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Slogans bei Protesten verwendet Kreml plante offenbar Querfront aus AfD und Wagenknecht-Lager

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Am 25. Februar, ein Jahr und einen Tag nach dem Beginn der russischen Invasion der Ukraine, demonstrierten Wagenknecht und Schwarzer in Berlin.

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

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Der Kreml sehe Deutschland als Schlüssel, um die Unterstützung der Ukraine in der westlichen Allianz zu brechen, heißt es laut einem Bericht in russischen Dokumenten. Demnach wollte Moskau eine Querfront zwischen AfD und dem Lager um Sahra Wagenknecht unterstützen. Die Protagonisten wollen davon nichts wissen.

Der Kreml unterstützt in Deutschland offenbar die Bildung einer Querfront aus der AfD und dem parteiintern umstrittenen Lager um die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Das gehe aus vertraulichen russischen Dokumenten vor, berichtete die "Washington Post". Demnach versuche der Kreml, Demonstrationen der deutschen Friedensbewegung gegen den Kurs der Bundesregierung im Ukraine-Krieg zu verstärken.

Die "Washington Post" konnte eigenen Angaben zufolge Dokumente einsehen, die zwischen Juli und November entstanden und sich in Besitz eines europäischen Nachrichtendienstes befinden. Details der Berichte seien von Vertretern westlicher Regierungen bestätigt worden. Zu den Autorinnen des Textes in der US-Zeitung gehört die Journalistin Catherine Belton, die nach Einschätzung des "Tagesspiegel" als eine der besten Kennerinnen der Kreml-Elite gilt.

In den Dokumenten wird von Treffen zwischen Kreml-Vertretern und russischen Politstrategen berichtet. Auch die Versuche, die Pläne umzusetzen, werden darin dokumentiert. Belege für direkte Kontakte zwischen russischen Vertretern und Mitgliedern der AfD oder der Linkspartei gibt es laut den Recherchen des US-Mediums allerdings nicht. Wagenknecht dementierte gegenüber der "Washington Post" jeglichen Kontakt mit russischen Vertretern.

Westliche Bündnisse schlechtreden

Sergej Kirijenko, erster stellvertretender Chef der Präsidialverwaltung, hat dem Bericht zufolge am 13. Juli 2022 die Gruppe versammelt und ihr mitgeteilt, Deutschland solle der "Fokus" von Bemühungen werden, die Unterstützung für die Ukraine innerhalb Europas zu untergraben. Der Plan sei, die EU, die USA, Großbritannien und die NATO zu diskreditieren. Zudem sollte das Narrativ weiter verbreitet werden, die Sanktionen gegen Russland schadeten den Deutschen.

Dass Kirijenko das Planungsgespräch führte, zeigt laut "Washington Post", welche Bedeutung der Kreml dem Vorhaben beimisst. Dabei habe es sich nicht nur um die Sammlung von Ideen gehandelt, Kirijenko soll konkrete Zielvorgaben ausgegeben haben. Das Ansehen Russlands sollte in der deutschen Bevölkerung binnen relativ kurzer Zeit spürbar aufpoliert werden. Kirijenko wollte demnach, dass der Anteil der Deutschen, die das Verhältnis zu Russland verbessern wollen, um zehn Prozent gesteigert sehen, und zwar binnen drei Monaten.

Vermeintliche Partner für dieses Vorhaben machte der Kreml in der AfD und dem Lager um die einstige Fraktionsvorsitzende Wagenknecht aus. Von dort sind seit langer Zeit prorussische Argumente zu hören. Nach Plänen des Kremls hätte eine gemeinsame politische Kraft der jeweils am Rand des politischen Spektrums stehenden Gruppen die Chance, bei Wahlen Mehrheiten zu gewinnen.

Wagenknecht sagte der "Washington Post", dass es keine Kooperation mit der AfD geben werde. Die AfD-Führung reagierte auf die Anfrage gar nicht. Auch von russischer Seite gab es ein Dementi: Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, wies den Vorwurf der versuchten Einflussnahme auf die deutsche Politik zurück: "Wir haben uns niemals eingemischt und haben jetzt wirklich keine Zeit dafür."

Höcke ruft Wagenknecht zu AfD-Beitritt auf

In der Vergangenheit kamen aus der AfD und dem neurechten Spektrum mehrfach lobende Worte für Wagenknecht. So warb Jürgen Elsässer, Chef des rechten "Compact"-Magazins, für die Linken-Politikerin, erklärte sie gar auf dem Cover seiner Zeitschrift zur potenziell "besten Kanzlerin". Auf Demonstrationen gegen hohe Energiepreise und die deutsche Russlandpolitik forderte er die Menge zu "Sahra, Sahra"-Rufen auf. Der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke hatte sie eingeladen, in seine Partei zu wechseln.

