Der Kriegstag im Überblick Kiew: Kein Angebot aus Russland - Moskau stockt Truppen in Luhansk auf
19.11.2022, 20:26 Uhr
Ukrainische Scharfschützen in Cherson.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die Ukraine lehnt eine kurze Feuerpause ab. Diese würde Russland nur helfen, sagt Präsident Selenskyj. Derweil äußert sich einer seiner Generäle ausgesprochen optimistisch zum Kriegsverlauf. Weitere Hilfen stellt bei seiner ersten Visite in Kiew der britische Premier in Aussicht. Russland kündigt derweil mehrere Manöver in der Ostsee an. Der 269. Kriegstag im Überblick.
Kiew: "Kein russisches Angebot für Verhandlungen"
Russland hat ukrainischen Angaben zufolge bisher kein offizielles Angebot zu Friedensverhandlungen gegenüber Kiew gemacht. "Wir haben keinerlei offizielles Gesuch von der russischen Seite", sagte der ukrainische Präsidentenberater Andrij Jermak während einer Videoschalte auf dem Internationalen Sicherheitsforum im kanadischen Halifax. Bevor es zu Verhandlungen kommen könne, müsste Moskau ohnehin "alle russischen Truppen von ukrainischem Gebiet abziehen", fügte er hinzu. Präsidialamtschef Andrij Jermak erklärte bei Telegram: "Es wird Frieden geben, wenn wir die russische Armee in der Ukraine zerstören und die Grenzen von 1991 erreichen."
Selenskyj lehnt "kurze Waffenruhe" ab
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Idee einer "kurzen Waffenruhe" mit Russland zurückgewiesen und argumentiert, dass dies die Lage nur verschlimmern würde. "Russland möchte nun eine kurze Waffenruhe, eine Atempause, um wieder zu Kräften zu kommen", hieß es in einer Rede des Präsidenten, die beim Internationalen Sicherheitsforum übertragen wurde. Eine solche Atempause wäre nicht das Ende des Krieges, sondern würde alles nur noch schlimmer machen, sagte er. "Ein (...) echter, dauerhafter und ehrlicher Frieden kann nur durch die vollständige Zerstörung der russischen Aggression entstehen", sagte er weiter. Das Weiße Haus hatte zuvor erneut betont, dass allein der ukrainische Staatschef über eine Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland entscheiden könne und damit die Vermutung zurückgewiesen, die USA würden in dieser Hinsicht Druck auf Kiew ausüben.
Ukrainischer General: Krieg könnte bis Sommer enden
Der ukrainische Vizeverteidigungsminister ist optimistisch, dass die eigenen Truppen bis Ende Dezember schon auf der Krim sein und bis Mitte nächsten Jahres den Krieg im eigenen Land beenden könnten. "Mein Gefühl ist, dass dieser Krieg zum Frühlingsende vorbei ist", sagte General Wolodymyr Hawrylow dem britischen Fernsehsenders Sky News. Er halte es nicht für ausgeschlossen, dass das ukrainische Militär schon bis Ende des Jahres auf die Krim vorrücke. Russland hatte die Halbinsel bereits im Jahr 2014 annektiert. Aus militärischer Sicht könne sich der Krieg noch eine Weile hinziehen, räumte Hawrylow ein. Die ukrainische Armee brauche noch eine gewisse Zeit, um ihre volle Leistungsstärke zu erreichen.
Kiew: Russland erhöht Truppenzahl in Region Luhansk
Die russischen Streitkräfte erhöhen nach Angaben des ukrainischen Generalstabs ihre Truppenpräsenz im Gebiet Luhansk. Um die vielen Soldaten unterzubringen, werde ein Teil der Zivilbevölkerung zwangsumgesiedelt, erklärte der Generalstab. Die Menschen würden in anderen Orten untergebracht, hieß es. Die ostukrainische Region Luhansk grenzt an Russland.
