Spannung vor Richterwahl Linke lässt Union zappeln - die geht ins Risiko
25.09.2025, 15:06 Uhr Artikel anhören
Nach der gescheiterten Wahl dreier Verfassungsrichter im Sommer nimmt der Bundestag heute den nächsten Anlauf. Dabei sind Union und SPD auf Stimmen der Linken angewiesen. Doch geredet hat niemand von CDU oder CSU mit deren Fraktion. Daraus zieht die Linke Konsequenzen.
Vor der Wahl dreier Verfassungsrichter am Nachmittag im Bundestag ist das Ergebnis weiterhin offen - weil die Linke sich vorab nicht festlegen will. Wie Fraktionschefin Heidi Reichinnek bei ntv sagte, stellt ihre Fraktion den Abgeordneten die Wahl des Unionskandidaten Günter Spinner frei. Das heißt, sie dürfen selbst entscheiden, ob sie ihn wählen. Reichinnek sagte, die SPD-Kandidatinnen Sigrid Emmenegger und Ann-Kathrin Kaufhold könnten dagegen mit den Stimmen ihrer Fraktion rechnen.
"Die Union war erneut nicht bereit, bei den demokratischen Parteien um Zustimmung zu werben", sagte Reichinnek zu ntv. Neben Reichinnek äußerte sich auch Linken-Politiker und Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow bei ntv empört über das Verhalten der Unionsfraktion in dieser Frage. "Wir sind nicht die Reserve, die man in die Westentasche steckt und bei Bedarf mal als Kärtchen herausholt. Wir sind Teil des demokratischen Spektrums. Wir wollen ernst genommen werden."
Für die Wahl von Verfassungsrichtern ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages nötig. Um die zu erreichen, brauchen Union und SPD Hilfe von anderen Parteien. Da sie nicht auf Stimmen der AfD angewiesen sein wollen, kommen dafür nur Grüne und Linke infrage. Sollten die Grünen geschlossen mitstimmen, wären immer noch sieben Abgeordnete der Linken für die Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Insgesamt verfügt die Partei über 64 Sitze.
Reichinnek: "Rechte Hetzkampagne"
Die Wahl ist geheim und beginnt um 16:30 Uhr. Man wird also nicht nachvollziehen können, wie viele Abgeordnete welcher Partei zugestimmt haben. Die Abgeordneten haben zwei Stunden Zeit, ihre Stimme abzugeben. Die Richterstellen sollten eigentlich schon vor der Sommerpause besetzt werden. Doch die Union weigerte sich quasi in letzter Minute, die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zu wählen. Reichinnek warf ihr deshalb zum wiederholten Male vor, sich an "einer rechte Hetzkampagne" beteiligt zu haben.
CDU und CSU hatten sich bis zuletzt geweigert, direkt mit Vertretern der Linken über die Wahl zu sprechen. Erst am Sonntag verwies Unionsfraktionschef Jens Spahn auf den Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei gegenüber der Linken. Stattdessen sollte die SPD mit der Linken sprechen. Damit geht die Unionsfraktion aber auch ein Risiko ein - sollte die Wahl scheitern, wäre das eine riesige Blamage und würde eine erneute Regierungskrise nach sich ziehen.
Die Linke bekämpft den Unvereinbarkeitsbeschluss seit Jahren und sieht sich als normale demokratische Partei. "Die Union dämonisiert uns", sagte Reichinnek. Spahn wisse ganz genau, dass es bereits eine Zusammenarbeit gebe. In Sachsen hätte es ohne die Linke keinen Haushalt gegeben, weil CDU und SPD dort ohne eigene Mehrheit im Landtag regieren. Ramelow sagte, er habe in Thüringen den CDU-Kandidaten Mario Voigt zum Ministerpräsidenten mitgewählt.
"Gehe mit gutem Gefühl in die Wahl"
Zur Richterwahl sagte Reichinnek: "Die Union ist in der Verantwortung dafür, demokratische Mehrheiten zu schaffen und ins Gespräch mit demokratischen Parteien zu gehen." Die Linke habe bereits den zweiten Wahlgang von Friedrich Merz zum Bundeskanzler ermöglicht - ihre Stimmen wurden für eine Neuansetzung der Wahl am selben Tag gebraucht. "Da haben wir ganz deutlich gezeigt, dass es uns darum geht, dass es hier kein Chaos gibt, sondern Stabilität. Aber irgendwann ist es auch mal genug. Irgendwann muss eine Union begreifen, dass sie hier nicht einfach im luftleeren Raum agiert."
Gleichwohl hielten sich Reichinnek und Ramelow mit Kritik am CDU-Richterkandiaten Spinner zurück. "Alles in allem entscheiden wir natürlich nach Faktenlage. Es gibt durchaus einige Punkte, die wir sehr positiv finden, aber auch einige Punkte, die wir kritisieren." Ramelow sagte, er habe großen Respekt vor der Arbeit des Bundesverfassungsgerichtes, das Spinner übrigens selbst für die eigenen Reihen vorgeschlagen hat. Es habe eine lange und intensive Debatte in der Fraktion gegeben, sagte Ramelow. "Deswegen gehe ich mit einem guten Gefühl und einer guten Orientierung in diese Wahl."
Quelle: ntv.de, vpe