E-Patientenakte kommt 2025 Lauterbach nimmt Kurs aufs E-Rezept
30.08.2023, 17:09 Uhr Artikel anhören
Rosa Zettel ade: Das Lesegerät steht in der Apotheke, auf der Gesundheitskarte ist das E-Rezept gespeichert.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ihre Bankkonten haben die Menschen längst digital im Blick, ihre Gesundheitsdaten nicht. Mit einem neuen Gesetz will Lauterbach Deutschland aus dem Stand eines Entwicklungslandes herausführen, Rezepte und Patientenakten werden Smartphone-fähig.
Elektronische Rezepte und digitale Gesundheitsakten sollen für Millionen Patienten zum Alltag werden. Darauf zielen Gesetzespläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, die das Bundeskabinett in Meseberg auf den Weg gebracht hat. Nach jahrelangen Verzögerungen und technischen Problemen soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen damit in Fahrt kommen. Bis Anfang 2024 sollen E-Rezepte in allen Praxen zu haben sein. Als Kernprojekt sollen Anfang 2025 E-Patientenakten für alle kommen - es sei denn, ein Patient lehnt das ausdrücklich ab. Auch die Nutzung kombinierter Gesundheitsdaten für die Forschung soll erleichtert und deutlich vorangebracht werden.
"Damit starten wir sowohl im Versorgungsalltag wie in der Forschung eine Aufholjagd", sagte der SPD-Politiker. Patienten sollten sich darauf verlassen können, dass ihre Gesundheitsdaten überall sicher genutzt werden, um sie besser zu versorgen. Der Minister hatte mehrfach klar gemacht, dass der Nachholbedarf groß ist: Bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems sei Deutschland leider "ein Entwicklungsland". Lauterbach will besonders Anwendungen mit praktischem Nutzen beschleunigen. Zwei Gesetze dazu kommen nun zu weiteren Beratungen in den Bundestag.
Er erwarte großen Zuspruch für die elektronische Patientenakte, sagte Lauterbach. Er rechne mit mehr als 80 Prozent, die die E-Akte nutzen wollen, sagte der SPD-Politiker am Nachmittag in Berlin. Auch wenn Patienten sie nicht per App am Smartphone selbst anschauen wollten, wäre der volle Nutzen da, wenn Ärzte gespeicherte Daten gebündelt im Blick haben könnten. Wer die E-Patientenakte ganz ablehne, habe natürlich eine schlechtere Versorgung, weil Befunde dann nicht in der Gesamtheit und der Geschwindigkeit in den Behandlungsprozess einfließen könnten.
2024: E-Rezept auf breiter Front
Schon länger sind E-Rezepte anstelle der gewohnten rosa Zettel auch über eine spezielle App oder einen ausgedruckten QR-Code einzulösen. Doch ein Durchbruch in größerem Stil verzögerte sich mehrfach auch wegen technischer Probleme. Mehr Schub bringen soll nun ein weiterer, einfacherer Einlöseweg: Seit 1. Juli ist es in Apotheken möglich, dafür die Versichertenkarte der Krankenkasse in ein Lesegerät zu stecken. Per Gesetz sollen Arztpraxen vom 1. Januar 2024 an verpflichtet werden, Rezepte elektronisch auszustellen. Die Praxen sollen sich dafür schrittweise umstellen.
Eigentlich bestand die Pflicht zum E-Rezept für Praxen bereits seit Anfang 2022. Zu den Voraussetzungen gehört ein Verbindungsgerät an die geschützte Datenautobahn des Gesundheitswesens. Die E-Rezepte werden auf einem zentralen Server gespeichert und beim Einstecken der Kassenkarte wird die Apotheke autorisiert, sie von dort abzurufen. "Der einzige volldigitale Weg beim E-Rezept ist eine Einlösung per App", sagte der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. Mit dem Gesetz könne die E-Rezept-App künftig auch in die Apps der Kassen integriert werden.
2025: E-Patientenakte für alle
Als wählbares Angebot sind E-Akten bereits 2021 eingeführt worden. Sie sollen ein persönlicher Datenspeicher sein und Patienten im Prinzip ein Leben lang bei allen Ärzten begleiten. Die gebündelten Daten sollen auch Wechselwirkungen von Medikamenten und unnötige Mehrfachuntersuchungen vermeiden. Das Problem ist nur, dass sich bisher nur etwa ein Prozent der 74 Millionen gesetzlich Versicherten für eine E-Akte entschieden hat. Erklärtes Beschleunigungsziel der Bundesregierung ist es, bereits bis 2025 auf 80 Prozent zu kommen. Dafür will die Koalition auf das Prinzip "Opt-out" umschwenken: Laut Gesetzentwurf sollen die Krankenkassen breit informieren und dann bis 15. Januar 2025 für alle gesetzlich Versicherten automatisch eine E-Akte einrichten - es sei denn, man widerspricht aktiv.
Abrufbar sein soll die E-Akte dann mit bestimmten Identifikationsregeln über eine Kassen-App. Was Ärzte und Ärztinnen in die Akte einstellen und wer worauf zugreifen kann, soll man selbst festlegen können. Zuerst soll eine Medikamenten-Übersicht nutzbar sein, folgen sollen unter anderem Laborbefunde. Bei Kassenwechsel kann man die Daten mitnehmen.
Leichtere Datenforschung
Ein weiteres Ziel ist es, die Forschung mithilfe von Gesundheitsdaten voranzubringen. Dafür will Lauterbach per Gesetz ermöglichen, an einer zentralen Zugangstelle Daten aus verschiedenen Quellen zu verknüpfen - etwa aus Krebsregistern und von Krankenkassen. Dabei sollen die Daten verschlüsselt (pseudonymisiert) werden. Für Daten, die in E-Akten gespeichert werden, ist wieder ein Opt-out-Modell geplant: Sie sollen also zunächst eine Einstellung für "Datenspenden" zu Forschungszwecken bekommen, der man aber widersprechen kann.
Lauterbach sieht ein großes Potenzial in Datenauswertungen, mit denen andere Länder in der Corona-Pandemie schnelle Erkenntnisse erzielen konnten. Generell könnten dann auch mit künstlicher Intelligenz über Abgleiche mit ähnlichen Fällen zum Beispiel Tumore in frühen Stadien besser erkannt werden.
Quelle: ntv.de, mau/dpa