Gefährliches Gedenken Kriegsgegner erinnern in Moskau an Stalin-Opfer
29.10.2023, 17:46 Uhr Artikel anhören
Oleg Orlow von der Menschenrechtsorganisation Memorial gedenkt der Opfer staatlicher Repressionen.
(Foto: REUTERS)
Seit dem Krieg gegen die Ukraine geht der Kreml immer repressiver mit Kritikern um. Dennoch wagen sich in Moskau Menschenrechtler zum Lubjanka-Platz, um am einstigen KGB-Sitz der Opfer Stalins zu gedenken. Kriegsgegner Orlow sieht in Russland auch jetzt "ein totalitäres Regime".
Trotz enormer Einschränkungen durch die Behörden haben in mehreren russischen Städten Menschen der Opfer politischer Repressionen zu Sowjetzeiten gedacht. Mit Blick auf den offiziellen Gedenktag am 30. Oktober legten etwa am Lubjanka-Platz im Zentrum von Moskau bereits an diesem Sonntag unter anderem mehrere Botschafter westlicher Staaten Blumen ab. Auch prominente russische Menschenrechtler waren anwesend, darunter die Mitbegründerin sowie der Vorsitzende der mittlerweile von der russischen Justiz verbotenen Organisation Memorial, Swetlana Gannuschkina und Oleg Orlow. Die Menschen wurden von der Polizei jedoch nur vereinzelt zum so genannten Solowezki-Stein durchgelassen, der mit Gittern abgesperrt war.
Der Stein dient in Moskau als Mahnmal für die Millionen Menschen, die insbesondere unter Sowjetdiktator Josef Stalin von 1924 bis 1953 ums Leben kamen. Noch bis vor wenigen Jahren hatten Menschenrechtler an dem Ort immer am 29. Oktober zu größeren Aktionen aufgerufen und unter dem Motto "Rückgabe der Namen" traditionell Namen der Opfer vorgelesen, von denen viele in den 1930er Jahren erschossen wurden.
Aktuell sind solche Aktionen verboten - offiziell begründen die russischen Behörden das mit angeblichen Anti-Covid-Maßnahmen. Da es in Russland aber schon lange so gut wie keine Corona-Einschränkungen mehr gibt, werten Kremlkritiker das als reine Schikane in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
"Idiotische Absurdität"
"Das ist eine idiotische Absurdität", sagte Menschenrechtler und Kriegsgegner Orlow vor Ort an der Lubjanka, wo zu Sowjetzeiten der gefürchtete Geheimdienst KGB seinen Sitz hatte und heute der Nachfolger FSB untergebracht ist. "Es zeigt, dass das Regime, das sich jetzt wieder in Russland entwickelt hat, ein totalitäres Regime ist, das keinerlei Andersdenken duldet", fügte der 70-Jährige hinzu, der erst kürzlich wegen seiner Kriegskritik zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.
Insbesondere seit Kriegsbeginn gegen die Ukraine hat Russland auch im eigenen Land den Druck gegen Kritiker und Andersdenkende massiv verstärkt. Für die "Diskreditierung" der eigenen Armee etwa drohen mittlerweile viele Jahre Straflagerhaft.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa