Politik

"Lernende Geschlossenheit" Die Ampel will hämmern und klopfen, aber mit Schalldämpfer

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Gemeinsame Pressekonferenz vor dem Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg: Lindner, Scholz und Habeck (v.l.).

Gemeinsame Pressekonferenz vor dem Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg: Lindner, Scholz und Habeck (v.l.).

(Foto: dpa)

Nach ihrer Klausur in Meseberg setzt die Ampel erneut auf Geschlossenheit, scheint aber selbst nicht mehr zu glauben, dass der Friede hält. Die Diskrepanz zwischen eigener Bilanz und Stimmung in der Bevölkerung kann auch der Kanzler nicht erklären.

Wieder einmal soll eine Klausurtagung der Ampelkoalition für neue Geschlossenheit sorgen, wieder einmal versucht die Bundesregierung, sich selbst die konstruktive Aufbruchstimmung einzuimpfen, die anfangs die gemeinsame Arbeit geprägt hatte. Aber beim Abschlussauftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner merkt man auch, wie genau sie selbst wissen, dass der Aufruf zur Geschlossenheit nicht mehr überzeugend wirkt.

Und so startet Scholz die Freiluft-Pressekonferenz im brandenburgischen Meseberg denn auch mit einer nüchternen Aufzählung der Initiativen, die in Meseberg beschlossen wurden - das passt ohnehin besser zu ihm. Die Koalition habe "sehr zahlreiche Gesetzesvorhaben" auf den Weg gebracht, die Regierung sei in der Sommerpause sehr produktiv gewesen.

Das stimmt auch. Die Wirtschaft soll stärker entlastet werden, befristet soll es steuerliche Anreize für den Wohnungsbau geben. So wurde in Meseberg vom Kabinett das Wachstumschancengesetz beschlossen, das eine Reihe von Steuererleichterungen für Unternehmen enthält. Das Bürokratieentlastungsgesetz von Bundesjustizminister Marco Buschmann wurde ebenfalls verabschiedet, die Gesetze zur baldigen Einführung von elektronischen Rezepten und der elektronischen Patientenakte ab 2025 sind auch fertig. Außerdem hat das Kabinett eine neue Datenstrategie beschlossen, die auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung vorsieht, und Georgien und Moldau sollen "sichere Herkunftsstaaten" werden.

"Lernende Geschlossenheit"

Aber das ist eben nur die eine Seite der Medaille, die andere ist die Stimmung. Über die spricht Habeck. Der Wirtschaftsminister nimmt, anders als Scholz, in seinem Eingangsstatement - ebenfalls typisch - das große Ganze in den Blick. Eine Gesellschaft brauche Ziele und den Optimismus, diese Ziele erreichen zu können. Gelinge das nicht, könnten Populisten politisches Kapital aus ihrer Angstmacherei schlagen. Die Aufgabe dieser Regierung sei es, "zu verstehen, dass verschiedene Blickwinkel eine Stärke sind. Dass man voneinander lernen kann und dass Kompromisse was Gutes sind, um die Mitte und die Handlungsfähigkeit stabil zu halten". Und dann beschwört Habeck tatsächlich die Geschlossenheit, allerdings eine, "die nicht eine statische ist, sondern eine lernende Geschlossenheit". Diese ins Zentrum zu stellen, "das sicherlich ist der Geist dieser Klausur gewesen". Atmosphärisch und inhaltlich sei es "eine sehr, sehr gute Tagung" gewesen.

Lindner bestätigt, es sei "eine gute Klausurtagung" gewesen, man habe "gute Beschlüsse" gefasst, so viel Übereinstimmung gibt es immerhin. "Wir sind eine Regierung, wo gehämmert, geschraubt wird", erklärt der FDP-Chef. Das führe zu Geräuschen, "aber es kommt eben auch etwas raus". Scholz greift dieses Bild später auf: "Wir werden hämmern und klopfen, aber mit Schalldämpfer, es soll ja nicht mehr gehört werden."

Wie bereits am Dienstag zieht Scholz eine positive Zwischenbilanz der Koalition, deren Halbzeit ja gerade zu Ende geht. Das Merkwürdige sei: "Es ist viel mehr entschieden worden als in den letzten Jahren", er meint die Zeit der Großen Koalition, zudem "in einem unglaublichen Tempo". Dann folgt ein etwas scholziger Satz: Deutschland wäre ohne diese Entscheidungen "weder durch die wirtschaftliche Krise gekommen, die mit dem Stopp der russischen Gas- und Kohle- und Öllieferungen verbunden gewesen sein hätte können, sondern wir wären auch nicht in der Lage gewesen, die grundlegende Modernisierung des Landes voranzutreiben".

Aber warum ist die Stimmung in der Bevölkerung so schlecht?

Auf die Frage einer Journalistin nach der Diskrepanz zwischen dieser positiven Halbzeitbilanz und dem eher negativen Stimmungsbild in der Bevölkerung wiederholt Scholz, die Leistungsbilanz sei gut, "und wir alle haben natürlich den Auftrag, nicht durch die Art und Weise, wie wir uns darum bemühen, so viel so schnell auf den Weg zu bringen, übersehen zu lassen, dass wir genau das getan haben". In Meseberg hätten alle dieses Vorhaben "noch mal bekräftigt". Die Nachfrage, wie denn nun die Stimmung in der Bevölkerung zu erklären sei, bleibt letztlich unbeantwortet.

Ruhiges Arbeiten also. Ob das klappt? Der Industriestrompreis ist ein Thema, bei dem aktuell Missstimmung in der Koalition herrscht. Habeck hat die Idee aufgebracht, Lindner und die FDP lehnen eine solche Maßnahme strikt ab, die SPD-Fraktion hat sich mittlerweile auch dafür ausgesprochen, aber der Kanzler will ihn nicht. Auf das Thema angesprochen, hält Scholz einen längeren Vortrag über die Energiepolitik der Ampel - er macht das häufig so, dass er viel sagt, wenn er wenig mitteilen will. Konkret zum Industriestrompreis und der Position seiner eigenen Fraktion sagt Scholz nur, das sei etwas, "wo wir gerne hinschauen und uns vor allem darüber freuen, dass das Interesse, Wirtschaftsaktivierung zu betreiben, ein allseitiges ist".

Mehr zum Thema

Lindner, der in den vergangenen Tagen kaum eine Gelegenheit ausgelassen hatte, den Industriestrompreis abzulehnen oder Forderungen danach zu kritisieren, erklärt im Anschluss lediglich, er schließe sich dem Bundeskanzler in allen Punkten an. Habeck macht derweil eine leicht säuerliche Miene.

Ein paar Fragen weiter hat der Wirtschaftsminister eine etwas spitze Replik parat: "Der Bundeskanzler hat ja einleitend gesagt, dass er begrüßt, dass sich so viele Leute Gedanken um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts machen. Das begrüße ich auch ausdrücklich. Und das ist ja eine nicht abschließende Aufforderung gewesen." Das muss wohl diese lernende Geschlossenheit sein, von der zuvor die Rede war.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen