sich auf US-Regierungskreise berufen. Charkiw liegt etwa 30 Kilometer vor der russischen Grenze und wird seit Wochen von russischem Boden aus beschossen.

Zuletzt hatten unter anderem Frankreichs Präsident Macron und NATO-Chef Stoltenberg gefordert, westliche Länder müssten der Ukraine erlauben, Waffen aus dem Westen auch gegen militärische Ziele auf russischem Boden einzusetzen. Die Entscheidung ist umstritten, denn Russlands Präsident Putin hatte im russischen Fernsehen für diesen Fall Vergeltungsmaßnahmen vor allem auf kleine, dicht bevölkerte NATO-Länder angedroht. Vermutlich spielte er dabei auf Staaten im Baltikum an.

Als die Meldung aus den USA kommt, ist die Diskussion zu diesem Thema schon vorbei, und Moderatorin Illner nutzt die mutmaßliche Entscheidung des US-Präsidenten nicht, noch einmal darauf zurückzukommen. Zuvor hatte der ehemalige Oberkommandeur der amerikanischen Streitkräfte in Europa, Ben Hodges, die zögerliche Haltung Bidens kritisiert. "Der politische Ansatz, Beschränkungen auszusprechen, sodass nicht über die ukrainische Grenze geschossen werden soll, ist schrecklich. Es gibt keine militärische, moralische oder rechtliche Grundlage dafür. Es ist eine schlechte Politik, denn die US-Regierung hat bisher noch kein strategisches Ziel für sich identifiziert. Und weil es dieses Ziel nicht gibt, ist es schwer, eine entsprechend gute Politik zu entwickeln."

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Die Bedrohung für Europa und Deutschland durch Russland sei riesengroß, sagt Hodges. Deswegen werde US-Präsident Biden dem Beschuss russischer Ziele irgendwann zustimmen. "Es ist von essentieller Bedeutung für uns alle, dass Russland in der Ukraine besiegt wird." Biden und Bundeskanzler Scholz teilten die übertriebene Angst, dass Russland irgendwann Nuklearwaffen einsetzen würde. Tatsächlich verfüge Russland über tausende derartiger Waffen, und Putin schere sich nicht um den Tod vieler unschuldiger Menschen, seine eigenen Landsleute eingeschlossen. "Aber ich glaube, es ist sehr unwahrscheinlich, dass Russland eine Nuklearwaffe einsetzen wird, denn das wäre für Russland kein Vorteil."

Zustimmung von Scholz gefordert

Wie wird sich Bundeskanzler Olaf Scholz nun verhalten? Schon vor den Nachrichten aus den USA sind sich die Gäste bei "Maybrit Illner" klar darüber: Scholz wird einem Einsatz westlicher Waffen gegen militärische Ziele in Russland zustimmen. Der Vorsitzende der Atlantikbrücke und SPD-Politiker Sigmar Gabriel: "Deutschland wird sich immer im Kontext der NATO bewegen. Und wenn die Vereinigten Staaten ihre Positionen verändern, wird Scholz das auch tun."

Deutschland dürfe nicht nur auf Russland schauen wie die Maus auf die Schlange, sondern müsse auch die russischen Partner im Blick haben, sagt CDU-Außenpolitiker und Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter. "Wir müssen uns bereithalten, insgesamt abwehrbereiter zu werden", fordert er. "Also, der Kanzler hat sich zu ändern." Um Deutschland herum sei eine Allianz von Staaten entstanden, die fordern, der Westen müsse in der Ukraine mehr tun, sagt Kiesewetter. "Ich glaube, dass Deutschland mehr tun muss. Die Regierung wäre bereit, die Opposition würde es auch unterstützen, nur das Kanzleramt muss sich bewegen."

Was man schon jetzt sagen kann: Der Krieg in der Ukraine ist am Donnerstagabend in eine neue Phase eingetreten. Wie er sich in Zukunft verändern wird, möchte die Moderatorin gegen Ende der Sendung wissen: Könnte es bald eine Flugverbotszone über der Westukraine geben? Werden bald vielleicht sogar NATO-Truppen in der Ukraine kämpfen? Die Politiker antworten wortreich, beantworten die Fragen aber nicht.

Für Kiesewetter ist jedoch klar: Die Ukraine sollte so schnell wie möglich Mitglied der Europäischen Union werden, und auch die NATO-Mitgliedschaft müsse bald kommen. Und für den Westen gelte: "Frieden heißt: Frieden in Freiheit. Und das müssen wir für die Ukraine bewirken. Darum brauchen wir eine andere Strategie: Wir müssen alles verwenden, was völkerrechtlich zulässig ist."

Der französische Präsident Macron und die baltischen Staaten verlangten von Deutschland mehr Leistungen. "Dieses mehr verlangen heißt, dass wir sagen, es ist jetzt ein Krieg auf unserem Boden." Ab Januar nächsten Jahres dürfe man sich nicht mehr auf die amerikanische Unterstützung verlassen. Deutschland müsse umdenken, damit Russland eingedämmt werde. Das müsse auch die Bevölkerung verstehen.

Quelle: ntv.de

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