Gesprächsangebot "reine Fassade" Kim Jong Un greift USA in Rede scharf an
30.09.2021, 06:58 Uhr
Machthaber Kim wirft US-Präsident Biden Machtmissbrauch vor.
(Foto: picture alliance / YONHAPNEWS AGENCY)
Die angespannte Beziehung zwischen Nordkorea und dem Westen spitzt sich weiter zu. Erst sorgt Pjöngjangs mutmaßlicher Hyperschall-Raketentest für Besorgnis - nun attackiert Kim Jong Un die USA verbal. Dem verfeindeten Südkorea gegenüber zeigt sich der Machthaber hingegen weitaus offener.
Nach dem mutmaßlichen Test einer nordkoreanischen Hyperschall-Rakete hat sich der Tonfall zwischen der Führung in Pjöngjang und dem Westen deutlich verschärft. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un bezeichnete ein US-Gesprächsangebot laut Staatsmedienberichten als "reine Fassade". Damit wollten die Vereinigten Staaten ihre "Unehrlichkeit und ihr feindseliges Handeln" verschleiern, sagte Kim laut der Zeitung "Rodong Sinmun". Der UN-Sicherheitsrat kommt wegen der Lage in Nordkorea zu einer Dringlichkeitssitzug zusammen.
Auch nach der Amtsübernahme von US-Präsident Joe Biden habe sich nichts an der "militärischen Bedrohung" Nordkoreas durch die USA sowie deren "feindseliger Politik" gegenüber Pjöngjang geändert, sagte Kim laut "Rodong Sinmun" in einer Rede vor den Mitgliedern der Obersten Volksversammlung. Der "internationale Frieden und die internationale Stabilität" würden vom "Machtmissbrauch der USA und ihrer Anhänger" bedroht.
Seit Beginn von Bidens Präsidentschaft hat die Regierung in Washington immer wieder ihre Gesprächsbereitschaft gegenüber Pjöngjang hervorgehoben. Um ein Ende des nordkoreanischen Atomprogramms zu erreichen, seien Washington jederzeit bereit, Vertreter Pjöngjangs überall und ohne Vorbedingungen zu treffen, betonen US-Regierungsvertreter. Nordkorea wiederum hat keinerlei Bereitschaft gezeigt, sein Waffenarsenal aufzugeben.
Beziehung zu Südkorea verbessern
Zuletzt hatte Nordkorea das verfeindete Südkorea und westliche Staaten mit mehreren umstrittenen Raketentests provoziert. Machthaber Kim Jong Un warf dem Nachbarland in einer Rede vor dem Parlament in Pjöngjang am Mittwoch vor, sich "sklavisch" zu seinem Verbündeten USA zu verhalten und für den Stillstand in den innerkoreanischen Beziehungen verantwortlich zu sein. Es sei jedoch der Wunsch aller Koreaner, dass sich die Beziehungen wieder verbesserten. Nach wochenlanger Unterbrechung will Nordkorea die Kommunikationskanäle zu Südkorea deshalb nun wieder öffnen. Kim habe die Absicht geäußert, dass die Kommunikationslinien Anfang Oktober wiederhergestellt würden, berichteten die staatlich kontrollierten Medien.
Beide Staaten hatten die Kommunikationskanäle zwischen den Regierungen und den Militärs bereits Ende Juli wieder geöffnet, nachdem sie Nordkorea im vergangenen Jahr aufgrund neuer Spannungen einseitig gekappt hatte. Doch nach nur zwei Wochen hatte Nordkorea die Verbindung aus Protest gegen gemeinsame Militärübungen Südkoreas und der USA wieder eingestellt. Ob Kim mit der beabsichtigten Wiederherstellung den direkten Weg zum Dialog mit Seoul sucht, war zunächst unklar. Zuletzt hatte Pjöngjang unter bestimmten Bedingungen wieder Gespräche mit dem Nachbarn einschließlich eines neuen Gipfeltreffens in Aussicht gestellt. Der südkoreanischen Regierung warf Kim vor, eine "Konfrontationshaltung" einzunehmen. Das müsse sich ändern. "Wir haben weder das Ziel, noch einen Grund, Südkorea zu provozieren."
Nordkorea, das wegen seines Atomwaffenprogramms internationalen Sanktionen unterworfen ist, hatte in diesem Monat durch neue Raketentests für Unruhe gesorgt. Am Dienstag testete Pjöngjang nach eigenen Angaben eine Hyperschall-Rakete vom Typ Hwasong-8. Staatsmedien feierten den Raketentest als Schritt von "großer strategischer Bedeutung". Nordkorea wolle seine Verteidigungskapazitäten um ein "Tausendfaches" erweitern, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur KCNA.
Hyperschall-Rakete Teil von Kims Fünf-Jahres-Plan
Mit Hyperschall werden Geschwindigkeiten oberhalb der fünffachen Schallgeschwindigkeit bezeichnet. Hyperschall-Raketen sind zudem flexibler als gewöhnliche Raketen, was ihre Zerstörung durch Raketenabwehrsysteme stark erschwert. Laut KCNA gehörte die Entwicklung einer Hyperschall-Rakete zu den fünf "Top-Prioritäten" des Fünf-Jahres-Plans der Führung in Pjöngjang im Rüstungsbereich. Der mutmaßliche Hyperschall-Raketentest war international scharf verurteilt worden. An diesem Donnerstag kommt der UN-Sicherheitsrat wegen der Lage in Nordkorea zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Diplomatenkreisen erfuhr. Beantragt worden war das Treffen demnach von den USA, Großbritannien und Frankreich. Es soll hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Das international weitgehend isolierte Nordkorea steht wegen seines Atom- und Raketenprogramms unter strikten US- und UN-Sanktionen. In Südkorea sind rund 28.500 US-Soldaten stationiert, um das Land gegen die Bedrohung aus dem Norden zu schützen. Die Gespräche zwischen Nord- und Südkorea waren weitgehend zum Erliegen gekommen, seit ein Gipfeltreffen Kim Jong Uns mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump in Hanoi 2019 scheiterte.
Auch Seoul investiert Milliardenbeträge in die Waffenentwicklung. Kürzlich testete Seoul erstmals eine U-Boot-gestützte ballistische Rakete. Am Dienstag fand eine Zeremonie zur Inbetriebnahme eines U-Boots statt, das ballistische Raketen mitführen kann. Beobachter befürchten ein Rüstungswettrennen auf der koreanischen Halbinsel, das auch Auswirkungen auf Japan und China haben könnte.
Quelle: ntv.de, spl/dpa/AFP