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Viele Krankenhäuser vor dem Aus Klinikvertreter nennen Lage "so dramatisch wie noch nie"

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Ärzte und Pfleger würden inzwischen im Schnitt täglich drei Stunden mit Bürokratie verbringen, klagt Krankenhausvertreter Gaß.

Ärzte und Pfleger würden inzwischen im Schnitt täglich drei Stunden mit Bürokratie verbringen, klagt Krankenhausvertreter Gaß.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Personaleinsparungen, geschlossene Abteilungen und Standorte: Klinikvertreter beklagen katastrophale Folgen der Gesundheitsreform für Patienten und Krankenhäuser. Allein das Deutsche Rote Kreuz listet zahlreiche Insolvenzen auf.

Zunehmende Verluste und eine erhebliche Zunahme der Bürokratieauflagen lassen die deutschen Kliniken nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) immer tiefer in die Krise stürzen. "Die Lage der deutschen Krankenhäuser ist so dramatisch wie noch nie", sagte DKG-Chef Gerald Gaß der "Augsburger Allgemeinen". "Abteilungen werden geschlossen, Personal wird eingespart, Standorte werden aufgegeben, bevor sie in die Insolvenz geraten."

"Die Konsequenzen bekommen leider auch die Patientinnen und Patienten zu spüren", fuhr Gaß fort. "Gerade die kleineren Häuser in ländlichen Regionen unter 300 Betten bewerten ihre Lage besonders pessimistisch." Das gesamte Defizit der Kliniken hat laut Berechnungen der DKG in diesen Tagen die Marke von 14 Milliarden Euro überschritten. "Inzwischen stecken laut dem Deutschen Krankenhausinstitut rund 80 Prozent der Krankenhäuser in den roten Zahlen", sagte Organisationschef Gaß.

Er machte vor allem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD für die sich verschärfende Krise verantwortlich. Die Kliniken würden mit der Kostenexplosion der Inflation allein gelassen und müssten nun um ihr reines finanzielles Überleben kämpfen. Zugleich verschärfe die Politik die Krise der Kliniken mit immer neuen bürokratischen Auflagen, kritisierte der Verbandschef. "Die Bürokratie allein im ärztlichen Bereich kostet Deutschland so viel wie 60.000 volle Klinikarztstellen", sagte Gaß.

Sowohl das ärztliche als auch das pflegerische Personal verbringe inzwischen im Schnitt jeden Tag drei Stunden seiner Arbeitszeit mit bürokratischen Vorgaben. "Mit nur einer Stunde weniger Dokumentationsaufgaben, hätten wir bundesweit über 20.000 Ärzte und fast 50.000 Pflegekräfte mehr, die sich um Patienten kümmern könnten", rechnete Gaß vor. "Das wäre ein großer Beitrag zur Lösung unseres Fachkräftemangels." Die Kliniken hoffen laut Gaß nach der Wahl auf eine Korrektur der Krankenhausreform und einen Wechsel in der Gesundheitspolitik. "Es klingt vielleicht abgedroschen, aber wir brauchen wirklich dringendst Entbürokratisierung", sagte der DKG-Chef weiter.

Viele DRK-Krankenhäuser insolvent

Wie schwierig die Lage der Krankenhäuser ist, machte auch die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, klar. Wie sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" mitteilte, ist fast jedes sechste Krankenhaus in Trägerschaft des DRK insolvent. Davon sind fünf Standorte in Rheinland-Pfalz und einer in Hessen betroffen. 38 Krankenhäuser betreibt das DRK demnach insgesamt. "Auch bei anderen Einrichtungen ist die finanzielle Lage sehr schwierig", sagte Hasselfeldt weiter.

In Bayern und Baden-Württemberg hätten im vergangenen Jahr jeweils ein Krankenhaus schließen müssen, fuhr die DRK-Präsidentin fort. Sie kritisierte, dass es bei der Krankenhausreform keine ausreichende finanzielle Übergangsregelung gegeben habe. "Nicht einmal Kostensteigerungen aus der Inflation werden abgedeckt", sagte Hasselfeldt. Sie befürchte, dass in den kommenden Jahren noch viele weitere Krankenhäuser von freien gemeinnützigen Trägern wie dem DRK in die Zahlungsunfähigkeit rutschen werden.

"Ausgerechnet den Häusern, die strikt gemeinwohlorientiert sind, droht als Erstes das Aus", führte Hasselfeldt weiter aus. Denn die freien Träger müssten Überschüsse direkt wieder einsetzen und könnten nur begrenzt Rücklagen bilden. Privat und kommunal geführte Häuser hätten da mehr Sicherheit, sagte sie.

Die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach war vergangenes Jahr beschlossen worden. Sie sieht unter anderem eine stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser und eine teilweise Abkehr von der Finanzierung über Fallpauschalen vor. Lauterbach will damit die Behandlungsqualität in den Kliniken verbessern und ein unkontrolliertes Krankenhaussterben wegen finanzieller Probleme verhindern. Die Reform nimmt allerdings bewusst in Kauf, dass es künftig weniger Krankenhäuser gibt und Patienten teilweise längere Wege zur Klinik zurücklegen müssen.

Quelle: ntv.de, ghö/AFP

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