Wagenknecht denkt allerdings seit Monaten öffentlich über die Gründung einer eigenen, neuen Partei nach. Bereits vor einigen Jahren unternahm sie mit der von ihr initiierten "Aufstehen"-Bewegung einen Versuch in diese Richtung. Trotz hoher medialer Aufmerksamkeit und Tausender Unterschriften unter das Manifest scheiterte der Versuch letztlich sehr deutlich.

Die Politstrategen im Kreml hätten bereits Slogans für die sozialen Medien oder Protestkundgebungen vorbereitet, schreibt die "Washington Post". Einmal im Monat hätten sie dem Kreml über ihre Fortschritte berichten sollen. Die Reichweite in sozialen Medien sei dabei ein wichtiges Kriterium gewesen. Die Beteiligten trugen auch Informationen über geplante Demonstrationen in Deutschland zusammen.

Die Planspiele wurden womöglich bereits in die Tat umgesetzt: Bei Kundgebungen in Leipzig und Neustrelitz etwa seien Slogans verwendet worden, die von den Strategen des Kreml entworfen wurden, berichtete die "Washington Post". Darunter waren Forderungen nach einer Aufhebung der Sanktionen oder einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2. AfD und Linkspartei hatten ihrerseits stets für eine Inbetriebnahme der Pipeline geworben.

Eine von Wagenknecht und der Feministin Alice Schwarzer organisierte Demonstration im Februar war scharf kritisiert worden: Die Veranstalter hätten sich im Vorfeld nicht deutlich genug von der AfD abgegrenzt und die Verantwortung Russlands für die Invasion der Ukraine nicht ausreichend betont, hieß es vielfach.

Wagenknechts Ex-Mann als "Exil-Kanzler" in Russland

Eine Bestätigung, dass der Kreml ein Bündnis zwischen Wagenknecht und der AfD wollte, erhielt die "Washington Post" von ungewöhnlicher Seite: Wagenknechts Ex-Mann Ralph Niemeyer, der mit ihr von 1997 bis 2013 verheiratet war, soll im vergangenen Jahr nach Russland gereist sein, um dort als selbsterklärter "Exil-Kanzler" zu verhandeln. Tatsächlich gibt es in sozialen Medien zahlreiche Fotos und Videoclips von ihm aus Moskau. So traf er sich etwa auch mit der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Auch mit Putins Sprecher Peskow soll er über dessen Interesse an einem Bündnis von Wagenknecht und der AfD gesprochen haben.

Bereits im Zusammenhang mit den sogenannten Montagsmahnwachen für den Frieden, die 2015 im Zusammenhang mit der Ankunft hunderttausender Flüchtlinge vor allem in Berlin für Aufsehen sorgten, gab es Vorwürfe, dort solle eine Querfront aus links und rechts geschmiedet werden. Zahlreiche Narrative, die aktuell auf Protestveranstaltungen zu hören sind, etwa gegen die USA oder die NATO, und für mehr Verständnis und Zusammenarbeit mit Russland, waren bereits damals zu hören. Einige Protagonisten traten damals wie heute im Zusammenhang mit solchen Kundgebungen auf.

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AfD-Chef Tino Chrupalla weist den Bericht der "Washington Post" zurück. Von derartigen angeblichen Plänen habe er "noch nie etwas gehört", sagte Chrupalla dem Portal t-online. Er sprach von einer "Räuberpistole, die der Diskreditierung der Friedensbewegung dient".

Tobias Bank, Bundesgeschäftsführer der Linken, reagierte ganz ähnlich. "Ich kann mir vorstellen, dass Präsident Putin es gerne sähe, wenn Rechte und Linke gemeinsam für ihn Propaganda machten", sagte Bank den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das wird aber sein Wunschtraum bleiben." Die Linke habe seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine immer in aller Schärfe verurteilt. "Und wir haben immer gesagt, dass 'Nie wieder Krieg' und 'Nie wieder Faschismus' für uns zusammengehören." Sahra Wagenknecht habe zudem eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen. "Insofern sind alle Spekulationen, die die Washington Post anstellt, nichts weiter als das: Spekulationen, an denen ich mich nicht beteiligen möchte", erklärte Bank.

Quelle: ntv.de, als/AFP

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