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Zerstörung von Kachowka-Staudamm Lässt Moskau die Krim verdursten?

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2014: Kein Wasser fließt durch den Nord-Krim-Kanal. Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms kann es nun wieder zur Wasserknappheit auf der von Russland annektierten Halbinsel kommen.

2014: Kein Wasser fließt durch den Nord-Krim-Kanal. Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms kann es nun wieder zur Wasserknappheit auf der von Russland annektierten Halbinsel kommen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine werde die von Russland annektierte Krim von der Wasserversorgung abschneiden, warnt die Ukraine. Auch die Besatzerverwaltung der Halbinsel spricht von möglichen Problemen. Hat sich Russland also selbst ins Knie geschossen?

Dutzende Orte in der Region Cherson im Süden der Ukraine stehen nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms unter Wasser. Während die gewaltigen Wassermassen die Gebiete westlich der Anlage überfluten, verschwindet gleichzeitig der in den 1950er Jahren durch den Damm gebildete Stausee flussaufwärts von der Landkarte. Das dürfte katastrophale Folgen auch außerhalb des Überflutungsgebiets haben. Denn der Kachowka-Stausee versorgte die gesamte Region über zahlreiche Kanäle mit Wasser - die von Russland annektierte Krim inklusive.

Die ukrainische Regierung warf Russland vor, die "größte menschengemachte Katastrophe seit Jahrzehnten" verursacht zu haben, und sie warnte davor, dass die Bevölkerung der 2014 von Moskau völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel dadurch unter Trinkwassermangel leiden werde. Der von Russland ernannte Leiter der "Verwaltung" des annektierten Nowa Nachowka, Wladimir Leontjew, sprach ebenfalls von möglichen Problemen mit der Wasserversorgung der Krim. Der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Krim, Sergej Aksjonow, sagte zwar, die Halbinsel habe "derzeit mehr als genug Trinkwasser", räumte aber gleichzeitig ein, dass der Nord-Krim-Kanal infolge der Zerstörung des Wasserkraftwerks bereits auszutrocknen begonnen habe. Hat Russland sich also selbst ins Knie geschossen?

"Die Krim lebt seit acht Jahren ohne das Dnipro-Wasser"

Der ukrainische Politologe Vadym Denysenko ist sich da nicht so sicher. "Diejenigen, die jetzt sagen, dass es auf der Krim kein Wasser geben wird, irren sich", schreibt Denysenko, der auch Abgeordneter des ukrainischen Parlaments ist, auf Facebook. "Die Reservoirs auf der Krim sind voll, und für ein paar Monate wird das Thema überhaupt nicht mehr relevant sein", bestätigte er im Grunde die Angaben des Besatzungsgouverneurs Aksjonow. "Die Krim lebt schließlich schon seit acht Jahren ohne das Dnipro-Wasser", ergänzte er.

Das ist in der Tat so. Vor der Annexion hatte der Nord-Krim-Kanal, der den Kachowka-Stausee mit der Halbinsel verbindet, 85 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs der Krim abgedeckt. Als Reaktion auf die russische Annexion 2014 riegelte die Ukraine den Kanal ab. Acht Jahre lang, bis zum Beginn des großangelegten Krieges, musste die Krim auf das Wasser aus dem Dnipro verzichten. Im Februar 2022, wenige Tage nach der russischen Invasion, besetzten die Kreml-Truppen den Kachowka-Staudamm und stellten die Wasserzufuhr wieder her.

Bewässerte Landwirtschaftsflächen gingen um das Zehnfache zurück

In den acht Jahren ohne das Dnirpo-Wasser waren die Halbinsel-Bewohner zu extremen Sparmaßnahmen gezwungen. Die russische Regierung hatte zwar einen Wasserversorgungsplan mit einem Finanzierungsumfang von mehr als 550 Millionen Euro erstellt. Es sollten Trinkwasserbrunnen gebohrt, Wasserleitungen repariert und Anlagen zur Entsalzung von Meerwasser errichtet werden. Und dennoch reichten die Maßnahmen nicht aus: Um die Bevölkerung der Halbinsel zumindest stundenweise mit fließendem Wasser zu versorgen, musste die Regierung massiv auf Landwirtschaftsflächen verzichten. Wurden vor der Annexion noch 130.000 bis 140.000 Hektar Land bewässert, gingen diese Flächen innerhalb von acht Jahren um mehr als das Zehnfache zurück. Die bewässerten Agrarflächen auf der Halbinsel umfassten in den ersten acht Jahren seit der Annexion lediglich 11.000 bis 13.000 Hektar.

Bemerkenswert ist, dass die Wiederherstellung der Wasserversorgung im Zuge der Besetzung des Kachowka-Staudamms bislang nicht zu einem Zuwachs der bewässerten Flächen führte. Ende November 2022, als der Nord-Krim-Kanal bereits wieder in russischer Hand lag, wurden nach russischen Angaben nur 11.500 Hektar bewässert - genauso viel wie im Vorjahr, als der Kanal noch kein Wasser führte.

Russland verliert eine der wenigen Errungenschaften des Kriegs

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Gleichzeitig kam es seit der Öffnung des Kanals im Februar 2022 aber seltener zur Unterbrechung der Versorgung von privaten Haushalten mit Wasser. Sollte der Stausee Kachowka austrocknen und der Nord-Krim-Kanal kein Wasser mehr führen, müssten die Krim-Bewohner also wieder damit rechnen, fließendes Wasser nur für wenige Stunden täglich zur Verfügung zu haben. Dass die Versorgung komplett kollabiert, ist aber in Anbetracht der Erfahrungen der ersten acht Jahre seit der Annexion unwahrscheinlich. Es würde lediglich heißen, dass die Wasserversorgungslage auf der Halbinsel dieselbe sein wird wie vor Beginn des großangelegten Kriegs.

Durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms verliert Russland also eine der wenigen Errungenschaften, die es seit Beginn des Überfalls verzeichnen konnte. Die Ukraine sieht darin ein Zeichen der Schwäche der russischen Armee. Dass Russland mit der Zerstörung des Staudamms die Krim von der Wasserversorgung abschneide, deutetet laut Präsident Wolodymyr Selenskyj darauf hin, dass Moskau sich bereits darauf eingestellt habe, die Halbinsel zu verlieren.

Quelle: ntv.de

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