Politik

Warnt vor 500 Covid-Toten am Tag Kritik an Lauterbachs Toten-Prognose wird lauter

"Ich warne davor, dass wir zu früh zu öffnen", betonte Lauterbach.

"Ich warne davor, dass wir zu früh zu öffnen", betonte Lauterbach.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Die Hoffnung auf sofortige Lockerungen dämpft Bundesgesundheitsminister Lauterbach mit der Warnung, dass Deutschland in diesem Fall mit einem starken Anstieg der Sterbezahl rechnen müsse. Politiker und Virologen halten ihm jedoch entgegen, dass er mit solchen Zukunftsszenarien Angst schüre.

Mit seiner Prognose, Deutschland habe bei verfrühten Lockerungen der Pandemie-Maßnahmen bis zu 500 Corona-Tote pro Tag zu befürchten, stößt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf Kritik. Mehrere Politiker wie auch einige Virologen plädieren für ein zeitnahes Ende der Restriktionen. Stärkstes Argument ist dabei die Tatsache, dass den Kliniken nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, keine Überlastung mehr droht. Andere Mediziner mahnen hingegen zur Vorsicht, da sich das Infektionsgeschehen durch die Omikron-Variante anders entwickeln könnte als bei vorangegangenen Corona-Wellen.

Lauterbach hatte am Dienstagabend im ZDF-"heute journal" mit Hinweis auf Öffnungsschritte auf dem Höhepunkt der Omikron-Welle wie in Israel gewarnt, in Deutschland käme man dann auf 400 bis 500 Tote täglich statt 100 bis 150 derzeit. Die Vorgehensweise Israels sei "sehr risikant" und für Deutschland kein Vorbild. "Ich warne davor, dass wir zu früh zu öffnen", betonte der Minister. Am kommenden Mittwoch wollen Bund und Länder über das weitere Vorgehen zur Eindämmung der Pandemie beraten. Die Gespräche werden sich um den 19. März als ein entscheidendes Datum drehen. An diesem Tag laufen die gesetzlichen Grundlagen für die aktuellen Schutzmaßnahmen aus, falls der Bundestag sie nicht verlängert.

Hamburgs CDU-Vorsitzender Christoph Ploß forderte Lauterbach dazu auf, unverzüglich einen Öffnungsplan in Aussicht stellen. Es drohe "keine Überlastung des Gesundheitssystems", sagte Ploß der "Bild"-Zeitung. Sollte Lauterbach dennoch an Restriktionen festhalten, drohe er zum "Angstminister zu werden", so Ploß. Einen ähnlichen Eindruck vermittelt Lauterbach offenbar dem Medizinjournalisten und Arzt Christoph Specht. "Ich denke, man muss Herrn Lauterbach zur Seite springen und helfen, diese Angst zu verlieren", sagte Specht im Interview mit ntv.

Lauterbach verteidigt sich mit Modell des RKIs

Specht erkennt eine Chance darin, dass sich doppelt Geimpfte mit der Omikron-Variante ansteckten, da dies zu einer verbesserten Immunität gegen das Virus führe und meist milde Krankheitsverläufe zu erwarten seien. "Diese Infektionszahlen, die wir jetzt sehen, könnten so etwas sein wie notwendige Impfungen oder Boosterungen", so Specht weiter. Deswegen ist er der Überzeugung, dass es einen großen Spielraum für Lockerungen gibt. Lauterbachs Warnung vor einem Anstieg der Sterbezahlen hält Specht in der aktuellen Situation nicht für zielführend: "Ich habe den Eindruck, dass sich die Politik, namentlich Herr Lauterbach, doch ein bisschen verrannt hat." Auch Ethikratsmitglied Stephan Rixen warf dem Gesundheitsminster vor, "Bedrohungsszenarien ins Blaue hinein" zu malen.

Lauterbach wies die Kritik zurück, indem er auf ein Modell des Robert-Koch-Instituts verwies, mit dem sich unterschiedliche Inzidenzen unterstellen ließen. "Und diese Inzidenzen führen dann zu entsprechenden Sterbezahlen pro Tag", erklärte Lauterbach. Wenn man die Zahlen von Israel auf Deutschland übertrage, kämen eben entsprechend hohe Zahlen dabei raus. "Das ist dann traurigerweise so, weil wir so viele ältere Ungeimpfte haben", sagte Lauterbach. Anschließend bekräftigte er seine Warnung vor zu schnellen Lockerungen, obwohl das Gesundheitssystem momentan nicht an seine Grenzen stößt. "Wir haben nach wie vor steigende Fallzahlen", betonte er.

Die Überzeugung, dass in der momentanen Situation noch Vorsicht geboten ist, teilt Peter M. Kern, Leiter der Klinik für Immunologie am Klinikum Fulda. "Generelle Lösungen, also alle Maßnahmen überall beibehalten oder überall aufheben, sind in dieser Phase der Pandemie nicht mehr richtig", sagte Kern im Interview mit ntv. Schrittweise Lockerungen könne er sich hingegen sofort vorstellen. So könnten beispielsweise Schutzmaßnahmen in Pflegeheimen aufrecht erhalten werden, 2G im Einzelhandel oder in der Kultur könnten hingegen abgeschafft werden. Zudem sollte die Maskenpflicht bestehen bleiben.

Kern empfiehlt, sowohl das Infektionsgeschehen als auch die Lage auf den Intensivstationen weiter zu beobachten, bevor tiefgreifende Entscheidungen gefällt werden: "In den vorherigen Wellen haben wir gelernt, dass es vom Ausbruch der Symptome bis zu einer schweren Erkrankung und der folgenden Intensivpflichtigkeit in der Regel drei bis vier Wochen dauert. Bei Omikron würde ich gerne noch etwas Zeit dazu geben und fünf bis sechs Wochen betrachten." Zum einen handle es sich um eine neue Variante, zum anderen sei der Immunitätsgrad der Bevölkerung verändert, da es viele Geimpfte und Genesene gebe. Aus diesem Grund könne es sein, dass es bis zum Ausbruch einer schweren Erkrankung länger dauert, "weil der Körper sich länger gegen den Erreger wehren kann, bevor er aufgibt und Hilfe braucht".

Quelle: ntv.de, lve/AFP/dpa

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