Johnson warnt Putin vor Abgrund Lawrow sieht "Chance" auf Einigung
14.02.2022, 16:44 Uhr
"Unsere Möglichkeiten sind bei weitem noch nicht erschöpft", sagt Lawrow im Gespräch mit Putin über Verhandlungen mit dem Westen.
(Foto: AP)
Der russische Außenminister Lawrow betont bei einem im Fernsehen übertragenen Gespräch mit Präsident Putin, er sehe noch Chancen für die Gespräche mit dem Westen - und kündigt eine Antwort an die NATO an. Derweil fordert der britische Premier den Kreml eindringlich auf, einzulenken.
Inmitten wachsender Spannungen im Ukraine-Konflikt hat der russische Außenminister Sergej Lawrow Hoffnungen auf eine Einigung mit dem Westen geäußert. Russland will mit den USA und der NATO weiter über Sicherheitsgarantien für Moskau verhandeln. Der Kreml kündigte zudem eine schriftliche Antwort an die NATO und die USA an. Derweil rief der britische Premier Boris Johnson den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit eindringlichen Worten zur Deeskalation auf.
In einem offensichtlich genau orchestrierten Treffen mit Putin sagte Lawrow zu den Erfolgsaussichten der Verhandlungen mit dem Westen: "Als Chef des Außenministeriums muss ich sagen, dass es immer eine Chance gibt." Er spreche sich dafür aus, die Gespräche fortzusetzen und zu verstärken.
In dem vom Fernsehen übertragenen Treffen fragte Putin seinen Außenamtschef: "Gibt es eine Chance, mit unseren Partnern eine Einigung in wichtigen Punkten zu erlangen oder ist dies ein Versuch, uns in einen endlosen Verhandlungsprozess zu ziehen?" Daraufhin sagte Lawrow unter anderem: "Unsere Möglichkeiten sind bei weitem noch nicht erschöpft."
Die Verhandlungen sollten zwar "nicht unendlich fortgesetzt werden, aber ich schlage vor, sie fortzusetzen und zu verstärken", betonte der russische Außenminister. Am Dienstag wird Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem Treffen mit Putin in Moskau erwartet.
Lawrow kündigt schriftliche Antwort an
Nach Darstellung Lawrows hat Russland nun auch eine zehnseitige Antwort an die Nato und die USA formuliert, nachdem beide Seiten bereits vorher Schriftstücke ausgetauscht hatten. Russland hatte den USA und der Nato eine Liste mit Forderungen nach Sicherheitsgarantien übergeben. So sollte das Militärbündnis etwa auf eine Aufnahme der Ukraine verzichten und sich auf seine Positionen von 1997 zurückziehen.
Die Nato beruft sich hingegen darauf, dass jedes Land das Recht auf eine freie Bündniswahl habe. Die Antworten der Nato und der USA auf die russischen Forderungen stießen wiederum in Moskau auf Enttäuschung. Russland sieht die Nato als Gefahr für seine Sicherheit. Die von Lawrow angekündigte schriftliche Antwort ist nun ein neues Gesprächsangebot.
Johnson: "Vom Rande des Abgrunds" zurücktreten
Der britische Regierungschef Boris Johnson rief von London aus Putin auf, "vom Rande des Abgrunds" zurückzutreten. "Wir stehen kurz vor dem Abgrund, aber noch kann Präsident Putin davon zurücktreten." Das Zusammenziehen von 130.000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine habe eine "sehr gefährliche, schwierige Situation" geschaffen, sagte Johnson im Fernsehen. Es gebe klare Anzeichen, dass sie "zumindest etwas vorbereiten, was innerhalb der nächsten 48 Stunden passieren kann".
Johnson forderte zudem ein sofortiges Ende der heftig umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und sagte, alle europäischen Länder müssten alternative Energiequellen finden, um weniger abhängig von Russland zu sein. Moskau drohte er erneut "sehr, sehr ernsthafte wirtschaftliche Konsequenzen" für den Fall eines Einmarschs in die Ukraine an.
Johnson kürzte einen geplanten Besuch in Schottland und im Norden Englands ab, um noch am Abend in die Downing Street zurückzukehren. Im Laufe der Woche wollte der konservative Politiker erneut für Gespräche in die osteuropäische Krisenregion reisen.
Zuletzt hatten bereits die USA davor gewarnt, dass nun jederzeit ein russischer Einmarsch in der Ukraine drohen könnte. Russland weist dies als Hysterie und Panikmache zurück. Moskau besteht darauf, dass der Westen die Regierung in Kiew stärker drängen müsse, die ukrainischen Verpflichtungen im Friedensplan für das Konfliktgebiet Donbass zu erfüllen. Die Ukraine hatte zuletzt deutlich gemacht, dass sie das Abkommen nicht umsetzen will.
Unterdessen wächst der Handlungsdruck von russischer Seite weiter. Nach den Kommunisten brachte nun auch die Regierungspartei Geeintes Russland im Parlament einen Aufruf ein, nach dem der Kreml die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk anerkennen soll. Die Staatsduma soll bereits an diesem Dienstag über die Verabschiedung der Aufrufe entscheiden. Die Kommunisten begründen die Initiative mit der schweren humanitären Lage im Donbass. Den Menschen dort müsse geholfen werden.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP