Politik

Debatte um Corona-Impfpflicht Lauterbach: Ungeimpfte nehmen "das ganze Land in Geiselhaft"

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnt vor einer neuen Corona-Welle im Herbst.

(Foto: picture alliance/dpa)

Angesichts des Ukraine-Krieges ist es im Streit um die allgemeine Impfpflicht zuletzt ruhig geworden. Heute steht das unliebsame Thema jedoch wieder auf der Tagesordnung. Eine einheitliche Linie des Bundestages ist dabei nach wie vor nicht zu erkennen.

Der Bundestag hat mit den Beratungen der Gesetzentwürfe zu einer allgemeinen Impfpflicht begonnen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warb eindringlich zum Auftakt der Debatte für den von über 200 Abgeordneten mitgetragenen Entwurf für eine allgemeine Impfpflicht ab 18. "Wir können die Pandemie zum ersten Mal für Deutschland beenden mit der Impfpflicht", sagte der SPD-Politiker. "Lassen Sie uns doch diese Gelegenheit ergreifen." Wenn es gelinge, bei den Menschen ab 60 eine Impfquote von über 90 Prozent zu erreichen, müssen wir vor Einschränkungen im Herbst nicht Angst haben", betonte der Gesundheitsminister.

Es gehe darum, schwere Erkrankungen und den Tod zu verhindern, sagte Lauterbach weiter. "Dafür haben wir doch die Impfstoffe." Er fügte mit Blick auf die nach wie vor hohen Infektionsraten hinzu: "Die Ungeimpften tragen derzeit die Verantwortung dafür, dass wir nicht weiterkommen." Ohne eine allgemeine Impfpflicht würde "erneut das ganze Land in der Geiselhaft dieser Gruppe von Menschen sein", mahnte Lauterbach. "Das können wir uns nicht mehr leisten." Der Minister verwies zudem darauf, dass es im Herbst zu neuen Virusvarianten kommen könne. So könne sich Omikron etwa derart verändern, dass es tiefer in die Lunge eindringe.

Ähnlich äußerte sich auch SPD-Gesundheitsexpertin Heike Baehrens: "Das Virus ist nicht berechenbar." Es müsse die Voraussetzung dafür geschaffen werden, "dass wir nicht noch mal von einer Welle überrollt werden". Um die Gesellschaft zu schützen, müsse eine hohe Grundimmunisierung aufgebaut werden, so Baehrens. Je weniger Erkrankungen es gebe, desto schnelle könne zu einem Leben ohne Freiheitseinschränkungen zurückgekehrt werden.

Wirtschaftsminister Robert Habeck setzte sich ebenfalls für die Einführung einer Impfpflicht ein. "Die Menschen in diesem Land haben es satt. Bringen wir diese Pandemie endlich hinter uns, erledigen wir das Virus und kehren wir dann zur Freiheit zurück", sagte er. Mit rein freiwilligen Impfungen "kriegen wir nicht den Grundschutz in der Gesellschaft". Und weiter: "Die Freiheitsinterpretation der wenigen darf nicht zur permanenten Freiheitseinschränkung der vielen führen."

Abstimmung in drei Wochen geplant

Der FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann warb zunächst für eine verpflichtende Beratung. Er ist Mitinitiator eines Antrags für eine Beratungspflicht und dann eine mögliche Impfpflicht ab 50. Dies sei das mildere Mittel. "Unser Gesetzentwurf baut Brücken." Es dürfe in diesem Jahr nicht wieder zu einem Weihnachten mit Einschränkungen kommen, mahnte Ullmann.

Deutlich wurde in der Debatte, dass es quer durch die Fraktionen unterschiedliche Ansichten gibt. So wandte sich Tabea Rößner von den Grünen gegen eine Impfpflicht. "Viele haben Ängste, einige berichten von starken Impfreaktionen", sagte sie. "Sterile Immunität kann mit einer Impfpflicht nicht erreicht werden." Die Corona-Impfung sei zudem mehr Eigen- als Fremdschutz.

Auch Linken-Politiker Gregor Gysi lehnte eine Impfpflicht strikt ab. "Ich bin ein strikter Gegner der allgemeinen Impfpflicht. Bei Masern war ich dafür, weil das die Krankheit ausrottete, das schafft der Impfstoff hier nicht", sagte er. Gysi forderte stattdessen mehr Aufklärung. 30.000 Menschen pro Tag müssten überzeugt werden, das könne gelingen. Geldbußen seien der falsche Weg.

Vorgesehen ist eine Abstimmung über die verschiedenen vorliegenden Anträge ohne die sonst übliche Fraktionsdisziplin. Sie ist in drei Wochen geplant.

Quelle: ntv.de, hny/dpa

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