Sunak sagt bei Kiew-Besuch weitere Hilfen zu
Großbritanniens Premier Rishi Sunak hat Kiew besucht. Angesichts des massiven Raketenbeschusses durch Russland will London die Ukraine stärker bei der Abwehr der Angriffe aus der Luft unterstützen. Sunak sagte weitere Hilfen von umgerechnet knapp 57,5 Millionen Euro zu, die Dutzende Geschütze zur Flugabwehr umfassen und zum Schutz der Bevölkerung und Infrastruktur beitragen sollen. "Wir sind den ganzen Weg bei euch", sagte er. Außerdem wollen die Briten ihr Ausbildungsangebot für die ukrainischen Streitkräfte stärken und Armeemediziner und -ingenieure zur Unterstützung schicken. Sunak wurde bei leichtem Schneefall vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Empfang genommen.
Schwerste Kämpfe im Osten
Das russische Verteidigungsministerium meldete die Abwehr aller ukrainischen Angriffsversuche im Gebiet Luhansk und eigene Angriffe im südlich davon gelegenen Gebiet Donezk in der Ostukraine. Gerade die Kämpfe im Gebiet Donezk haben zuletzt deutlich an Intensität zugenommen. Ein ukrainischer Soldat berichtete in sozialen Netzwerken von den bisher schwersten Kämpfen, seit er an die Front nahe der Kleinstadt Bachmut versetzt worden sei. Bachmut ist Teil des ukrainischen Verteidigungsriegels östlich des Ballungsraums zwischen Slowjansk und Kramatorsk. Seit Monaten versuchen Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe die Kleinstadt zu erstürmen, zuletzt wurden weitere russische Einheiten in die Region verlegt.
Polen trägt Opfer des Raketeneinschlags zu Grabe
Im kleinen ostpolnischen Dorf Przewodow, sechs Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, ist ein 62 Jahre alter Lagerverwalter - begleitet von militärischen Ehren - beigesetzt worden. Der Mann war am Dienstag beim Einschlag einer Rakete gestorben. Bilder des polnischen Fernsehens zeigten große Trauerkränze mit Schleifen in den Farben der polnischen und ukrainischen Flagge. Das Staatsbegräbnis für das zweite Todesopfer ist für Sonntag geplant. Der Westen geht zurzeit davon aus, dass es eine ukrainische Flugabwehrrakete war, die zur Verteidigung gegen Angriffe des russischen Militärs eingesetzt wurde und schließlich polnisches Staatsgebiet traf. Selenskyj geht weiterhin davon aus, dass eine russische Rakete Polen traf. Er schränkt aber ein, dass er nicht mit absoluter Sicherheit wisse, was passiert sei.
Russlands Ostseeflotte will Großmanöver im Winter starten
Die russische Ostseeflotte bereitet zahlreiche große Militärübungen vor. "In der Winterausbildungszeit ist auf den Übungsplätzen der Baltischen Flotte die Durchführung einiger Dutzend Großmanöver auf verschiedenen Ebenen geplant - unter Einbeziehung von Panzer- und motorisierten Schützeneinheiten, Luftabwehr-, Funk-, Artillerie- und Aufklärungstrupps sowie der Luftwaffe der Flotte", teilte der Pressedienst der Ostseeflotte der Nachrichtenagentur Interfax zufolge mit. Die Ostseeflotte liegt in der russischen Exklave Kaliningrad. Das Ausbildungsjahr beginnt in den Streitkräften am 1. Dezember. Zur Ostseeflotte gehört seit 2016 mit der Bildung des 11. Armeekorps auch eine größere Heereseinheit. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass dieses Korps mit einer zusätzlichen motorisierten Schützendivision verstärkt worden ist.
APEC verurteilt russischen Angriff mehrheitlich
In Bangkok verurteilten derweil die Mitgliedstaaten der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) "mehrheitlich" den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In einer gemeinsamen Abschlusserklärung des am Samstag endenden Apec-Gipfels kritisierten die meisten der 21 Mitglieder den Krieg und seine negativen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft "auf das Schärfste". Es habe jedoch auch "andere Ansichten und unterschiedliche Bewertungen" gegeben, hieß es. Zu den APEC-Mitgliedern zählen auch Russland und China, das sich bisher mit offener Kritik an Russland wegen des Ukraine-Kriegs zurückhält.
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Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP/rts