Berichte über heutigen Rücktritt Klingbeil: Lambrecht hat "große Rückendeckung"
16.01.2023, 00:42 Uhr Artikel anhören
Zahlreiche Politiker werden als Nachfolger Lambrechts gehandelt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Klingbeil äußert sich als erster führender SPD-Politiker zu Medienberichten, wonach Verteidigungsministerin Lambrecht am heutigen Montag zurücktreten soll. Dabei hält er sich bedeckt. Derweil kreisen Spekulationen um die mögliche Nachfolge, an die große Erwartungen gestellt werden.
Nach den Berichten über einen bevorstehenden Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wird mit Spannung erwartet, ob die Ministerin oder die Regierung Klarheit schaffen. Die Sozialdemokratin hat sich bislang nicht zu den Berichten geäußert - auch Kanzler Olaf Scholz und die SPD hielten sich am Wochenende bedeckt. "Ich kommentiere Zeitungsartikel nicht", sagte Parteichef Lars Klingbeil am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".
Man könne aber im Grundsatz von einer Sache ausgehen, fügte Klingbeil hinzu: "Das, was wir als SPD zu entscheiden haben, das entscheiden wir geschlossen - mit dem Bundeskanzler zusammen, mit der Parteiführung, mit dem Fraktionsvorsitzenden. Und wir verkünden Dinge dann, wenn sie zu verkünden sind." Lambrecht habe "große Rückendeckung", sagte Klingbeil. Er selbst war der erste führende SPD-Politiker, der sich seit den ersten Rücktrittsmeldungen am Freitagabend überhaupt zu der Verteidigungsministerin äußerte. Der SPD-Chef wird als möglicher Nachfolger Lambrechts gehandelt.
Unterdessen gibt es bereits eine breite Debatte über die mögliche Nachfolge für den Posten, der wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nochmals an Bedeutung gewonnen hat. Die Union pochte erneut auf eine schnelle Klärung durch Scholz. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul sagte der "Welt": "Deutschland kann sich angesichts der aktuellen Lage keine Bundesverteidigungsministerin auf Abruf leisten. Der Kanzler muss dieses Thema jetzt sehr schnell klären." Es könne nicht mehr "um den Verbleib von Frau Lambrecht im Amt gehen, sondern nur noch um ihre Nachfolge".
Am Freitagabend hatten mehrere Medien übereinstimmend berichtet, Lambrecht stehe vor einem Rückzug von ihrem Ministerposten. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür bislang nicht - aber auch kein Dementi. Fragen von Journalisten nach den Berichten über Lambrechts Rücktritt wurden von Kanzler Scholz am Samstag bei der Eröffnung eines Flüssiggas-Terminals in Lubmin an der Ostsee geflissentlich überhört.
Wenn es um Lambrechts Nachfolge geht, wird neben Klingbeil auch über die Ernennung der bisherigen Wehrbeauftragten Eva Högl, die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller, und den bisherigen Arbeitsminister Hubertus Heil spekuliert. Die ARD nannte auch Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt als möglichen Nachfolger und berichtete, es sei unklar, ob bei der für den Vormittag erwarteten Rücktrittserklärung bereits die Nachfolge bekannt gegeben werde.
Forderungen nach hochkarätiger Nachfolge
Die SPD besetzt in ihrer Koalition mit Grünen und FDP die Spitze des Verteidigungsressorts. Am 20. Januar treffen sich die westlichen Verbündeten im sogenannten Ramstein-Format, um über weitere Waffenlieferungen für die Ukraine zu beraten. Dabei wird es für Kanzler Olaf Scholz um weitere schwierige Fragen gehen, nämlich ob Deutschland "Leopard 2"-Panzer liefern wird oder anderen Staaten die Erlaubnis gibt, dass diese "Leopard"-Panzer an die Ukraine übergeben.
Für den Fall eines Rücktritts der Verteidigungsministerin fordert der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels eine hochkarätige Nachfolge. "Die Verteidigungspolitik ist für Deutschland inzwischen existenziell geworden; das ist kein politisches Nebenthema mehr", sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Daran sollte sich die Entscheidung über die Nachfolge ausrichten. Der Kanzler braucht jemanden mit großem politischem Kampfgewicht."
Als weitere Anforderungen nannte er unter anderem Organisationserfahrung, und: "Ein bisschen Liebe zur Bundeswehr gehört ebenfalls dazu." Der einstige Bundeswehr-Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach sagte dem RND: "Es müsste ein politisches Schwergewicht sein. Worauf es nicht ankommt, ist das Geschlecht." Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, forderte in der "Bild"-Zeitung eine Person, die "über Parteigrenzen hinweg vermittelbar" ist und "das große Ganze" versteht.
Außerdem sollte der oder die Neue "integrieren können, kaltstartfähig, sachkundig, reformwillig und durchsetzungsfähig sein". Wüstner fügte hinzu: "Niemand erwartet, dass in den ersten Wochen gezaubert wird, aber eine Botschaft des Aufbruchs wäre wichtiger denn je."
Am Donnerstag wird US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Berlin erwartet. Für Freitag sind auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz Gespräche der Verteidigungsminister westlicher Staaten über weitere Militärhilfe für die Ukraine angesetzt. Lambrecht steht seit Monaten in der Kritik, die oppositionelle Union forderte wiederholt ihren Rücktritt. Kritiker warfen ihr etwa die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr und fehlende Sachkenntnis vor, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit wurde immer wieder bemängelt. Negativschlagzeilen machte ein Foto ihres Sohnes auf Mitreise in einem Bundeswehrhubschrauber. Jüngst sorgte Lambrecht für Irritationen mit einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk über den Ukraine-Krieg sprach.
Quelle: ntv.de, lve/rts/dpa