Politik

Richter-Wahl, zweiter Versuch Union will es nicht nochmal "versemmeln"

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Für Spahn und Merz war die gescheiterte Richterwahl eine Blamage - und die soll sich nicht wiederholen.

Für Spahn und Merz war die gescheiterte Richterwahl eine Blamage - und die soll sich nicht wiederholen.

(Foto: picture alliance / photothek.de)

Im Sommer schlittert die Koalition aus Union und SPD in ihre erste richtige Krise: Die Wahl dreier Verfassungsrichter scheitert. Nun nehmen die beiden Parteien Anlauf für den nächsten Versuch. Auch diesmal lauern Gefahren.

Diese Woche ist für die Bundesregierung ziemlich wichtig - zum einen bringen Union und SPD den Haushalt für das kommende Jahr ein, nur eine Woche nachdem sie den Haushalt für das laufende Jahr verabschiedet haben. Zum anderen steht am Donnerstag ein Termin an, der noch mehr Aufmerksamkeit bekommen wird: die Besetzung von drei vakanten Richterstellen am Bundesverfassungsgericht.

Da war doch was: Richtig, das Stichwort lautet Frauke Brosius-Gersdorf. Eigentlich sollte die Juristin im Sommer an das höchste deutsche Gericht gewählt werden. Daraus wurde nichts. Abgeordnete der Union stellten sich reihenweise quer. Sie haderten mit ihrer Haltung zu Abtreibungen oder auch zur Impfpflicht. Die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin beendete die Hängepartie schließlich durch ihren Verzicht. Vor allem die Führung der Unionsfraktion blamierte sich dabei, denn sie hatte der Personalie kurz vor der entscheidenen Abstimmung noch zugestimmt und dabei den Unmut der eigenen Leute nicht kommen sehen.

Fakt ist auch, dass die AfD ein Trommelfeuer von Kritik, Falschbehaupten und Diffamierungen über die Kandidatin niedergehen ließ und sich womöglich manche in der Unionsfraktion davon beeindrucken ließen. Die SPD war ziemlich sauer. Doch über den Sommer ist einiges Wasser die Spree heruntergeflossen und die Fraktionsspitzen haben sich bei einem Treffen in Würzburg ausgesprochen. Auch ein gemeinsames Grillfest Mitte September sollte schwarze und rote Herzen wieder füreinander erwärmen.

AfD attackiert Kaufhold

Jetzt steht also der zweite Versuch an. Die Aufgabenstellung lautet noch immer: Drei Stellen am Verfassungsgericht besetzen. Die erste Hürde nahm die Koalition bereits am Montagabend. Im Richterwahlausschuss einigten sich die Fraktionen auf Günter Spinner, Richter am Bundesarbeitsgericht und Ann-Katrin Kaufhold, Jura-Professorin von der Uni München. Neu im Kandidatentableau ist Sigrid Emmenegger, die die SPD anstelle von Brosius-Gersdorf nominierte. Sie ist Richterin am Verwaltungsgericht Leipzig.

Bislang war der Richterwahlausschuss das entscheidende Gremium, die Abstimmung im Plenum eher Formsache. Doch der Ausschuss hatte auch Brosius-Gersdorf zugestimmt und erst daraufhin brach die Krise aus. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Auch wenn die AfD sich nun eine andere Kandidatin herausgepickt hat, die sie verhindern will: Diesmal trifft es Ann-Katrin Kaufhold, die auch schon beim ersten Anlauf nominiert war.

Am Montag sagte der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann, Kaufhold sei Teil eines Unterwanderungsversuchs des Verfassungsgerichtes durch die SPD. Er warf Kaufhold außerdem vor, für die Verstaatlichung von Wohnungsunternehmen zu sein. Die Universitätsprofessorin hatte sich an einer Kommission beteiligt, die in Berlin die Umsetzung eines entsprechenden Volksentscheids rechtssicher machen sollte. Außerdem billigte sie dem Bundesverfassungsgericht eine wichtige Rolle beim Klimaschutz zu, auch das ein Reizthema für die AfD.

An diesem Dienstag gab es über die Richterwahl eine erste Debatte im Bundestag. Dabei ging es um die Tagesordnung für diese Woche. Üblicherweise einigen sich die Fraktionen im Vorfeld der Sitzungen darüber. Diesmal machte die AfD nicht mit, so kam es zu einer Diskussion über die Tagesordnung. Die AfD forderte, die Wahl der Verfassungsrichter abzusagen. Baumann begründete das neu. Die Haushaltswoche sei zu wichtig, um noch eine Richterwahl unterzubringen, sagte er. Dirk Wiese von der SPD wies das zurück. In Haushaltswochen sei auch schon über die AfD-Kandidaten für das Präsidium des Bundestages abgestimmt worden.

Ramelow: "Grottenschlechtes Handwerk"

Die Linken-Abgeordnete Ina Latendorf stellte sich ebenfalls gegen die AfD. "Wir wollen definitiv, dass die Wahl in dieser Woche stattfindet", sagte sie. "Die Linke wird der vorgeschlagenen Tagesordnung zustimmen, auch wenn keiner mit uns geredet hat." Das war eine Spitze in Richtung der Union, denn für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit brauchen Union und SPD auch die Stimmen von Grünen und Linken. Wegen ihres Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken wollte aber die Union keine Gespräche mit der Partei führen.

Das ärgert viele in der Partei, zum Beispiel Bodo Ramelow - im "Stern" warf er der Union "grottenschlechtes Handwerk" vor. "Das, was die Union beim letzten Mal versemmelt hat, versemmelt sie jetzt einmal mehr", sagte der frühere Ministerpräsident Thüringens. CDU und CSU hatten wegen ihres selbstauferlegten Kooperationsverbots mit der Linken tatsächlich selbst nicht mit deren Fraktion gesprochen - das hatten sie der SPD überlassen. "Ich bin überhaupt nicht darüber zufrieden, wie CDU und CSU zu Zweidrittelmehrheiten kommen wollen", sagte Ramelow. "Auf diese Art und Weise funktioniert es jedenfalls nicht."

Damit ließ er offen, ob die Linke den drei Kandidaten zustimmen wird. Leichtfertig wird die Partei ihre Zustimmung nicht verweigern. Inhaltlich hat sie wenig gegen die Kandidaten einzuwenden. Und die AfD jubeln sehen, wollen die Linken auch nicht - wenn Union und SPD einen ihrer Kandidaten nur mit Stimmen der AfD durchbringen. Trotzdem: Gelaufen ist diese Wahl erst, wenn die drei offenen Stellen am Verfassungsgericht besetzt sind.

Quelle: ntv.de

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